Der Mandatsverzicht des einstigen Grünen-Vorsitzenden und späteren Bundeswirtschaftsministers hatte sich lange abgezeichnet. Am Montag machte der 55-Jährige Ernst – und ging dabei auf führende Unionspolitiker los.
Attacken auf Söder und KlöcknerRobert Habeck wählt einen Abschied im Zorn

Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), damaliger Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, steht während eines kleinen Parteitags von Bündnis 90/Die Grünen im Saal.
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Das Geraune unter Grünen wollte nicht verstummen, das Geraune über die Frage: Verlässt er nach dem zwangsweisen Abschied aus dem Bundeskabinett auch den Bundestag – oder bleibt er, „der Robert“? Am Montag hat Robert Habeck den Vorhang gelüftet: Er legt das am 23. Februar errungene Mandat nieder. „Ich will weder ein höhnisch-zynischer Kommentator sein, noch will ich wie ein Gespenst über die Flure laufen und sagen: Früher war ich mal Vizekanzler, erinnert ihr euch?“, sagte der 55-Jährige in einem am Montag veröffentlichten Interview mit der „taz“. „Ich gehe jetzt komplett ins Offene und lasse die Leinen los.“
Abschied zeichnete sich ab
Bereits Ende April schien es so weit zu sein. Damals verlautete aus führenden Partei- und Fraktionskreisen, es habe seit der Bundestagswahl interne Gespräche mit dem seinerzeit noch geschäftsführend amtierenden Vizekanzler gegeben. Es sei aber nicht möglich gewesen, eine Rolle zu finden, die ihm gerecht werde und niemand anderem in der Spitze in die Quere komme. Die junge Mayra Vriesema schien als Nachrückerin längst festzustehen.
Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann dementierte. „Wir konstituieren gerade die Fraktion, und Robert Habeck wird sich – in Absprache mit uns – künftig im Auswärtigen Ausschuss um das Verhältnis Deutschland-USA kümmern“, sagte sie. „Die Wichtigkeit dieser Beziehung ist ja offensichtlich.“ Näher an der Wahrheit lag, was Habecks langjährige Vertraute und spätere Ministeriumssprecherin Nicola Kabel erklärte: dass ihr Chef das Mandat „erstmal“ annehmen wollte.
Später gab er dem „Spiegel“ ein Interview, das einzige seit der Bundestagswahl, zog es allerdings vor der Veröffentlichung wieder zurück. Habeck war es in dem Gespräch dem Vernehmen nach zu wenig um seine Legacy gegangen – sprich: sein Erbe als Wirtschaftsminister. Parteifreunde erzählten, Habeck sei reizbar und wirke wie einer, der seine Niederlage als Kanzlerkandidat mit mageren 11,6 Prozent noch immer nicht verkraftet habe. Unterdessen orientierten sich Weggefährten um: Kabel ging zur EU nach Brüssel, Habecks Wahlkampfsprecher Julian Mieth wurde Referatsleiter im Landwirtschaftsministerium, der Leiter des Bundestagsbüros, Simon Zunk, schmiedete ebenfalls Pläne.
Ehrgeiz ohne Ventil
Für die Partei- und Fraktionsspitze war der Schwebezustand schwer auszuhalten. Manche hatten wohl Cem Özdemir vor Augen. Der hatte im Januar 2018 den Parteivorsitz abgegeben, wurde dann indes zum Unruheherd in der Bundestagsfraktion. Özdemirs Ehrgeiz fand einfach kein Ventil mehr.
Habecks Gespräch mit der „taz“ ist daher aufschlussreich. Weniger überraschend sind seine nächsten Schritte. „Ich werde das nächste Jahr an verschiedenen ausländischen Forschungs- und Bildungseinrichtungen forschen, lehren und lernen“, sagt er da. „Das eine ist das Dänische Institut für Internationale Studien in Kopenhagen. Ein weiteres ist Berkeley. Aber es wird auch noch andere geben, mit denen ich zusammenarbeiten werde.“ Bemerkenswert ist, dass Habeck seinem Zorn vor allem gegen führende Unionspolitiker freien Lauf lässt.
Der scheidende Star der Grünen hatte sich ja stets als Mann des Ausgleichs präsentiert – und im Wahlkampf gar als „Bündniskanzler“. Dem linken Parteiflügel war das oft zu viel des Guten. Die Falle schnappte zu, als der heutige Kanzler Friedrich Merz zu Jahresbeginn den Versuch unternahm, eine verschärfte Migrationspolitik durchzusetzen – notfalls mit Stimmen der AfD. Wer den Sauerländer als Regierungschef verhindern wollte, schien bei den Grünen seither definitiv an der falschen Adresse zu sein. Die Linke erstarkte fast zwangsläufig.
Nun stellt Habeck fest, dass Merz in seiner ersten Regierungserklärung „quasi meine Wahlkampfrede gehalten“ habe. „Etwa: In Zeiten der Krisen muss man die Schuldenbremse lockern, um Verteidigung und Infrastruktur zu finanzieren.“ Das sei im ersten Moment „irgendwie witzig“ gewesen. Und er, Habeck, habe gelacht. Doch Auslachen sei „keine Lösung“. Über seinen härtesten Widersacher, den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef, urteilt Habeck: „Dieses fetischhafte Wurstgefresse von Markus Söder ist ja keine Politik.“ Bundestagspräsidentin Julia Klöckner spalte schließlich schon immer. „Ob mutwillig oder aus Dämlichkeit, weiß ich nicht.“
Den alten Robert Habeck gibt es nicht mehr
Habeck rechnet also mit jenen Leuten ab, mit denen er bei einem anderen Wahlausgang heute auf der Kabinettsbank säße. Dabei prognostiziert er Union und SPD einen mehr oder weniger gemeinsamen Niedergang und resümiert resignierend: „Die Erfahrung im Ministeramt sagt mir, dass die Gesellschaft vielleicht gar keine Mitte hat, sondern lauter Gruppen, die verschiedene Interessen artikulieren und die sich nur noch rhetorisch auf eine Gemeinsamkeit beziehen. Wenn es konkret wird, werten sie aber eigene lebensweltliche, materielle Interessen immer höher als das rhetorisch beschworene Gemeinsame.“
Den alten Robert Habeck, der im Wahlkampf durch Deutschland zog, um Zuversicht zu verbreiten, den gibt es nicht mehr. Wie der neue Robert Habeck aussehen wird, dürfte die Öffentlichkeit so schnell nicht mehr erfahren.