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In Sachen LiebeWas kann ich tun, wenn mein Kind nicht allein zur Schule will?

4 min
Ein Kind steht mit blauer Schultüte und Schultüte auf dem Schulhof

Aller Anfang ist schwer: Gerade ganz am Anfang der Schulzeit haben Kinder oft noch Ängste.

Wenn das Kind den Schulweg nicht allein gehen will, ist es wichtig herauszufinden, was dahinter steckt.

Mein achtjähriger Sohn hat Angst, allein seinen Schulweg zu gehen, obwohl ich weiß, dass er das kann. Wie schaffe ich es, dass es ihm gelingt? (Sarah, 41 Jahre alt)

Elisabeth Raffauf

Elisabeth Raffauf

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Sie wissen offenbar etwas über ihren Sohn, das er selbst nicht weiß. Ihr Wissen ist: Er kann allein seinen Schulweg gehen. Sein Wissen ist: Ich kann das nicht.

Vielleicht haben Sie schon erlebt, dass er solche Wege gut allein bewältigen kann. Dann ist Ihr Gedankengang erstmal ganz logisch: Ich weiß, er kann es, also soll er es auch machen. Aber irgendwo hakt es. Er macht es einfach nicht.

Für Sie bedeutet das mehr Aufwand. Sie müssen ihn begleiten. Das kostet Zeit. Am frühen Morgen haben Sie vielleicht andere Dinge zu tun. Müssen selbst zur Arbeit, haben noch kleinere Kinder, die in den Kindergarten gebracht werden müssen, oder Sie haben aus anderen Gründen einfach wenig Zeit.

Nachfrage mit Nachdruck führt zu Drama am Morgen

Also soll ihr Sohn den Schulweg doch selbstständig bewältigen. Sie wissen ja, dass er es könnte. Sie erklären ihm das, aber das ändert nichts. Sie vermitteln es vielleicht mit Nachdruck, womöglich sind Sie manchmal auch gereizt. Vielleicht bringt es Sie richtig auf die Palme. Und Ihr Sohn? Blockiert noch mehr. Das führt zu einem Drama am Morgen.

Was ist mit Ihrem Sohn? Von seinem Alter und seiner Erfahrung mit dem kurzen Schulweg her könnte er tatsächlich ohne Probleme allein zur Schule gehen. Dass er es nicht tut, dafür hat er seine Gründe, aber er kann sie nicht vermitteln.

Das ist zunächst einmal interessant zu verstehen: Ist ihm auf dem Schulweg mal etwas Doofes passiert? Wurde er blöd angesprochen? Begegnet er Kindern, die er nicht mag, die ihn ärgern?

Vielleicht hat seine Weigerung auch mit dem Ziel des Weges zu tun, der Ankunft in der Schule, die er am liebsten verzögern möchte, weil er sich dort nicht wohl fühlt. Es kann auch sein, dass er nicht so gut von zu Hause weggehen kann. Vielleicht erlebt er kleinere Geschwister, die noch daheimbleiben dürfen, und das würde er auch gerne. Vielleicht hat er Angst, dass zu Hause in seiner Abwesenheit etwas Schlimmes passiert. Zum Beispiel, dass die Eltern sich streiten; etwas, von dem er glaubt, dass er es verhindern könnte, wenn er da bliebe.

Das Kind spürt den Druck der Eltern

Was es auch ist, ganz sicher spürt er Ihren Druck, doch endlich bitte seinen Schulweg allein zu meistern. Er spürt, wie sehr Sie sich wünschen, dass er schneller selbstständig wird und dass Sie weniger „Arbeit“ mit ihm haben. Aus seiner Sicht hilft da zurzeit nur eines: die Blockade.

Beide Seiten sind verständlich. Ihre Frage ist nun, was Sie tun können. Versuchen Sie als Erstes, die Motive Ihres Sohnes zu verstehen. Suchen Sie eine Antwort auf die Frage, was ihn daran hindert, allein zur Schule zu gehen. Dann geht es darum, darüber zu sprechen. Wenn er auf dem Schulweg etwas Problematisches erlebt hat oder Angst davor hat, dass ihm so etwas passieren könnte, dann braucht er gerade deshalb Begleitung, um wieder sicherer zu werden. Und zwar Begleitung ohne Druck, ohne Hetze und ohne den Satz: „Das machen wir aber jetzt nur ein Mal.“

Mit dem Kind zusammen überlegen, was das Problem ist

Wenn in der Schule für Ihren Sohn etwas schwierig ist, muss auch das angeschaut und gegebenenfalls mit seinen Lehrkräften besprochen werden. Wenn es zu Hause etwas gibt, das ihn beschäftigt und nicht gut gehen lässt, dann ist es wichtig, ihm zu sagen, dass die Eltern sich darum kümmern und eine gute Lösung finden werden. Damit entlasten Sie Ihren Sohn von seiner gefühlten Verantwortung.

Vielleicht kann Ihr Sohn selbst gar nicht richtig sagen, was ihn bewegt. Dann nehmen Sie das als Zeichen, dass er noch etwas braucht, und überlegen Sie mit ihm gemeinsam, was ihn unterstützen könnte. Wichtig zu wissen ist: Er macht das nicht, um Sie zu ärgern. Er hat seine Gründe, und die dürfen nicht übergangen werden. Sie brauchen Beachtung.

Aber eines kann ich mit großer Sicherheit sagen: Wenn Sie sich jetzt Zeit lassen, wird der Punkt kommen, dass Ihr Sohn unbedingt allein zur Schule gehen möchte.


Von Elisabeth Raffauf ist im Patmos-Verlag erschienen: „Angst. Aufwachsen in unsicheren Zeiten und wie wir unseren Kindern helfen, mutig in die Welt zu gehen“, 173 Seiten, 18 Euro.

Zur Kolumne

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald sowie Sexualberaterin Gitta Arntzen. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de.