In Sachen LiebeKann man ohne Sex in einer Beziehung auf Dauer glücklich sein?

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Keinen Sex zu haben, gilt in unserer Gesellschaft fast als ein No-Go.

  • Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  • Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
  • In dieser Folge stellt sich Damaris Sander der Frage: Kann man ohne Sex in einer Beziehung auf Dauer glücklich sein? Und wenn ja: unter welchen Bedingungen?

Köln – Ich lebe seit vielen Jahren in einer festen Beziehung. Dabei ist der Sex irgendwann eingeschlafen, und wir sind schon länger nicht mehr intim. Dabei bin ich eigentlich nicht unzufrieden. Kann man ohne Sex in einer Beziehung auf Dauer glücklich sein?

Zuneigung ist da, Leidenschaft nicht – was nun?

Die Kurzform meiner psychologisch-salomonischen Antwort lautet: Es kommt darauf an. Jetzt aber die Langfassung: Keinen Sex zu haben, gilt in unserer Gesellschaft fast als ein No Go. Umso froher bin ich, dass Sie diese Frage stellen, weil sie sicher viele Paare in langjährigen Beziehungen betrifft: Die Zuneigung ist aber noch da, aber die Leidenschaft hat sich verflüchtigt. Kann man auf Dauer so leben? Reicht das?

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Damaris Sander ist Psychologin.

Aus einem Liebespaar wird mit den Jahren, wenn es gut läuft, ein eingespieltes Team, das gemeinsam den Alltag meistert, einen Freundeskreis aufgebaut, vielleicht eine Familie gegründet hat. Mit einigen ungelösten Konflikten in der Partnerschaft hat man sich arrangiert. Die Reviere sind abgesteckt, die Rollen verteilt. Das schafft viel Sicherheit. Im dauerhaften Liebesrausch lässt sich eben kein erwachsenes Leben bewältigen. Und doch melden sich Zweifel: Soll es das gewesen sein?

Sexualität ist nicht nur Geschlechtsverkehr

Vielleicht hilft es an dieser Stelle, einmal den Blick zu weiten: Sexualität – das ist ja nicht nur der Geschlechtsverkehr. Sexualität ist wie eine zusätzliche Farbe, die unser gesamtes Erwachsenenleben durchzieht. Sich zurechtmachen, sich attraktiv fühlen, Begehren empfinden für den Partner, die Partnerin, aber auch für andere Menschen. Seinen Mann stehen, seine Frau stehen. Flirten, einander berühren, streicheln – sich selbst oder jemand anderen. Verführen und sich verführen lassen. Ein Blick, eine zärtliche Geste, ein Kompliment, ein Kuss. Das Reich der Sexualität ist so weitläufig!

Wenn Ihnen beiden zurzeit nicht der Sinn steht nach dem Vollzug des Geschlechtsakts – geschenkt! Es gibt Phasen im Leben, wo das keinen Platz haben mag. Aber bleiben Sie offen für die „Farbe“ der Sexualität! Nehmen Sie wahr, wie es Ihnen mit dieser Lücke geht, die es zurzeit gibt, und nehmen Sie diese Gefühle ernst! Macht es Sie traurig? Fühlen Sie sich erleichtert? Oder verspüren Sie doch eine unterschwellige Unzufriedenheit? Es gibt hier kein Richtig oder Falsch, keine vorgegebene Norm. Alle Gefühle sind erlaubt.

Leseraufruf

Regelmäßig beantwortet jemand aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt, wo Sie sich einen guten Rat wünschen!

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Schicken Sie Ihre Frage an:  in-sachen-liebe@dumont.de

Sexualität neu entdecken

Die Sexualität ist ein lebendiger Teil in uns, der sich nicht erzwingen und nicht festhalten, aber umsorgen und pflegen lässt. Wie bei einer Staude im Winter mag alles daran abgestorben wirken – aber die Lebendigkeit kann wiederkehren, neu entstehen - nicht einfach wie vorher, sondern verändert.

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Die Sexualität entwickelt sich, nimmt andere Formen an. Zum Beispiel ist sie bei der Frau bis zur Lebensmitte eng mit der Fruchtbarkeit verknüpft – mal gefürchtet, mal gewünscht – in konservativ-christlichen Vorstellungen wird sie dadurch sogar erst legitimiert. Und dann durchläuft die Sexualität eine Verwandlung, wird zu einer Kraft, die nichts mehr mit biologischer Reproduktion zu tun hat, dafür viel mit Lebensfreude, Bindung und psychischer Potenz.

Bleiben Sie aufmerksam sich selbst gegenüber, und bleiben Sie mit Ihrem Partner im Austausch. Drängen Sie einander nicht, aber gießen Sie das Pflänzchen der Sinnlichkeit, wenn Ihnen danach zumute ist. Dann werden Sie sicher gemeinsam Ihren ganz persönlichen Weg der Sexualität als Paar finden.

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