In Sachen LiebeIn der Patchwork-Familie meines Partners komme ich immer öfter zu kurz

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Eine Frau sitzt etwas zusammengekauert alleine an einem Tisch und starrt ins Leere

Wenn Kinder und Ex-Frau des Partners immer wichtiger scheinen, kommen schnell Zweifel auf.

Hinter Töchtern und Ex-Frau nur Nummer vier in der Patchwork-Familie: Eine Psychologin erklärt, wie man mit einer solchen Situation umgeht.

Mein Mann hatte mir am Anfang unserer Beziehung gesagt, ich sei die Frau seines Lebens und natürlich seine Nummer eins. Jetzt – drei Jahre später – fühle ich mich wie eine Dienstmagd in seinem Alltag. Und finde mich nach der Ex-Frau und seinen beiden Töchtern höchstens als Nummer vier wieder. Muss ich diese Position in einer Patchwork-Familie akzeptieren?

Sie beschreiben eine typische Ernüchterung einer Patchwork-Liebe. Ich skizziere einmal, wie ich mir Ihre Situation vorstelle: Sie verlieben sich in einen Mann und haben eine berauschende Zeit zu zweit. Er ist aufmerksam, fürsorglich, versteht Sie und Sie sind beeindruckt, wie liebevoll er von seinen Kindern spricht. Sie haben viel Mitgefühl mit ihm, haben Verständnis für die Anstrengungen einer Trennung. In dieser ersten Verliebtheitsphase sind Sie sein Anker, bei Ihnen kann er auftanken und genießt – wie Sie – die „Wolke-Sieben-Zweisamkeit“. Im Liebeszauber verspricht er Ihnen, was Sie sich wünschen. Und meint es wahrscheinlich auch so.

Wichtig ist es, zu wissen, dass in der Verliebtheitsphase (nicht nur bei Patchwork-Paaren!) die eigenen Sehnsüchte Regie führen. Wenn Sie sich (un-)bewusst nach einem liebevollen Vater oder einem Mann sehnen, der seine Gefühle zulassen und ausdrücken kann, dann reicht ein grober Anhaltspunkt – zum Beispiel ein Mann, der darüber redet, wie verzweifelt er ist, weil er seine Kinder vermisst –, dass Sie Ihre Sehnsüchte auf ihn projizieren und sich verlieben. Die Details seiner Persönlichkeit, die nicht dazu passen, werden ausgeblendet, damit das Verlieben und damit die Bindung intensiv in Gang kommt.

Nach der Verliebtheitsphase kommt die erste Dysbalance zum Vorschein

In den ersten Wochen oder Monaten sind Sie zunächst bereit, Ihren Alltag ihm und seinem Patchwork-Wechselmodell anzupassen. Schließlich lieben Sie ihn ja. Vielleicht kommt nach sechs Monaten bereits die erste Dysbalance: Ihnen fällt auf, dass Sie immer diejenige sind, die sich anpasst. Unbewusst erhoffen Sie sich bei allem Verständnis für seine Situation natürlich, dass Ihr Liebster Ihre Bedürfnisse weiterhin wahrnimmt und für Sie sorgt oder zumindest anerkennt und wertschätzt, was Sie alles tun.

Ihrer Beschreibung nach sind Sie gerade sehr enttäuscht. Das heißt, die Täuschung der Verliebtheitsphase ist weg, der Blick auf den Menschen hinter Ihrer Projektion ist freigeworden. Die Realität ernüchtert. Ihnen wird deutlich, dass sein Versprechen, dass Sie in allen Belangen die Nummer eins seien, nicht einzuhalten ist: Zumindest seine Töchter werden wahrscheinlich sein Leben lang eine zentrale Rolle spielen. Sie sind nicht die einzige Frau in seinem Leben – und werden es nie sein. Das gilt es tatsächlich zu akzeptieren.

Dann allerdings ist es auch wichtig, die Betrachtung zu differenzieren: Wie sieht seine Verbundenheit zu seinen Töchtern aus? Wie zu Ihnen? Und wie zu seiner Exfrau? Welche Qualitäten sind nur Ihrer Liebesbeziehung vorbehalten? In diesem klar abgegrenzten Bereich sind und bleiben Sie hoffentlich „seine Nummer eins“ und „die Frau seines Lebens“.

Zentral in diesen herausfordernden Liebesphasen ist die Selbstliebe. Sie braucht besonders in Patchwork-Konstellationen höchste Priorität, und sie bewahrt Sie davor, dass Sie nicht „blind vor Liebe“ sind. Tun Sie nur das, für das Sie im Zweifelsfall kein Danke Ihres Partners oder gar der Kinder brauchen. Tun Sie es auch für sich, und vielleicht brauchen Sie dann als Gegenleistung „nur“ ein Abendessen zu zweit. Spüren Sie in sich hinein, was Sie brauchen, und scheuen Sie sich nicht vor nüchternen Verhandlungen mit Ihrem Liebsten. So sorgen Sie dafür, dass Ihre Liebe nicht unter die Räder kommt.


Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung. Die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sind versiert in der Beratung rund um Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Der Urologe Volker Wittkamp kennt sich mit allem aus, was Liebe mit unserem Körper macht – und umgekehrt. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt! Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.

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