Während ein fragwürdiger „Friedensplan“ für Wirbel sorgt, greift die Ukraine trotz Warnungen aus Moskau Ziele tief in Russland an.
Neuer „Geheimplan“ sorgt für Ärger„Beispielloser Angriff“ – US-Raketen treffen erstmals Ziele tief in Russland

Eine Aufnahme der südkoreanischen Streitkräfte zeigt eine ATACMS-Rakete, die bei einer Übung abgefeuert wird. Die Ukraine hat die Raketen nun gegen Ziele tief in Russland eingesetzt. (Archivbild)
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Es ist ein Novum in der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump: Erstmals seitdem der Republikaner ins Weiße Haus zurückgekehrt ist, haben die ukrainischen Streitkräfte amerikanische Raketen des Typ ATACMS gegen Ziele tief in Russland eingesetzt. Vor Trumps Amtsantritt hatte die Ukraine zwar bereits russische Militärstützpunkte und Munitionsdepots mit den US-Raketen angegriffen, nun schlugen die ATACMS jedoch erstmals mehr als 220 Kilometer von der Grenze entfernt ein. Zuvor hatte die US-Regierung Schläge gegen Ziele in Russland in den letzten Monaten unterbunden.
Diese Einschränkung ist inzwischen offenbar aufgehoben worden: Sowohl die ukrainischen Streitkräfte als auch der russische Generalstab bestätigten den Angriff mit vier Raketen auf Ziele in der Stadt Woronesch. Nach Angaben von russischen Telegram-Kanälen und ukrainischen Medienberichten sollen eine Ansammlung russischer Soldaten auf einem Truppenübungsplatz sowie der Militärflugplatz Baltimor zu den Zielen gehört haben.
Ukraine nutzt US-Raketen gegen Ziele in Woronesch
Russland stellte die Attacke derweil anders dar: Zum einen spricht man in Moskau wie üblich davon, dass alle vier Raketen erfolgreich abgefangen worden seien. Zum anderen ist dort von Angriffen auf „zivile Ziele“ die Rede. Damit entspricht die russische Reaktion auch diesmal dem üblichen Vorgehen – seit Kriegsbeginn räumt der Kreml erfolgreiche ukrainische Angriffe nahezu nie ein.
Sogenannte OSINT-Analysten, die frei verfügbare Quellen auswerten, kommen unterdessen angesichts kursierender Videoaufnahmen zu einem anderen Schluss. Es habe sich um einen „erfolgreichen Angriff“ mit Streumunition gehandelt, hieß es etwa beim Telegram-Kanal „Exilenova+“. Auf den Videos seien demnach typische Rauchspuren und intakte Raketenhüllen zu sehen, hieß es weiter.
Ukraine: Ziele in Russland „erfolgreich getroffen“
Auch die ukrainischen Streitkräfte erklärten, die Ziele seien „erfolgreich getroffen“ worden, wie die „Kyiv Post“ berichtete. Details nannte das Militär demnach nicht. Die Schadensbewertung laufe derzeit noch, hieß es in einer Erklärung.
Bei der ukrainischen Zeitung war angesichts der bisherigen Beschränkungen der Trump-Regierung von einem „beispiellosen Angriff“ und einer „dramatischen Eskalation“ die Rede. Der Grund dafür sind Drohungen Moskaus aus der Vergangenheit. In mehreren Stellungnahmen hatte der Kreml immer wieder betont, dass er den Einsatz von in den USA produzierten Raketen gegen Ziele tief in Russland als „direkte und ernsthafte Bedrohung“ für Russland betrachten werde.
Eskalation bleibt vorerst aus: „Kein Mucks“ aus Moskau
Nach dem Angriff auf die Ziele in Woronesch scheint Moskau nun jedoch zunächst nicht auf Eskalation zu setzen. Bislang sei vom Kreml zu dem ATACMS-Schlag „kein Mucks zu hören“, kommentierte die ukrainische Zeitung Moskaus Schweigen nicht ohne Süffisanz.
Russische Militärblogger bemühten sich unterdessen, die Geschehnisse als Erfolg für die russische Luftabwehr darzustellen. Die „Tatsache“, dass „alle amerikanischen Raketen abgeschossen wurden“, beweise die Überlegenheit der russischen Luftverteidigung, schrieb etwa der populäre Militärblogger Aleksandr Sladkow in seinem Telegram-Kanal.

Putins Sondergesandter für die Ukraine Kirill Dmitrijew begrüßt sein amerikanisches Pendant Steve Witkoff in Sankt Petersburg. (Archivbild)
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Abseits der militärischen Gefechte sorgen derweil amerikanische Medienberichte für Aufsehen: „Die USA arbeiten im Geheimen an einem neuen Plan zur Beendigung des Krieges“, berichtete die US-Nachrichtenplattform „Axios“ am Dienstag. Nach Angaben aus Regierungskreisen in Washington sollen der US-Sondergesandte Steve Witkoff und sein russisches Pendant Kirill Dmitrijew demnach einen 28 Punkte umfassenden Friedensplan ausgearbeitet haben. Erst danach seien ukrainische Regierungsvertreter informiert worden, hieß es weiter.
Die Inhalte des Plans sollen ersten Berichten zufolge einer ukrainischen Kapitulation gleichkommen. „Berichten zufolge haben US-amerikanische und russische Regierungsvertreter einen 28-Punkte-Friedensplan ausgearbeitet, der auf die vollständige Kapitulation der Ukraine hinausläuft und die Voraussetzungen für eine erneute russische Aggression gegen die Ukraine schaffen würde“, kommentierten die Analysten des amerikanischen Instituts für Kriegsstudien die Pläne.
„Das Gefühl, dass die russische Position wirklich gehört wird“
Dmitrijew zeige sich „optimistisch hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Abkommens“, berichtete Axios dementsprechend. Im Gegensatz zu früheren Bemühungen habe Moskau diesmal „das Gefühl, dass die russische Position wirklich gehört wird“, zitierte das US-Medium den russischen Sondergesandten.
„Wir wissen, dass die Amerikaner an etwas arbeiten“, bestätigte unterdessen der ukrainische nationale Sicherheitsberater Rustem Umerow gegenüber dem Portal „Axios“, das keine weiteren Details zu dem „Friedensplan“ veröffentlichte. Es bleibe unklar, „wie der Plan mit strittigen Fragen wie der territorialen Kontrolle in der Ostukraine umgeht – wo die russischen Streitkräfte zwar langsam vorrücken, aber immer noch weit weniger Land kontrollieren, als der Kreml fordert“, erklärte das US-Medium.
Geheimer Friedensplan für die Ukraine: Zurückhaltung im Kreml
Der Kreml gab sich unterdessen zurückhaltend angesichts der jüngsten Berichte über die geheimen Gespräche zwischen Moskau und Washington. „Es fanden Gespräche in Anchorage statt, und bisher gibt es nichts hinzuzufügen zu dem, was in Anchorage besprochen wurde“, erklärte Regierungssprecher Dmitri Peskow am Mittwoch in Moskau – und verwies damit auf das Treffen von US-Präsident Trump mit Kremlchef Wladimir Putin Ende August in Alaska. Berichten zufolge soll Putin dabei seine territorialen Ansprüche bekräftigt haben.
Angesichts der militärischen Unterstützung der USA für die Ukraine kamen aus Russland am Mittwoch zudem auch harsche Worte, die nicht auf eine baldige Entspannung hindeuten. Die US-Regierung hatte zuvor einen Waffenverkauf im Wert von 105 Millionen US-Dollar an die Ukraine genehmigt.
Moskau poltert: US-Waffen „nutzlos wie ein Verband für einen Toten“
Das neue Militärhilfepaket aus Washington sei „so nutzlos wie ein Verband für einen Toten“, polterte daraufhin der Duma-Abgeordnete Michail Scheremet gegenüber der russischen Staatsagentur Tass. Die USA würden „fälschlicherweise hoffen, dass das Feuer nicht auf ihr Land übergreifen kann, das einem offenen Pulverfass gleicht“, hieß es weiter von Scheremet, der keinen Zweifel aufkommen ließ, welche Motive Moskau in der Ukraine weiterhin verfolgt. Die US-Waffenlieferungen würden lediglich dafür sorgen, dass sich die „Todesqualen“ der Ukraine „auf unmenschliche Weise verlängern“, prophezeite der Politiker.
Zweifel an dem im Geheimen ausgearbeiteten „Friedensplan“ nährte unterdessen auch der angeblich an der Ausarbeitung beteiligte US-Sondergesandte Witkoff selbst mit einem Beitrag auf der Plattform X, wie der US-Journalist Michael Weiss berichtete.
Demnach kommentierte Witkoff den „Axios“-Bericht dort zunächst mit den Worten: „Das muss er von K. haben“, löschte den Kommentar jedoch später wieder. „Anscheinend hat Steve Witkoff etwas getwittert, das als Direktnachricht gedacht war“, erklärte Weiss bei X und fügte hinzu: „Höchstwahrscheinlich ist damit Kirill Dmitrijew gemeint, der in dem Artikel zitiert wird“.
Zweifel am angeblichen Friedensplan: „Erfolgsaussichten gleich null“
Auch viele Russland- und Politik-Experten äußerten Zweifel. „Dieser angebliche Friedensplan ist der x-te Versuch von Dmitrijew (und Witkoff), die russisch-amerikanischen Beziehungen zu verbessern – zu Lasten der Ukraine und der Europäer“, kommentierte der Sicherheitsexperte Nico Lange bei X und fügte hinzu: „Solange das der russische Ansatz bleibt, kann und wird nichts gelingen.“
„Witkoff und Dmitrijew schmieden hinter den Kulissen weiter Intrigen, um die Ukraine an Russland zu übergeben“, wählte auch der britische Kremlkritiker Sir William Bowder, der einst zu den größten westlichen Investoren in Russland gehörte, deutliche Worte in dem sozialen Netzwerk. „Die Erfolgsaussichten sind gleich null“, fügte Bowder hinzu.
Der Artikel wurde mit weiteren Informationen zum „Friedensplan“ von Witkoff und Dmitrijew ergänzt.


