Taliban erklären AngriffsstrategieImmer mehr Menschen in Afghanistan auf der Flucht

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Flüchtlinge in einem Zelt

Eine afghanische Frau mit ihren Töchtern in einem Flüchtlingscamp.

Kabul – Die Zahl der aus Afghanistan vor Gewalt flüchtenden Menschen steigt Beobachtern zufolge wieder an. Gebildete versuchten, über Stipendien oder durch Investitionen in Nachbarländer oder in die Türkei zu gelangen, sagt Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Viele weitere versuchten, sich in den Iran durchzuschlagen. Teilweise machten sich wieder ganze Fahrzeugkonvois auf den Weg, zum Teil sogar mit Fahrzeugen von Armee und Polizei.

Auch die Migration aus Afghanistan über den Iran in die Türkei nimmt Beobachtern zufolge stark zu. Die türkische Provinz Van, die an den Iran grenzt, sei voll von Migranten aus Afghanistan, sagt der Chef des Menschenrechtsverein IHD in der Provinz, Mehmet Karatas, der Deutschen Presse-Agentur. Medienberichte, wonach geschätzt mehr als 1000 Migranten täglich die Grenze passieren, könne er bestätigen.

Mehr als 40 Jahre Krieg

Zu den Fluchtgründen sagt Ruttig, die afghanischen Flüchtlinge seien Kriegsflüchtlinge, auch wenn einige bei Befragungen durch Behörden angäben, ein „besseres Leben“ zu wollen. Dass dies in Afghanistan nicht möglich sei, sei eine Folge der seit mehr als 40 Jahre andauerenden kriegerischen Auseinandersetzungen.

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Zuletzt hatte sich die Sicherheitslage in Afghanistan zugespitzt. Seit Beginn des Abzugs der internationalen Truppen Anfang Mai haben die militant-islamistischen Taliban rund ein Viertel der Bezirke des Landes eingenommen und sind in mehrere Provinzhauptstädte eingedrungen. In mehreren Provinzen stehen nun Milizen den strauchelnden Sicherheitskräften zur Seite. Beobachter fürchten, das Land könnte in einen weiteren Bürgerkrieg abdriften.

Taliban: Kämpfe in Afghanistan sollen nicht in Städte hineingetragen werden

Die Taliban wollen unterdessen nach eigenen Angaben die Kämpfe in Afghanistan nicht in die Städte hineintragen. Die Kämpfe hätten sich inzwischen von den „Bergen und Wüsten“ an die „Türen der Städte“ fortbewegt, doch wollten die Taliban „keine Kämpfe innerhalb der Stadt“, erklärte Amir Chan Muttaki, einer der Anführer der radikalislamischen Miliz, in einer am Dienstag im Onlinedienst Twitter verbreiteten Botschaft.

Taliban Chefs

Eine politischen Delegation der afghanischen Taliban auf einer Pressekonferenz.

Parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der US- und anderen Nato-Truppen aus Afghanistan haben die Taliban in den vergangenen Monaten große Teile des Landes erobert. Dabei haben sie fast alle größeren Städte umzingelt. Nach eigenen Angaben kontrollieren die Taliban inzwischen 85 Prozent des Landes. Diese Darstellung kann allerdings nicht unabhängig überprüft werden und wird von der Regierung in Kabul bestritten.

Luftabwehrsystem am Flughafen von Kabul installiert

Laut afghanischen Regierungskreisen konzentriert sich die Armee des Landes jedoch mittlerweile darauf, die größeren Städte, wichtige Straßen sowie Grenzposten gegen den Vormarsch der Radikalislamisten abzusichern. Als Teil dieser Anstrengungen wurde vor einigen Tagen ein Luftabwehrsystem am Flughafen von Kabul installiert. Es soll die Hauptstadt vor Raketenangriffen schützen.

Die Armee teilte mit, das System sei von „ausländischen Freunden“ geliefert worden, ohne diese Angaben zu präzisieren. Die Türkei hatte unlängst angekündigt, nach dem Abzug der US-Soldaten Sicherheitsinfrastruktur für den Kabuler Flughafen bereitzustellen. Die Taliban warnten die Türkei am Dienstag jedoch davor, ihre Truppenpräsenz in Afghanistan auszuweiten. Dies sei „verwerflich“ und verstoße gegen die „Souveränität und territoriale Integrität“ Afghanistans. Der vollständige Abzug der US-Truppen aus Afghanistan soll bis Ende August vollzogen sein. Die Bundeswehr ist bereits seit Ende Juni nicht mehr in dem Land präsent. (dpa/afp)

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