Sanktionen wegen Ukraine-KriegZukunft der russischen Wirtschaft ungewiss

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Wladimir Putin, Staatsoberhaupt von Russland

Der russische Präsident Putin spricht von wirtschaftlichen Problemen, die gelöst werden müssen. Zuvor zeigte er sich von Sanktionen unbeeindruckt.

Vor allem die Einnahmen aus Ölexporten sind eingebrochen. Diese Einnahmen benötigt Russland jedoch, um seine Armee zu finanzieren.

Wenige Beobachter haben die Widerstandskraft der russischen Wirtschaft gegen die massiven Sanktionen des Westens infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine vorhergesehen. Immer wieder betonte der russische Präsident Wladimir Putin in den vergangenen Monaten, die internationalen Abstrafungen seien unwirksam – und würden vielmehr den Westen benachteiligen.

Ende März ging Putin dann allerdings ein seltenes Bekenntnis über die Lippen: „Die Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft können sich mittelfristig tatsächlich negativ auswirken“, sagte der Präsident in einer Ansprache im Fernsehen; eine gravierende Änderung im Ton. Es gebe „Probleme“, die „gelöst“ werden müssten.

Ist das ein Anzeichen für eine schlechte Wirtschaftslage? Oder wollte Putin Unternehmen warnen, die von ihm so bezeichneten „Entwicklungsperspektiven“ im Zuge der Sanktionen nicht zu verpassen?

Unternehmen in der Rüstungsindustrie kommen besser weg

„Die Beobachtungen von Putin sind eigentlich nur realistisch“, sagt Arnaud Dubien, Direktor der in Moskau ansässigen Denkfabrik „L'Observatoire“. Dem Russland-Experten zufolge sind die Worte des Präsidenten eine mobilisierende Botschaft an russische Unternehmen und Regierungsvertreter nach dem Motto: „Die Situation ist besser als erwartet – aber lassen Sie nicht nach, finden Sie weiterhin Alternativen“.

Laut Alexandra Prokopenko, einer Ex-Mitarbeiterin der russischen Zentralbank, richten sich die Worte Putins an Unternehmen, die besonders von den Sanktionen betroffen sind. Die Botschaft: „Ihr und Eure Geschäfte seid nur unter meiner Aufsicht sicher. Es gibt kein Zurück mehr in eine Zeit vor dem Februar 2022.“

Russlands Wirtschaft kämpft mit einer ganzen Reihe von Problemen, darunter rückläufige Gasexporte, ein Mangel an Arbeitskräften und Engpässe in Lieferketten. Der Rubel rutschte im Wert ab, zudem stockt das Tourismusgeschäft. Der Zugang zu westlicher Technologie ist Russland inzwischen de facto verschlossen: Das Land muss auf Asien ausweichen – aber das dauert. Unternehmen, die an die Rüstungsindustrie angeschlossen sind, zum Beispiel solche aus der Optik, dem metallverarbeitenden Gewerbe oder der Pharmazie, kommen laut Alexandra Prokopenko „besser weg“.

Autohersteller: Produktion von Fahrzeugen wird erschwert

Es entsteht ein Ungleichgewicht, dass von der russischen Regierung in Kauf genommen wird. Verluste auf den europäischen Märkten will Moskau über verstärkte Kooperationen insbesondere mit China und Indien ausgleichen.

Branchen wie die Automobilindustrie waren laut Dubien vor den Sanktionen diejenigen, die besonders offen für ausländische Investitionen waren – und entsprechend hart von den Sanktionen getroffen wurden. Der russische Autobauer Awtowas meldete etwa, einige ausländische Zulieferer hätten ihre Lieferungen eingestellt, „die ununterbrochene Produktion von Fahrzeugen“ werde daher ab der zweiten Maihälfte „unmöglich“.

Auch die „Finanzinfrastruktur“ ist nach Angaben von Sergej Ziplakow, Wirtschaftsprofessor an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, ein Opfer der Sanktionen: Die zweitgrößte Bank des Landes, VTB, wies erst am Mittwoch einen Verlust von umgerechnet sieben Milliarden Euro für 2022 aus. Durch westliche Sanktionen war das Institut vergangenes Jahr vom internationalen Bezahlsystem Swift abgeschnitten worden.

Ölerlöse lassen um 42 Prozent nach

Vor diesem Hintergrund rechnen viele Beobachter damit, dass die eigentlichen Herausforderungen erst in den kommenden Monaten auf Russlands Wirtschaft zukommen. „Es gibt für das Jahr 2023 keine Hinweise darauf, dass Russland wie im vergangenen Jahr zusätzliche Einnahmen über sein Öl verzeichnen wird“, sagt Prokopenko. Moskaus Gewinne aus dem Ölexport waren vergangenes Jahr im selben Maße gestiegen, wie auch der Ölpreis explodiert war.

Tatsächlich gaben die russischen Ölerlöse laut der Internationalen Energie Agentur im Februar bereits um 42 Prozent nach – und bis viel mehr Gas nach Asien geliefert werden kann, muss erst die Infrastruktur dafür stehen. Moskau ist aber stark auf seine Energieeinnahmen angewiesen, um seine Armee finanzieren zu können: Ein Drittel des jährlichen Haushalts ist für Militär und Sicherheit eingeplant. „Es braucht Zeit, sich anzupassen, neue Partner zu finden und Beziehungen aufzubauen“, resümiert Prokopenko.

Laut Dubien ist die ökonomische Stabilität Russlands „zum jetzigen Zeitpunkt“ aber noch nicht gefährdet: „Russland kann seine Kriegsanstrengungen noch drei bis vier Jahre finanzieren“, schätzt er. Das Land habe aber schon seit 2014 ein Jahrzehnt wirtschaftlichen Fortschritts verloren – „jetzt könnte ein zweites folgen“. (red/AFP)

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