In Sachen LiebeNach dem Urlaub mit meiner Patchworkfamilie bin ich urlaubsreif!

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Viele Handabdrücke im Sand

Wie der Urlaub als Patchwork-Familie gelingen kann – und dabei keiner zu kurz kommt.

Im Urlaub knallen in Patchwork-Familien unterschiedlichste Erwartungen aufeinander. Wie man das aushält, erklärt Psychologin Katharina Grünewald.

Drei Wochen waren die Kinder meines Mannes (10 und 12) in den Sommerferien bei uns, zwei Wochen davon waren wir gemeinsam im Urlaub in Italien. Es gab viel Streit, Tränen, Spannungen und schlechte Laune, sodass ich eigentlich jetzt richtig urlaubsreif bin. Im Moment bekrabbeln wir uns wieder, sind uns aber nicht sicher, ob wir nochmal zusammen in Urlaub fahren sollen. Wie kann das gehen? (Birgit, 35)

Urlaub mit der Patchworkfamilie ist eine Herausforderung. Die Erwartungen aller sind hoch, schließlich ist die Ferienzeit – neben Weihnachten – die schönste im Jahr! Und dann knallen die unterschiedlichen Vorstellungen aufeinander. Diese Erfahrung teilen Sie mit vielen Patchworkfamilien, aber auch klassische Familien sind davor nicht gefeit.

Katharina Grünewald

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Es gibt mindestens drei Perspektiven. Erstens: Die Kinder wollen endlich viel Zeit mit ihrem Vater verbringen, am liebsten alleine. Zweitens: Sie wollen harmonische Zeit mit Ihrer neuen Familie, aber auch Zeit mit Ihrem Geliebten haben. Und der Vater der Kinder, also Ihr Geliebter, will – drittens – in der Regel eigentlich nur, dass alle glücklich sind.

All das sind berechtigte Wünsche, und die gilt es schon im Vorfeld zu erkunden. Die Hauptverantwortung hat hierbei der leibliche Elternteil. Ihr Partner ist das Scharnier zwischen der alten Familieneinheit und dem neuen Liebespaar. Die Kinder können oft ihre Wünsche klar benennen, nur gilt es, sie zu übersetzen. Wenn ein Kind sagt, es möchte ans Meer, kann es sein, dass es sich an schöne Erlebnisse mit dem Vater am Strand erinnert und diese wiederholen möchte. Die Übersetzung wäre also: Ich will unbeschwerte Zeit zum Spielen mit Papa haben!

Für Sie als neu dazu gekommener Elternteil wäre im ersten Schritt die Selbstfürsorge wichtig. Was brauchen Sie, um die alte Familiendynamik aushalten und sogar mitmachen zu können? Wie gesichert ist die Liebesenergie-Tankstelle „Paarzeit“? Welche Möglichkeiten für schöne Erlebnisse am Urlaubsort haben Sie auch für sich allein?

Ihr Geliebter und Vater der Kinder kann sich nicht zweiteilen. Daher ist im Vorfeld wichtig, dass er nicht mit dieser „Ich bin glücklich, wenn Ihr glücklich seid“-Haltung in die Planung geht
Psychologin Katharina Grünewald

Ihr Geliebter und Vater der Kinder kann sich nicht zweiteilen. Daher ist im Vorfeld wichtig, dass er nicht mit dieser „Ich bin glücklich, wenn Ihr glücklich seid“-Haltung in die Planung geht. Sonst entsteht ein Verantwortungsvakuum, in das naturgemäß oft die Frauen springen, und schon entsteht die Situation, die Sie jetzt erlebt haben.

Wenn er eine eigene dritte Position hat, sagt er klar, ich will Zeit mit meinen Kindern allein verbringen. Gut – und was machen Sie in der Zeit? Vielleicht kann er auch klar sagen: Ich will Zeit mit meiner Liebsten allein haben – was braucht ihr Kinder, damit das funktioniert? Wenn er dann auch noch sagt, ich will allein am Strand dösen oder Sport machen, gilt es zu überlegen, was alle anderen in dieser Zeit machen.

Für diesen kreativen Prozess im Vorfeld braucht es die gesamte Familienintelligenz, besonders die der Kinder. Ich habe dafür das Spielbrett „Patchwork-Karussell“ mit sieben Konstellationen entwickelt: das Liebespaar, Vater mit Kindern, Stiefmutter mit Kindern, Kinder alleine, alle zusammen, jeder alleine – und ggf. Vater, Stiefmutter mit gemeinsamem Kind. Bezogen auf einen Urlaubstag darf sich nun jeder zuerst mal eine Konstellation aussuchen, und gemeinsam (!) wird dann überlegt und überprüft, ob die Positionen für die anderen Familienmitglieder sicher sind und sich gut anfühlen. Wichtig dabei: Es fliegt keiner raus!

So kann die ganze Familie eine neue Familiendynamik einüben, die auch zum Gelingen im Alltag beitragen wird.


Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung. Die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sind versiert in der Beratung rund um Liebe, Beziehung und Partnerschaft. Der Urologe Volker Wittkamp kennt sich mit allem aus, was Liebe mit unserem Körper macht – und umgekehrt. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt! Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.

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