Alter Mann sucht junge Freundin„Frauen, denkt nicht, mit euch stimmt etwas nicht“

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Die Soziologin Eva Illouz

  • Die Soziologin Eva Illouz erforscht seit Jahren, warum es so kompliziert ist mit der Liebe.
  • Und warum sie so ungerecht ist: So steigt etwa der Altersunterschied zwischen älteren Männern, die sich jüngere Frauen suchen, immer mehr an. Von wegen Gleichberechtigung also.
  • Was ist mit den Frauen, die übrig bleiben? Und wie romantisch sind die Deutschen im weltweiten Vergleich?
  • Ein Gespräch über das wichtigste Thema der Welt.

Frau Illouz, lassen Sie uns über das Ende der Liebe reden! Damit beschäftigt sich Ihr jüngstes Buch. Wussten Sie, dass sich manche Männer provoziert davon fühlen, schon vom Titel, „Warum Liebe endet“?

Wirklich?

Ja, und es waren Frauen, die unbedingt wollten, dass ich Sie interviewe.

Es ist ja auch ein Frauenbuch.

Ist es das?

Ja, denn es ist vom Standpunkt der Frau aus geschrieben. Aber dass Männer sich provoziert fühlen, überrascht mich doch. Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass Männer eher an die Idee der romantischen Liebe glauben.

Und woran glauben Frauen?

Frauen sind pragmatischer. Rationale Betrachtungen und Gefühle gehören für sie zusammen. Sie sagen zum Beispiel: Es ist jetzt an der Zeit, ein Kind zu bekommen, ich habe nicht mehr so viel Zeit. Und mein Mann unterstützt mich, er ist gut für mich. Also probieren wir es, ziehen wir zusammen! Männer wählen ihre Partner eher nach äußerlichen und romantischen Gründen aus als Frauen. Die Unterschiede bei der Entscheidung darüber, mit wem wir uns einlassen, sind sehr groß. Sehen Sie sich den Schriftsteller Michel Houellebecq an. Ein wunderbarer Schreiber, aber ein sehr hässlicher Mann. Im Alter von 62 Jahren hat er noch einmal eine sehr schöne junge Frau geheiratet, die dann im Alter sicher auch für ihn sorgen wird. Es ist seine dritte Ehe. Man kann sich kaum vorstellen, dass es andersherum sein könnte, dass eine Frau, die so aussieht wie er … Ich möchte diesen Gedanken gar nicht weiterspinnen.

Sie können sich nicht vorstellen, dass ein junger, gut aussehender Mann sich eine viel ältere, unattraktive Frau nimmt?

Ja, und scharf darauf ist, für sie zu sorgen. Denken Sie an Stephen Hawking! Wenn der eine Frau gewesen wäre, unfähig zu sprechen, praktisch ohne Körper, und ein junger, schöner Mann liebt und umsorgt sie, das kann man sich kaum vorstellen.

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Kann denn eine junge Frau einen Mann, der so viel älter, vielleicht auch noch dick und faltig ist, überhaupt lieben?

Ich glaube, dass Lizzie, die Frau, die Houellebecq geheiratet hat, ihn liebt. Wahrscheinlich zumindest.

Sie liebt ihn für seine Bücher, seine Intelligenz, sein Geld?

Es ist so: Je erfolgreicher Männer in ihrer Karriere sind, je älter sie also werden, desto erfolgreicher sind sie in der Liebe. Das eine widerspricht dem anderen nicht. Wenn man ein Mann ist, ist das eben so, weil man ja auch mit dem Alter wirtschaftlich immer besser gestellt ist. Für Frauen ist das anders. Da heißt es entweder oder. Erfolg in der Liebe oder in der Karriere. China ist ein sehr extremes Beispiel dafür, aber ein gutes. Frauen wird dort vermittelt: Entweder wollt ihr heiraten oder einen Doktortitel, beides geht nicht. Ein Mann wird keine Frau heiraten, die erfolgreicher ist als er. Das Konzept von Männlichkeit besteht darin, in irgendeiner Weise zu dominieren. Ich sage nicht, dass man das nicht ändern kann, dass es keine Unterschiede zwischen den Generationen gibt, aber es gibt diesen Konflikt für Frauen, und es wird ihn weiterhin geben.

Sie haben für Ihr Buch 92 Frauen und Männer in verschiedenen westlichen Ländern interviewt. Was haben Sie herausgefunden? Wo gibt es Gerechtigkeit zwischen Mann und Frau?

Mit Sicherheit nicht in Israel. In Israel ist es am schlimmsten.

Warum das?

Gute Frage. Erst einmal gibt es eine demografische Ungleichheit, es gibt hier mehr Frauen als Männer. Das heißt, Männer sind sehr gefragt und kontrollieren den Heiratsmarkt mehr als Frauen. Außerdem ist Machismus, Männlichkeit, hier ausgeprägter, wegen der Wehrpflicht.

Frauen gehen hier doch auch zur Armee.

Ja, aber es prägt sie nicht so stark. Sie dienen nicht so lange und in der Regel nicht bei den Kampfeinheiten. Auch die meisten Führungspositionen beim Militär werden von Männern besetzt. Es ist eine Männerwelt, auch wenn Frauen Teil von ihr sind. Das spürt man auch im israelischen Alltag. Es gibt hier eine sehr aggressive Art von Männlichkeit. Schwäche, Scheitern, sich für etwas zu entschuldigen gehört nicht unbedingt dazu.

Wie schneidet Deutschland ab?

Kulturelle Unterschiede hatten bei meiner Studie nicht Priorität. Ich gehe davon aus, dass sich gebildete Menschen in Großstädten sehr ähnlich sind und auch die Sprache der Liebe miteinander teilen. Aber für mich persönlich fühlen sich Beziehungen in Deutschland gleichwertiger an als hier oder auch in Frankreich. Es gibt dort nicht diese ironische, zynische Art von Romantik.

Sind Franzosen nicht die größten Romantiker?

Nein, das ist ein Klischee, das denkt man vor allem in Amerika. Ich könnte mir vorstellen, dass Amerikaner inzwischen Romantik als Kitschkult sogar mehr pflegen als Franzosen.

Seit vielen Jahren untersuchen Sie die Liebe im Laufe der Zeit und beschreiben, wie sie sich verändert hat. Was sind die größten Unterschiede zwischen der heutigen Großeltern- und der jungen Generation?

Liebe war früher sehr bestimmt durch Traditionen, Familie und Gemeinschaft. Frauen haben sich ihre Jungfräulichkeit erhalten und hatten Angst, als minderwertig angesehen zu werden, wenn sie das nicht tun. Geschlechtsverkehr vor der Ehe war verboten. Das bedeutete, dass Männer, die Sex haben wollten, zu Prostituierten gingen oder zu Frauen aus der Unterschicht. Oder sie haben einer Frau den Hof gemacht und sie dann geheiratet. Oft war es eine Mischung aus allem. Aber Sexualität war immer eng verbunden mit der Ehe. Die sexuelle Revolution hat das alles rapide verändert. Es gab auf einmal mehr Freiheiten. Ja, das war natürlich richtig und notwendig, hatte aber auch zum Ergebnis, dass Männer Zugang zu so vielen Frauen hatten, wie sie wollten, ohne den Druck der Ehe zu verspüren. Das heißt, sie konnten Sex haben, ohne weitere Verpflichtungen einzugehen. Damit ist der Schritt, eine Beziehung überhaupt anzufangen, viel komplizierter geworden. Eine Beziehung heute ist permanent verhandelbar. Sex steht nicht mehr am Ende des Kennenlernens, sondern am Anfang, und ständig grübelt man darüber nach, was es zu bedeuten hat, wenn er nach der ersten gemeinsamen Nacht nicht mehr anruft. Oder wenn er sich nach zwei Wochen völlig unerwartet wieder meldet. Oder er mich hierher einlädt und nicht dahin. Man fragt sich ständig: Was ist der nächste Schritt? Und was sind die Konsequenzen daraus? Die Ungewissheit ist enorm gestiegen. Es gibt heute keine andere soziale Beziehung, die so viel Unsicherheit verbreitet wie die Liebe.

Nicht allein Männer, auch Frauen können Sex ohne Verpflichtungen haben. Auch Männer sind unsicher, wenn eine Frau sich nicht bei ihnen meldet.

Ja, aber der Unterschied ist: Männer können dieses Spiel spielen, bis sie 80 sind. Frauen nicht. Die Zahl der Männer, die 50, 60 oder 70 sind und eine zweite Familie gründen und sogar noch einmal Kinder haben, ist groß. Sie kennen vermutlich viele.

Einige.

Mir geht es genauso. Der Altersunterschied zwischen Frauen und Männern wird immer größer. Ein Mann kann heute 20, 30 Jahre älter sein als die Frau. Ich finde es amüsant, dass es Lehrern so streng verboten ist, ein Verhältnis mit ihren Schülern einzugehen, aber für einen 60-jährigen Mann gibt es kein Verbot, mit einer viel jüngeren Frau zusammen zu sein. Vor drei Tagen war ich mit einem 70-jährigen Mann essen, der seit vier Jahren mit einer 25-jährigen Frau zusammen ist. Sie lernten sich kennen, als sie 21 war. Und er ist auch noch stolz darauf.

Was passiert mit den Frauen, die zurückbleiben? Den Geschiedenen?

Denen geht es nicht gut. Denn für Frauen hängt viel davon ab, ob ihre Ehe gelingt oder nicht. Das Gefühl, versagt zu haben, quält sie, weil sie familienverbundener sind als Männer.

Endet Liebe? Ist das eine Art Gesetzmäßigkeit?

Das weiß ich nicht. Ich kann die Zukunft nicht voraussagen. Aber ich glaube, Menschen halten sich an Hoffnungen fest, an romantischen Mythen und stellen dann fest, dass Beziehungen unangenehm sind, dass man immer kämpfen muss und sie am Ende scheitern können.

Sie sind Soziologin, kein Coach, aber haben Sie vielleicht irgendeine Empfehlung für Paare, die Liebe nicht enden zu lassen?

Paaren kann ich keine Empfehlung geben.

Und Frauen?

Ich kann nur sagen: Bitte, denkt nicht, mit euch stimmt etwas nicht! Wir leben in einer komplizierten Welt, die Bedingungen, sich kennenzulernen, sind schwierig, und moderne Biografien oft chaotisch. Für eine Beziehung aber braucht man zwei stabile Leben, die zu einem zusammenschmelzen. Es ist wirklich ein Paradox, dass unsere Leben so institutionalisiert und organisiert geworden sind und wir gleichzeitig so empfindlich und verletzlich sind.

Zur Person

Eva Illouz

... wurde 1961 in Marokko geboren, zog im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie nach Frankreich und später, als Studentin, in die USA. Sie studierte Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Literaturwissenschaft in Paris, Jerusalem und Pennsylvania.

… ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität von Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre Européen de Sociologie et de Science Politique in Paris. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören die Soziologie der Emotionen, der Konsumgesellschaft und der Medienkultur. Im Sommer dieses Jahres wird sie als Gastprofessorin in Bielefeld lehren.

… veröffentlichte insgesamt 12 Bücher, ihr jüngstes „Warum Liebe endet“ erschien im Herbst im Suhrkamp Verlag.

… hat drei Söhne und ist geschieden. Sie lebt in Jerusalem.

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