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Señora PräsidentinFrauen übernehmen das Macho-Land Mexiko

Lesezeit 3 Minuten
Claudia Sheinbaum, frühere Regierungschefin der mexikanischen Hauptstadt, spricht bei der Ankündigung ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt.

Claudia Sheinbaum, frühere Regierungschefin der mexikanischen Hauptstadt, spricht bei der Ankündigung ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt.

Der Spruch ist im machistischen Mexiko noch immer zu hören: „Wenn sie den Mund hält, sieht sie hübscher aus“. Auf Spanisch: „Calladita se ve más bonita“. Doch die Frauen haben dort immer mehr das Sagen. Nun ist die Präsidentschaft zum Greifen nah.

Claudia Sheinbaum lächelt leicht gerührt in ihrem kirschroten Kleid, während ihre linken Parteifreunde in Mexiko-Stadt jubeln: Presidenta, presidenta! Die gekürte Präsidentschaftskandidatin des Regierungsbündnisses reckt die geballte Faust in die Höhe und verkündet: „2024 werden wir gewinnen“. Dann werde Mexiko erstmals eine Präsidentin haben.

Das sieht auch die Gegenseite so: „Es ist Zeit für coole Frauen“, sagt Xóchitl Gálvez. Die 60 Jahre alte parteilose Senatorin tritt bei der Präsidentschaftswahl in acht Monaten für die Oppositionskoalition Frente Amplio por México an, die aus drei ehemals verfeindeten Parteien von Mitte-rechts bis Mitte-links besteht.

Zwei Frauen als Spitzenkandidatinnen

Die Physikerin Sheinbaum (61), ehemalige Bürgermeisterin der Hauptstadt Mexiko-Stadt, und Gálvez, eine Computeringenieurin mit indigenen Vorfahren, die gerne im traditionellen Huipil-Kleid auftritt, werden voraussichtlich am 2. Juni 2024 als Spitzenkandidatinnen gegeneinander antreten. Noch handelt es sich nur um interne Entscheidungen der Koalitionen, die offizielle Registrierung ist erst im Februar möglich.

Xochitl Galvez, Senatorin und Kandidatin eines Oppositionsbündnisses aus drei Parteien für die Präsidentschaftswahlen, hält während einer politischen Veranstaltung am Denkmal des Engels der Unabhängigkeit eine mexikanische Nationalflagge.

Xochitl Galvez, Senatorin und Kandidatin eines Oppositionsbündnisses aus drei Parteien.

Aber die sich immer deutlicher abzeichnende Möglichkeit, dass Mexiko eine Präsidentin bekommt, sei in der Tat ein bedeutender Schritt nach vorne und auf eine Reihe struktureller Veränderungen der vergangenen Jahrzehnten zurückzuführen, sagt die Expertin für Genderfragen, Jeraldine del Cid, von der Lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften (Flacso) in Mexiko-Stadt.

Sheinbaum wäre erste Frau und Jüdin im Amt

„Heute können wir das als eine Errungenschaft bezeichnen, auch wenn es nicht unbedingt bedeutet, dass wir die tatsächliche Gleichberechtigung der Frauen erreicht haben“, sagt Del Cid. Zwar gab es in der Vergangenheit schon andere Präsidentschaftskandidatinnen. Doch nun haben sich alle großen Parteien in einem der beiden Bündnisse zusammengeschlossen, die entweder Sheinbaum oder Gálvez unterstützen.

Weitere Kandidaten wollen als Parteilose oder für kleinere Parteien antreten. Einer von ihnen ist Ex-Außenminister Marcelo Ebrard, einer der fünf Männer, die Sheinbaum im Nominierungsverfahren des Regierungsbündnisses um die Partei Morena unterlagen. Ebrard prangerte daraufhin Unregelmäßigkeiten zugunsten Sheinbaums an. Seine politische Zukunft ist offen.

Bei einem Wahlsieg wäre die Favoritin Sheinbaum, eine enge Vertraute des amtierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador, auch die erste Person jüdischer Herkunft an der Spitze des katholisch geprägten und mit 126 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten spanischsprachigen Landes.

Gleichstellung ist noch lange nicht erreicht

Immer mehr Frauen rücken in Mexiko in Schlüsselpositionen vor. Der Oberste Gerichtshof und das Oberste Wahlgericht werden jeweils von Präsidentinnen geleitet, die Zentralbank Banco de México wird von einer Frau geführt und auch an der Spitze der beiden Parlamentskammern und auf wichtigen Kabinettsposten stehen Frauen.

Dennoch ist die Gleichstellung der Geschlechter im Macho-Land Mexiko, Deutschlands wichtigstem Handelspartner in Lateinamerika, noch lange nicht erreicht. Sexuelle Gewalt und geschlechtsspezifische Tötungsdelikte, Femizide genannt, nehmen in dem lateinamerikanischen Land zu. Auch verdienen Frauen im gleichen Beruf weniger als Männer.

Women participate in an abortion-rights demonstration during the Day for Decriminalization of Abortion, in Mexico City, Thursday, Sept. 28, 2021.

Mexikanische Frauen nehmen an einem Protestmarschfür die Entkriminalisierung von Abtreibungen in Mexico Stadt teil.

In der Rangliste des Weltwirtschaftsforums (WEF) zur Gleichstellung von Frauen und Männern belegt Mexiko, die 14. größte Volkswirtschaft der Welt, Platz 33 von 146 Ländern. Im Bereich wirtschaftliche Teilhabe und Chancen liegt das Land bei der Gleichstellung nur auf Platz 110.

Gegenwind fängt gerade erst an

Schon jetzt sei eine Art Gegenreaktion auf die Nominierung zweier Frauen für das Präsidentenamt zu spüren, etwa durch Äußerungen, die ihre Fähigkeiten in Frage stellten, sagt die Akademikerin Del Cid weiter. Es gebe sowohl hohe Erwartungen als auch Herausforderungen.

„Wir befinden uns in einer Art Warteschleife, in der wir noch nicht sagen können: Wir halten es für selbstverständlich, dass eine Frau die nächste Präsidentin von Mexiko wird. Es würde mich nicht wundern, wenn es in letzter Minute noch einen Wechsel gäbe“. (dpa)