Noch liegen die Motive für das tödliche Attentat auf Charlie Kirk im Dunkeln. Doch die Trump-Regierung hat eine regelrechte Hatz auf Kritiker des ultrarechten Aktivisten eröffnet.
Trumps Lager teilt ausDer Tod von Charlie Kirk wird zur Waffe gegen politische Gegner

Eine US-Flagge weht auf Halbmast, während ein Mann ein großes Kreuz an einem provisorischen Gedenkort für Charlie Kirk trägt.
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In den Weiten des Internets stieß „Christian Grenier“ bislang auf eher verhaltene Resonanz. Mehr als 43.000 Posts hat sein Account auf der Plattform X abgesetzt, aber nicht einmal 800 Follower angezogen. Doch seit dem Wochenende ist der Social-Media-Nerd mit einem Dackel im Profilbild um einen prominenten Fan reicher: Kein Geringerer als US-Vize-Außenminister Christopher Landau hat ihm zustimmend geantwortet.
Der hochrangige Diplomat hatte bei X dazu aufgerufen, Personen zu melden, die den Mord-Anschlag auf den rechtsnationalistischen Aktivisten Charlie Kirk „preisen, rechtfertigen oder herunterspielen“. Er habe die Konsularbeamten angewiesen, bei Ausländern „angemessene Maßnahmen“ zu ergreifen. Mehr als 13.000 Anschuldigungen gingen daraufhin ein – darunter auch die Denunziation des deutschen Dackel-Freundes. Er warf ZDF-Moderatorin Dunja Hayali („geboren am 6. Juni 1974 in Datteln“) vor, Kirk „verleumdet“ zu haben, weil sie diesem „abscheuliche, rassistische, sexistische und menschenfeindliche Aussagen“ attestierte.
Trump will zur Beerdigungszeremonie im Stadion anreisen
Das hatte Hayali im „Heute-Journal“ wirklich getan, allerdings ausdrücklich vorweggeschickt: „Dass es nun Gruppen gibt, die seinen Tod feiern, ist mit nichts zu rechtfertigen.“ Gleichwohl stimmte Landau dem Post mit einem stempelähnlichen Meme zu, das das Ministeriumswappen und die spanischen Worte „El Quitavisas“ (Der Visum-Entzieher) zeigt.
Für differenzierte oder gar versöhnliche Töne ist derzeit kein Platz in den USA. Das tödliche Attentat auf den umstrittenen 31-jährigen Aktivisten und Podcaster, der ein enger Verbündeter von Präsident Donald Trump war, heizt die Polarisierung des Landes gefährlich weiter an. Die „MAGA“-Bewegung ist fest entschlossen, ihren Aktivisten zum fehlerfreien Märtyrer zu verklären. Überall im Land finden Gedenkfeiern statt. Zur Beerdigungszeremonie in einem 60.000 Menschen fassenden Stadion in Arizona am Sonntag wird Trump persönlich anreisen.
Für Trump und seine Anhänger ist der Fall klar
Derweil sitzt der mutmaßliche Täter in Haft und schweigt. Über die Motive des 22-jährigen Tyler Robinson, der einer strenggläubigen, konservativen Familie entstammt, kann man nur spekulieren. Kryptische Botschaften auf seinen Kugeln („Hey Faschist! Fang!“, „Bella Ciao“ oder „Wenn Du das liest, bist Du schwul“) wirken politisch widersprüchlich und sind allenfalls als Abkürzungen und Codes der Gamer-Szene zu entschlüsseln. Ein klares Bild ergibt das nicht.

Kerzen und Blumen liegen neben einem Porträt des rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk an einem provisorischen Gedenkort während einer Lichterandacht im Memorial Park in Provo, Utah.
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Doch Präsident Trump hat schon am Freitag erklärt, die „radikale Linke“ stecke hinter dem Anschlag. Diese Botschaft wird von der „MAGA“-Bewegung regelrecht aufgesogen. „Der durchschnittliche Demokrat ist voller Hass und Schadenfreude angesichts politischer Gewalt“, gab die rechtsextreme Bloggerin Laura Loomer bei X den Ton vor: „Man muss ihre Bewegung einfach zerschlagen und sie einsperren.“
Digitaler Pranger und Entlassung für Kritiker von Kirk
Entsprechend radikal will die Trump-Regierung nun jenen entgegentreten, die Kirks Andenken angeblich schänden. So wie Landau hat auch Verteidigungsminister Pete Hegseth dazu aufgerufen, Verdächtige zu melden. Eine Webseite mit dem Namen „Expose Charlie’s Murderers“, die bereits mehr als 50.000 Hinweise gesammelt hat, dient als Pranger. Mindestens 30 Menschen haben nach Recherchen des Senders NPR ihre Jobs verloren, weil sie Kirk kritisierten oder Schadenfreude über seine Ermordung zeigten.
Diese Hetzjagd bekommt nun auch Elmar Theveßen, der langjährige Leiter des ZDF-Studios in Washington, zu spüren. „Dieser linksradikale Deutsche ruft immer wieder zu Gewalt gegen Personen auf, mit denen er politisch nicht übereinstimmt“, behauptete der ehemalige Deutschland-Botschafter und heutige Sondergesandte Richard Grenell bei X und forderte: „Sein Visum sollte entzogen werden.“ Vize-Außenminister antwortete mit dem Stempel-Meme des „Visum-Entziehers“.
Kirk fand Abtreibungen „schlimmer als der Holocaust“
Tatsächlich hat Theveßen nie zu Gewalt aufgerufen. Grenell hatte sich offenbar über die Kritik des Korrespondenten an Stephen Miller, dem ultrarechten Mastermind hinter Trumps Massendeportationen, geärgert. Dessen Positionen stammten „ein Stück weit aus der Ideologie des Dritten Reiches“, schlug Theveßen in einem Podcast Alarm. Zuvor hatte er im Netz bereits für Aufregung gesorgt, als er in der Sendung „Markus Lanz“ behauptete, Kirk habe zur Steinigung von Homosexuellen aufgerufen.
Letzteres stimmt so nicht. Kirk hatte bei einer Diskussion im Juni 2024 ein entsprechendes Bibelzitat mit einer anderen Bibelstelle kontrastiert. Theveßen hat die Verkürzung inzwischen bedauert. Doch gibt es genügend Belege für andere geschickt verklausulierte, extreme und aufwiegelnde Auslassungen Kirks: So forderte er Verfahren nach Art der „Nürnberger Prozesse“ für Ärzte, die Geschlechtsumwandlungen vornehmen.
Er erklärte, Homosexualität sei „ein Irrtum“ und Abtreibung „schlimmer als der Holocaust“. Er gab jüdischen Gemeinden die Schuld am „Hass gegen Weiße“ und rückte den muslimischen New Yorker Bürgermeisterkandidaten Zohran Mamdani in die Nähe der Attentäter des 11. September 2001. Für Ex-Präsident Joe Biden forderte Kirk die Todesstrafe. Der Grund: dessen angebliche „Verbrechen gegen Amerika“.