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Lisa Sophie ist „ItsColeslaw“„Da werden Zuschauer beschissen“

Lesezeit 5 Minuten
Lisa Sophie alias „ItsColeslaw“

Lisa Sophie alias „ItsColeslaw“

Köln – Lisa Sophie ist 20 Jahre alt und wohnt in Köln. So weit, so unspektakulär – wäre da nicht ihr Youtube-Alter-Ego auf dem Kanal „ItsColeslaw“, dem mehr als 84.000 Menschen auf der Videoplattform folgen. Doch das Leben als Youtube-Sternchen ist dieser Tage nicht nur glamourös. Im Gespräch erzählt Lisa Sophie, wie sie mit öffentlicher Kritik umgeht und was in der Branche schief läuft.

Wie bist Du zum Youtuben gekommen?

Das fing vor fünf Jahren an, weil Youtube sowas wie mein Fernsehen war und ich mir dachte: Wenn das andere Leute können, dann kann ich das auch.

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Weißt Du, wer sich deine Videos anguckt?

Ja, denn es gibt ein Analytics-Tool bei Youtube, da kann man das erkennen. Bei mir ist der Großteil der Zuschauer 18 bis 24 Jahre alt, der zweitgrößte Anteil zwischen 13 bis 17 Jahren und circa 70 Prozent aller Zuschauer sind weiblich. Die meistens kommen aus Deutschland, und ein paar aus Österreich.

Wie viele Aufrufe haben deine Videos?

Das wechselt, das Niedrigste hat 4200, das ist fünf Jahre alt. Das mit den meisten Views hat mehr als 176.000 und im Schnitt liegen die Videos so bei 33.000 Aufrufen.

Wenn Du Feedback von Zuschauern bekommst, wie sieht das aus ?

Die Leute kommentieren meine Videos, weil ich am Ende immer Kommentar-Fragen stelle. Vorwiegend sind die Reaktionen positiv.

Jan Böhmermann hat sich im „Neo Magazin Royale“ dem Thema Youtuber angenommen und sie zum Teil heftig kritisiert. Wie stehst Du dazu?

Ich finde es interessant, dass Youtube mehr von den klassischen Medien wahrgenommen wird. Und ich finde, Jan Böhmermann hat Recht: Die Youtuber sagen, sie wollen ernst genommen werden, aber sie setzten „ernst nehmen“ mit Wertschätzung gleich. Es gibt auch Missstände bei den Youtubern, zum Beispiel in finanzieller Hinsicht. Da sind einige Sachen intransparent und da werden Zuschauer beschissen. Und das gehört auch dazu, wenn Youtuber ernst genommen werden wollen – ehrlich sein.

Du sprichst von „einigen Sachen“, was meinst Du damit?

Vor allem nicht gekennzeichnete Product-Placements (Anm. d. Red.: Produktplatzierungen). Manche Youtuber erwähnen mit keinem Wort, dass das Video gesponsert ist. Es mag ja sein, dass sie das Produkt, das sie bewerben, wirklich total toll finden. Aber gerade für jüngere Zuschauer mit wenig Budget, die sich in ihrer Kaufentscheidung schnell mal durch Idole beeinflussen lassen, wäre es wichtig, diese Info zu bekommen. Einfach, um die Aussagen im Video richtig einordnen zu können.

Dner, ein anderer berühmter Youtuber, hat in einem Video unbedacht Parteienwerbung gemacht. Bei „Bibis Beauty Palace“, Deutschlands erfolgreichster Youtuberin, ist die Werbung für teure Uhren zum Teil ziemlich plump. Müssen sich die Youtuber vorwerfen lassen, manche Themen zu naiv zu behandeln?

Es kommt auf den Inhalt an. Man sollte schon darüber nachdenken, was man sagt, und der Reichweite seiner Videos muss man sich bewusst sein. Es gibt immer wieder Fälle, wo ich das Gefühl habe, dass die Leute nicht ausreichend darüber nachdenken, aber das kann man nicht pauschalisieren. Die Zuschauer der Videos sind oft sehr jung und sehr beeinflussbar – das muss man bedenken, und nicht einfach nur die Zuschauer mit einer Verkaufsstrategie abziehen.

Die Reaktionen auf die Kritik an Youtubern sind meist ziemlich Shitstorms, die wiederum Jan Böhmermann zur Eigenwerbung nutzt. Wie sollte die Netz-Gemeinde auf die Spitzen reagieren?

Deutlich entspannter. Die meisten Leute, die verbal sehr stark reagieren sind sehr junge Zuschauer, die hinter ihren Idolen stehen und sie verteidigen, indem sie unreflektiert rumbeleidigen. Die erkennen halt nicht, das Jan Böhmermann damit Inhalte für seine Sendung generiert. Die sind einfach zu jung, um zu verstehen, was Sache ist.

Hast Du in Form von Kommentaren oder Videos auf den Streit zwischen Jan Böhmermann und den Youtubern reagiert?

Ne, das betrifft mich nicht.

Sind auf dich Leute zugekommen, die ähnlich wie Neckermann mit Bibi mit dir werben wollten oder dich gesponsert haben?

Ja, in zwei Fällen. Die Anfragen habe ich über mein Netzwerk bekommen, ich bin bei Mediakraft unter Vertrag. Das war einmal Disney: Die Vertreter von Disney haben mir für den neuen Animationsfilm „Baymax“ ein Kostüm geschickt. Ich sollte das in dem Video „Dinge, die jeder unsportliche Mensch kennt“ anziehen, ansonsten konnte ich aber in dem Video machen, was ich wollte. Ich bin nicht explizit darauf eingegangen, dass die Leute unbedingt und jetzt sofort in den Film gehen sollen, es geht auf meinem Kanal sowieso häufiger um Filme.

Hast Du das als Werbung angegeben?

Ja. Am Anfang und am Ende des Video gibt es einen Link, unter dem steht „Unterstützt durch Produktplatzierung“ und in der Infobox gibt es weitere Infos dazu.

Ist es dir wichtig, auf Youtube zu polarisieren? Ein Video von Dir heißt immerhin „Ich HASSE Öko-Tanten“ – und denen kann man ideologisch wenig vorwerfen, was Hass rechtfertigt.

Eher nicht. Hin und wieder macht das aber Spaß, zum Beispiel in dem besagten Video. Der Titel ist bewusst missverständlich gewählt. Öko-Tanten sind für mich Leute, die radikal alles von jetzt auf gleich verändern und alle verurteilen, die das nicht genauso machen. Eigentlich ist das Video eine Message für mehr Nachhaltigkeit. Ich würde mich freuen, wenn meine Zuschauer nachhaltiger leben, aber das ist gar nicht einfach zu vermitteln. Wenn ich das Video „Fünf Tipps für ein nachhaltigeres Leben“ genannt hätte, hätten das Video weit weniger Menschen angeguckt. Ich habe also nach einem Weg gesucht, diese Message zu transportieren und deshalb der provokante Titel.

Youtuben ist ziemlich en vogue. Wo glaubst Du, entwickelt sich das hin?

Schwer zu sagen, weil sich in den letzten drei bis fünf Jahren so viel verändert hat. Ich bin gespannt, ob Youtube an sich weiter boomt, oder ob sich die Branche auf eine andere Plattform verlagert. Die Erzählweise aber wird bleiben, denke ich, weil es wichtig ist, Geschichten personalisiert zu erzählen. Das wird sich halten.

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