Waffendeal„Putin muss schon sehr verzweifelt sein“: Kim Jong Un auf dem Weg nach Russland

Lesezeit 4 Minuten
Die Bildkombo zeigt ein von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Sputnik via AP veröffentlichtes Bild von Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, während eines Treffens und Kim Jong Un, Machthaber von Nordkorea, während einer Sitzung der regierenden Arbeiterpartei in ihrem Hauptquartier.

Gemeinsame Waffendeals sollen den Anschein erwecken, Russland und Nordkorea hätten internationale Freunde und Partner.

Kremlchef Wladimir Putin braucht für seinen munitionshungrigen Krieg gegen die Ukraine offenbar Nachschub aus Nordkorea.

Geht den Russen die Munition für den brutalen Krieg gegen die Ukraine aus? Das legt ein Bericht der „New York Times“ nahe, laut dem es in Kürze Verhandlungen für einen Waffendeal zwischen Russland und Nordkorea auf höchster Ebene geben soll.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un wird demnach in Russland erwartet, um dort mit Kremlchef Wladimir Putin Details für die Lieferung von Waffen und Munition auszuhandeln.

Treffen zwischen Putin und Kim Jong Un vermutlich am Mittwoch

Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete am Montag, es gebe Anzeichen dafür, dass Kim mit einem Spezialzug Pjöngjang verlassen habe und auf dem Weg nach Russland sei. Das Treffen der beiden Verbündeten soll am Mittwoch am Rande des Wirtschaftsforums in Wladiwostok stattfinden, berichtet „Bloomberg“. Der Kreml bestätigte am Montag den Besuch von Kim „in den kommenden Tagen“.

„Putin muss schon sehr verzweifelt sein, wenn er auf Kim Jong Un zukommen muss“, sagt der Militärexperte Nico Lange im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Lange, der bis Ende 2021 Chef des Leitungsstabs im Bundesverteidigungsministerium war, verweist auf die große Zahl nordkoreanischer Soldaten und die enormen Summen, die das Land in sein Militär pumpt.

„Bei einfacher Munition hat die nordkoreanische Armee große Reserven, von denen Russland profitieren kann.“ Das Militär in Nordkorea hat große Mengen an 152-mm-Artilleriegranaten, die mit den russischen Waffen aus Sowjetzeiten kompatibel sind.

Was kann Nordkorea an Russland liefern?

In den vergangenen Monaten hatte Machthaber Kim mehrere neue Raketen getestet, zum Teil mit einer Reichweite von etwa 15.000 Kilometern. Pjöngjang verfügt laut Lange aber weder über ballistische Raketen in großer Zahl, noch über technologisch weit entwickelte Marschflugkörper.

„Kim Jong Un setzt bei seinen Waffentests auf den Showeffekt, aber für Russlands Kriegsführung sind keine Waffen in großer Zahl dabei“, so der Experte. Nordkorea sei dazu aufgrund der Sanktionen und der geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit schlicht nicht in der Lage.

Putins Verzweiflung führt zur Aufwertung des nordkoreanischen Diktators.
Militärexperte Nico Lange

Pjöngjang geht es bei dem Waffendeal nicht nur um die Einnahmen aus den Rüstungsverkäufen. Das Land ist seit Jahren isoliert und mit massiven Sanktionen belegt. Gemeinsame Waffendeals sollen den Anschein erwecken, Russland und Nordkorea hätten internationale Freunde und Partner, sagt Lange. „Putins Verzweiflung führt zur Aufwertung des nordkoreanischen Diktators.“ Kim profitiere allerdings mehr von diesen Deals als Putin.

Kim Jong Un hofft auf strategische Partnerschaft mit Putin

Nordkorea soll sich im Gegenzug fortschrittliche Technologie für Satelliten, Raketen und U-Boote mit Nuklearantrieb wünschen. „Die nordkoreanischen Raketensysteme sind den russischen Modellen sehr ähnlich und Kim Jong Un hofft auf einen Technologietransfer, um seine Raketen weiterentwickeln zu können.“ Außerdem bemüht sich Kim laut der „New York Times“ um Lebensmittelhilfe für sein verarmtes Land.

Die Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea besteht schon lange: Seit mehr als drei Jahrzehnten schickt Nordkorea Arbeiterinnen und Arbeiter ins Ausland, um Geld für sein Regime zu verdienen. Unter Kim Jong Un stieg die Zahl der Arbeiterinnen und Arbeiter, die ins Ausland geschickt wurden, nach südkoreanischen Schätzungen auf Zehntausende an. Sie spülen jedes Jahr mehrere Milliarden in die nordkoreanische Staatskasse.

Russland braucht Artilleriegeschosse für seinen Krieg, während Nordkorea humanitäre Hilfe braucht.
Fjodor Tertizki, Carnegie-Stiftung

„Es liegt im Interesse beider Länder zusammenzuarbeiten, da jeder den anderen mit etwas versorgen kann, das knapp ist: Russland braucht Artilleriegeschosse für seinen Krieg, während Nordkorea humanitäre Hilfe braucht“, meint Fjodor Tertizki von der Carnegie-Stiftung.

Erst Ende Juli war der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu nach Nordkorea gereist, um Waffendeals vorzubereiten. Im Anschluss soll es Schriftwechsel zwischen Putin und Kim gegeben haben, wie der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, unter Berufung auf US-Geheimdienste mitteilte. Russland würde „bedeutende Mengen und mehrere Typen von Munition“ erhalten, „die das russische Militär in der Ukraine einsetzen will“, sagte Kirby weiter.

Welche Folgen hat der Waffendeal für den Krieg?

Russland setzt in diesem Krieg auf Masse und hatte schon in der Vergangenheit immer wieder den Iran und Nordkorea um Munition und Waffen gebeten. Kim hatte auch schon mindestens einmal Artilleriemunition an Russland geliefert, wie es aus US-Geheimdiensten heißt.

Sie sollen für die Söldner der russischen Wagner-Gruppe bestimmt gewesen sein. Russland setzte in der Ukraine offenbar auch nordkoreanische Raketenwerfer ein. Eine solche Waffe hatte das ukrainische Militär nach eigenen Angaben von den russischen Kräften erbeutet.

Experten sehen durch Waffendeal „keinen wesentlichen Einfluss“ auf Krieg

„Der Waffendeal mit Nordkorea wird keinen wesentlichen Einfluss auf den Krieg haben“, ist sich Experte Lange sicher. „Heikel wird die Lage aber, wenn China Waffen an Nordkorea liefert und diese dann nach Russland weitergereicht werden.“

Bisher scheine China aber nicht bereit, echte Militärhilfe mit Lieferungen großer Stückzahl an Russland zu leisten. Angesichts Russlands munitionshungriger Abnutzungstaktik sieht Lange den Westen in der Verantwortung: „Es wäre mehr als peinlich, wenn wir nicht viel leistungsfähiger sind als Russland und Nordkorea zusammen.“

KStA abonnieren