Stichwahl am SonntagWählt Sonneberg den ersten AfD-Landrat Deutschlands?

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Wahlplakate mit den Porträts der Kandidaten hängen im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Robert Sesselmann könnte der erste AfD-Landrat Deutschlands werden.

Wahlplakate mit den Porträts der Kandidaten hängen im Landkreis Sonneberg in Thüringen. Robert Sesselmann könnte der erste AfD-Landrat Deutschlands werden.

Alle schauten auf einen kleinen Landkreis in Südthüringen: Erstmals geht die AfD als Favorit in eine Stichwahl um ein kommunales Spitzenamt.

Der Landkreis Sonneberg in Südthüringen hat knapp 54.000 Einwohner, eine für das Land unterdurchschnittliche Arbeitslosenquote von 5,1 Prozent – und ab Sonntag vielleicht den ersten AfD-Landrat der Republik.

Noch nie konnte die Rechtspartei in den zehn Jahren ihres Bestehens ein kommunales Spitzenamt erobern. Stets scheiterten ihre Kandidatinnen und Kandidaten in den zweiten Wahlgängen. Meist hatten sie ihr Potenzial schon in der ersten Runde ausgeschöpft, zudem versammelten sich die anderen Parteien hinter dem Gegenkandidaten oder der Gegenkandidatin, der oder die den AfD-Bewerber in die Schranken weisen konnte. Zuletzt geschah das am vergangenen Sonntag bei der Oberbürgermeisterwahl in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin. Amtsinhaber Rico Badenschier (SPD) hielt den AfD-Mann Leif-Erik Holm deutlich auf Distanz.

Nur knapp scheiterte der AfD-Kandidat im ersten Wahlgang an der absoluten Mehrheit

In Sonneberg ist die Lage aber ungleich schwieriger. Der AfD-Kandidat Robert Sesselmann gilt als Favorit. Er erreichte vor zwei Wochen 46,7 Prozent, nur 800 Stimmen trennten ihn von der absoluten Mehrheit. Der CDU-Bewerber, der amtierende Landrat Jürgen Köpper, lag 11 Prozent hinter Sesselmann. Und die Drittplatzierte, die von der SPD unterstützte Kandidatin Anja Schönheit, hat ihre Anhängerinnen und Anhänger nicht explizit dazu aufgerufen, dem CDU-Mann ihre Stimme zu geben. „Der Wähler soll entscheiden“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

„Schreiben Sie Geschichte und wählen Sie Robert Sesselmann, den ersten AfD-Landrat“, wirbt AfD-Chefin Alice Weidel in einem Video persönlich in einem Wahlspot. Es ist nur eine Landratswahl, aber nicht nur die AfD ist gespannt. Die übrigen Parteien blicken eher mit Entsetzen auf den Landkreis im Thüringer Wald mit 57.000 Menschen.

Für die AfD, die ohnehin im Umfragehoch schwebt, wäre ein Sieg Sesselmanns eine willkommene Premiere und Rückenwind für Wahlen im kommenden Jahr, vor allem die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg sowie die Kommunalwahlen in Thüringen.

AfD-Co-Landeschef: „Nicht das Dritte Reich, sondern das Gegenteil“

„Wir haben erstmals die Chance, in politische Verantwortung zu kommen“, sagt der Thüringer Co-Landeschef Stefan Möller der Deutschen Presse-Agentur. „Wir können bei einem Wahlerfolg beweisen, dass mit der AfD die Welt nicht untergeht, dass nicht das Dritte Reich ausbricht, sondern das Gegenteil der Fall sein wird.“ Das Image, institutionsfeindlich zu sein und nicht liefern zu können, könnte die Partei dann widerlegen, sagt Möller.

Der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz hängt die Latte deutlich tiefer. „Es ist das berühmte erste Mal, das heizt die Wahl auf“, sagt er der dpa. Ein politischer Durchbruch wäre der Gewinn einer Landratswahl für die AfD aber nur dann, wenn weitere Erfolge kämen, glaubt Brodocz.

Bundesweit liegt die AfD in Umfragen derzeit bei 18 bis 20 Prozent. Im aktuellen ARD-Deutschland-Trend ist sie mit 19 Prozent zweitstärkste politisch Kraft hinter der Union und vor der SPD. Der Wert ist ein Allzeithoch für die Partei bundesweit. In den fünf östlichen Bundesländern erzielt sie deutlich höhere Werte. In Thüringen sah eine Insa-Umfrage im April die AfD mit 28 Prozent als stärkste Partei vor der Linken mit 22 Prozent. In Sachsen war sie im April mit 28 Prozent bei Insa ebenfalls Nummer eins vor der CDU mit 25 Prozent, in Brandenburg lagen AfD und SPD mit jeweils 24 Prozent gleichauf.

Thüringens CDU-Chef Mario Voigt glaubt an einen Erfolg des Unionskandidaten Köpper. Man dürfe nicht mit Hysterie auf die AfD-Werte schauen, sagte er dem RND. „Wir müssen die Probleme der Leute offen benennen, anpacken und lösen, um das Protestpotenzial kleiner zu machen.“ Dies würde Menschen bewusst machen, dass die AfD nichts weiter als eine Miesmachpartei ist. Sie sei „groß in der Problembeschreibung, aber sehr klein in der Problemlösung“. (mit dpa)

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