Abo

Immer wieder ÜbergriffeChanukka-Leuchter an Sydneys Oper – aber tat Regierung genug gegen Antisemitismus?

4 min
Die Segel des Opernhauses von Sydney sind in Gedenken an die Getöteten am Bondi Beach mit Kerzen auf einer Menora beleuchtet.

Die Segel des Opernhauses von Sydney sind in Gedenken an die Getöteten am Bondi Beach mit Kerzen auf einer Menora beleuchtet. 

Nach dem antisemitischen Anschlag von Sydney sendet die Metropole ein Zeichen der Solidarität. Allerdings kam es auch zuvor immer wieder zu Übergriffen.

Im Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in Sydney und als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde ist das berühmte Opernhaus der australischen Metropole mit dem Bild eines Chanukka-Leuchters angestrahlt worden. Ein neunarmiger Leuchter war am Montagabend (Ortszeit) auf den Segeln des Wahrzeichens zu sehen, wie Fotos zeigen.

Zwei Angreifer hatten am Sonntag am beliebten Bondi Beach in Sydney auf die Teilnehmer einer jüdischen Chanukka-Feier geschossen und 15 Menschen getötet. Mehrere Dutzend Verletzte wurden noch in Krankenhäusern behandelt.

Einer der beiden Attentäter, bei denen es sich um Vater und Sohn handelt, wurde von der Polizei erschossen, der andere ist noch in einer Klinik. Der 50-Jährige und der 24-Jährige hatten den Anschlag offenbar von langer Hand geplant. In ihrem Auto waren zwei Flaggen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gefunden. Premierminister Anthony Albanese bestätigte am Dienstag, die Täter seien offenbar von der IS-Ideologie angetrieben worden.

Albanese besuchte zwei Tage nach dem Anschlag auch den als „Held“ von Bondi Beach geltenden Obsthändler Ahmed Al Ahmad im Krankenhaus, der mutig einen der beiden Attentäter überwältigte und so vermutlich noch mehr Opfer verhinderte.

„Nach diesem fürchterlichen Angriff ist es wichtiger denn je, dass die jüdische Gemeinde in New South Wales weiß, dass sie nicht allein ist“, sagte der Regierungschef des Bundesstaates, Chris Minns, laut australischen Medienberichten. Auch Albanese hatte unmittelbar nach dem Blutbad gesagt, der Angriff auf jüdische Australier sei „ein Angriff auf alle Australier“. Er rief seine Landsleute auf, als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zu Hause eine Kerze zu entzünden. „Wir sind stärker als die Feiglinge, die dies getan haben“, so Albanese.

Netanjahu kritisiert Australien

Trotz des Schocks und der Solidaritätsbeteuerungen gibt es auch Kritik an der australischen Politik, die nach Meinung vieler Betroffener in den vergangenen Jahren zu wenig gegen den grassierenden Antisemitismus im Land getan hat. Insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und dem Beginn des Gaza-Krieges kam es verstärkt zu propalästinensischen Protesten und Übergriffen gegen die jüdische Bevölkerung. In kaum einem anderen Land waren die antisemitischen Auswüchse so stark wie in Australien. 

Dies hatte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu bereits im August in einem Brief an Albanese moniert. Er kritisierte damit die angekündigte Anerkennung eines unabhängigen Staates Palästina, die die australische Regierung wie viele andere Länder im September vollzog. Netanjahu stellte nach dem Anschlag einen Bezug her und behauptete, mit seiner Politik habe Albanese „Öl ins Feuer des Antisemitismus“ gegossen. Albanese wies dies zurück, er sehe keinen Zusammenhang.

Große jüdische Gemeinde in Australien

Klar ist aber, dass es in Australien immer wieder zu Übergriffen gegen die geschätzt mehr als 100.000 Juden im Land kommt. Die israelische Jewish Agency nannte zuletzt eine Zahl von mehr als 117.000 jüdischen Menschen in dem Land. Damit handelt es sich um eine der größten jüdischen Gemeinden weltweit. Allein in Sydney wird die Zahl der jüdischen Einwohner auf rund 50.000 geschätzt. Laut einem Bericht des Exekutivrats australischer Juden kam es in den beiden Jahren seit dem 7. Oktober 2023 zu durchschnittlich 1.858 antisemitischen Vorfällen im Jahr. In den zehn Jahren davor seien es jeweils durchschnittlich 342 im Jahr gewesen.

Menschen verübten Brandanschläge und Brandstiftungen, mit Graffiti und Hassreden wurde gegen Juden gehetzt. Das „Time Magazine“ listet die schlimmsten Vorfälle auf. So wurden im Mai und Oktober 2024 eine jüdische Schule in Mebourne und eine jüdische Bäckerei in Sydney mit Parolen wie „Jude stirb“ und Drohungen beschmiert. Im Oktober 2024 wurde in einer Brauerei in der Nähe des Bondi Beach in Sydney Feuer gelegt – ein Irrtum, eigentlich wollten die Täter ein koscheres Feinkostgeschäft in der Nähe treffen.

Anschlag von Sydney nur Frage der Zeit?

Ebenfalls 2024 kam es zu einem Amoklauf in einer jüdischen Gemeinde bei Sydney, bei dem Feuer gelegt wurde, und zu einer Brandstiftung an einer Synagoge in Melbourne, die als Terroranschlag gewertet wurde. Attacken gegen jüdische Einrichtungen und Personen gehen 2025 weiter: Brandsätze werden gegen Synagogen geworfen, Nazi-Graffitis werden gesprüht, Hass-Botschaften im Netz verbreitet. In Sydney wird ein Wohnwagen mit Sprengstoff und antisemitischem Material gefunden.    

Politik und Behörden versuchten in den vergangenen Monaten, mit Gesetzesverschärfungen und einer Task-Force, bestehend aus Terrorismus-Experten, gegen die Welle der antisemitischen Gewalt vorzugehen. Allerdings, wie sich am Sonntag beim Blutbad von Sydney zeigte, mit wenig Erfolg.

Für viele jüdische Menschen in Australien war es offenbar nur eine Frage der Zeit, wann es zu einem solchen Anschlag kommt, wie auch Leserzuschriften des „Sydney Morning Herald“ zeigen. Von der Regierung werden nicht nur Worte der Solidarität, sondern entschlossenes Vorgehen gegen Antisemitismus gefordert. (mit dpa)