Moskau reagiert teilweise eingeschnappt auf Trumps Kurswechsel. Im Staats-TV darf sogar der Wettermann seine Lageeinschätzung abgeben.
Düstere Worte vom WettermannAtomdrohung, Häme und Gejammer – Moskau reagiert empfindlich auf Trumps Kurswechsel

Dmitri Medwedew bei einer Militärübung. Der ehemalige Kremlchef hat den jüngsten Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump mit hämischen Worten kommentiert. (Archivbild)
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Grundursachen, Atomdrohungen und „verletzende“ Worte – Russland hat mit Trotz auf den jüngsten Kurswechsel von US-Präsident Donald Trump reagiert. Während Kremlsprecher Dmitri Peskow die Worte des US-Präsidenten noch mit freundlichen, aber bestimmten Worten zurückgewiesen hatte, wurden in Moskau auch andere Töne laut. Ex-Kremlchef Dmitri Medwedew wandte sich etwa am Mittwoch in seinem Telegram-Kanal an seine Landsleute. „Trump ist wieder in einer alternativen Realität gelandet“, schrieb der nunmehrige Vizechef des russischen Sicherheitsrates dort.
Donald Trumps Kurswechsel: „Er wird zurückkommen“
„In dieser Realität leben Trumps Vorgänger Obama und Biden seit langem glücklich. Aber Trump ist nicht so! Ich habe keinen Zweifel – er wird zurückkommen. Er kommt immer zurück“, schrieb Medwedew. Damit machte er sich über die abrupten Meinungswechsel des Amerikaners lustig, der nach einem Treffen „mit den Clowns aus Kyjiw und Paris einen auffälligen Beitrag“ veröffentlicht habe.
„Das Wichtigste ist, seine Meinung zu den unterschiedlichsten Fragen öfter radikal zu ändern. Und alles wird gut. Das ist der Kern einer erfolgreichen Staatsführung über soziale Netzwerke“, führte Medwedew weiter hämisch aus und spekulierte, dass Trump bald wieder einen Kurswechsel hinlegen und die Ukraine auffordern könnte, „die Kapitulation zu unterzeichnen“. Ebenso sei denkbar, dass der US-Präsident zusammen mit Elon Musk „zum Mars fliegen“ oder etwas anderes tun werde, „das ihm einen Anspruch auf den Nobelpreis verschafft“, ätzte Medwedew weiter.
Dmitri Medwedew: Geraune über Atomwaffen und Häme bei Telegram
Der Ex-Kremlchef hat Trump bereits in der Vergangenheit scharf attackiert und fällt seit Kriegsbeginn vor allem mit schrillen Drohungen auf. Entsprechend drastische Worte hatte Medwedew bereits am Dienstag gefunden – und dabei mal wieder indirekt die russischen Atomwaffen ins Spiel gebracht. Moskau sei bereit, sich an einen neuen Vertrag für die Reduzierung von Atomwaffen zu halten, erklärte Medwedew.

US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania Trump halten sich an den Händen, während sie bei ihrer Ankunft im Weißen Haus auf dem South Lawn in Washington spazieren gehen. (Archivbild)
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Dafür müssten die USA jedoch „aufhören, Russland durch Sanktionen und Zölle zu schwächen“, schrieb er auf der Plattform X, im Gegensatz zu seinem aktuellen Beitrag auf Englisch. „Andernfalls bleibt das Risiko eines direkten Konflikts hoch“, fügte Medwedew an und setzte damit erneut auf Geraune über einen möglichen Atomkrieg.
Moskau: Trump ist bloß „ein Zufallsphrasengenerator“
Mit seiner spöttischen Haltung gegenüber dem neuerlichen Kurswechsel in Washington – Trump hatte zuletzt erstmals von der Rückeroberung aller von Russland in der Ukraine besetzten Gebiete gesprochen – ist Medwedew in Moskau derweil nicht allein.
Der US-Präsident sei bloß „ein Zufallsphrasengenerator“, erklärte etwa der russische Abgeordnete Oleg Matveychev. Trump erzähle stets „genau das was, was ihm die letzte Person in seinem Büro gesagt hat“, führte der Politiker aus. „Werden seine Worte etwas ändern? Nichts hängt von ihnen ab, nichts wird sich ändern“, lautete schließlich auch Matveychevs Urteil.
Kritische Töne im Staats-TV: „Außerordentlich unangenehm“
Auch Leonid Slutsky verwies auf die häufigen Kurswechsel des US-Präsidenten. Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der russischen Duma warnte Trump jedoch auch vor „äußert gefährlichen Fehlannahmen“ hinsichtlich Russlands wahrer Stärke.
In den Moskauer TV-Studios zeigte man sich unterdessen am Mittwoch nahezu beleidigt von Trumps Worten. „Trump ist auf unserer Seite, Trump ist nicht auf unserer Seite“, kommentierte der populäre TV-Moderator Wladimir Solowjow die Kehrtwende in Washington zunächst lakonisch, räumte dann jedoch ein, dass einige der Ausführungen des US-Präsidenten „außerordentlich unangenehm“ gewesen seien.
Seltene Kritik: „Wie oft habe ich in diesem Studio geschrien?“
Für russische Maßstäbe ungewohnt offen berichtete der Moderator schließlich, dass die Ukraine zuletzt erfolgreich die russische Ölindustrie geschädigt habe. „Das ist es, worüber Trump gesprochen hat, kilometerlange Schlangen vor Tankstellen“, erklärte Solowjow – und übte schließlich sogar Kritik an der russischen Militärführung. „Wie oft habe ich in diesem Studio geschrien, dass wir unser Luftabwehrsystem in Ordnung bringen müssen?“, beklagte der Moderator.
Dennoch seien die jüngsten ukrainischen Angaben über Gebietsgewinne im Donbass „alles Lügen“, behauptete Solowjow weiter und betonte, dass Russland nun „durchschlagende Erfolge“ an der Front erringen müsse. „Ist es schlecht für uns, was Trump gestern gesagt hat? Es ist verletzend“, beklagte der Propagandist schließlich – und bat dann Wettermann Evgeny Tishkovets um seine Einschätzung.
Sogar der russische Wettermann prophezeit „Schwierigkeiten“
Statt einer Prognose für Sonne, Wind und Wolken bekamen die Zuschauer so eine für den Krieg zuhören. „Wir sind noch weit vom Sieg entfernt“, erklärte der Wettermann, ebenfalls mit untypisch wenig Zuversicht. „Das wird eindeutig schwierig werden. Dieser Krieg wird länger als ein weiteres Jahr dauern, hundertprozentig“, lieferte Tishkovets eine Prognose ab.
Dass Russland nicht von seinem Kurs abweichen werde, machte auch der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einem Treffen mit Marco Rubio in New York deutlich. Bei einem Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister am Rande der UN-Vollversammlung habe Lawrow an Trumps Vereinbarung mit Kremlchef Wladimir Putin beim Treffen der beiden Staatschefs in Alaska im August erinnert, teilte das Außenministerium in Moskau mit.
Sergej Lawrow beharrt auf Beseitigung der „Grundursachen“
Lawrow betonte demnach, dass, wie in Alaska besprochen, zunächst die „Grundursachen des Konflikts“ beseitigt werden müssten und unterstellte Europa und der Ukraine erneut, den Krieg mit ihrem Verhalten in die Länge ziehen zu wollen.
Im Westen fällt das Urteil deutlich anders aus. „Der Kreml nutzt nukleare Drohungen, um US-Präsident Donald Trump zu beeinflussen, um seine Bemühungen zur Sicherung des Friedens in der Ukraine zu stoppen“, kommentierte etwa das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) die jüngsten Ausführungen Medwedews und berichtete von einer „mehrgleisigen Informationskampagne“, mit der Moskau auf Trumps Worte reagiert habe, um die vom US-Präsidenten richtigerweise attestierten eigenen Schwächen zu verbergen.
US-Analysten: Moskau setzt auf „mehrgleisige Kampagne“
„Der Kreml versucht, den russischen Sieg auf dem Schlachtfeld als unvermeidlich darzustellen, um die Ukraine und den Westen zur Kapitulation zu drängen“, schrieben die US-Analysten in ihrem aktuellen Lagebericht. Gleichzeitig versuche Moskau den Fokus auf das Potenzial amerikanisch-russischer Wirtschaftsbeziehungen zu lenken, berichteten die Analysten weiter.
„Der Kreml versucht seit Monaten, wirtschaftliches Zuckerbrot zu verwenden, um die Trump-Regierung zu beeinflussen“, schrieben die Analysten. Davon erhoffe sich Moskau amerikanische Zugeständnisse hinsichtlich des Kriegs gegen die Ukraine, hieß es weiter. An dieser Strategie habe sich offenbar weiterhin nichts geändert.
Rückschläge für Russland als Grund für Trumps Kurswechsel?
In den USA berichtete unterdessen das „Wall Street Journal“ über den möglichen Auslöser für Trumps Kurswechsel. Nach Angaben der Quellen der US-Zeitung habe der US-Präsident die Kehrtwende vollzogen, nachdem er ausführlich über die militärischen Misserfolge Russlands informiert worden sei.
Insbesondere der Ukraine-Gesandte der US-Regierung, Keith Kellogg, und UN-Botschafter Mike Waltz hätten auf Trump dabei eingewirkt, berichtete das „Wall Street Journal“ – dabei sei der Republikaner auch über Pläne für eine neue ukrainische Offensive informiert worden. Dieses Vorhaben fand der US-Präsident demnach offenbar so überzeugend, dass er kurz darauf seinen Tonfall gegenüber Moskau verschärft habe.
Moskau startet nächsten Drohnenangriff auf die Ukraine
Tatsächliche Maßnahmen hat Trump derweil – wie bereits seit seinem Amtsantritt – weiterhin nicht unternommen. Auch die Beschränkungen für den Einsatz amerikanischer Waffen gegen Ziele in Russland sei von Washington weiterhin nicht aufgehoben worden, hieß es weiter.
Moskau ließ den vielen Worten in der Nacht auf Donnerstag (25. September) erneut auch Taten folgen, um seinen Kriegskurs zu untermauern. Rund 175 russische Drohnen seien in der Nacht in Richtung Ukraine geschickt worden, berichtete die ukrainische Luftwaffe. Erneut scheint Russland dabei Energieanlagen in der Ukraine ins Visier genommen zu haben, aus zwei ukrainischen Regionen wurden nach der nächtlichen Attacke Stromausfälle gemeldet.