Mit Trennung umgehenWie Eltern nach Scheidung besser für ihre Kinder da sein können

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Als sich Bettina Schneider (Name geändert) vor drei Jahren von ihrem Mann getrennt hat, stürzte für sie, ihn und ihre Tochter eine Welt zusammen. Und das für lange Zeit. Denn auch nach ihrem Auszug gab es immer wieder Zoff und vor allem die Übergaben der Tochter von einem zum anderen Elternteil verliefen oft hoch explosiv.

Eine Trennung gilt als eine der größten Lebenskrisen. Den eigenen Schmerz zu verarbeiten und gleichzeitig das Kind leiden zu sehen und ihm in dieser schwierigen Zeit helfen zu wollen, ist nichts anderes als eine immense Herausforderung.

Genau da setzt das Seminar „Kinder im Blick“ an. Ein Kurs über sieben Abende für Eltern, die sich getrennt haben. Angeboten wird er von verschiedenen Familienberatungsstellen, seit einiger Zeit auch in Köln. Das Konzept: Beide Eltern nehmen an den Terminen teil, aber in verschiedenen Gruppen. Im Fokus steht der Blick auf das Kind aber auch der eigene Umgang mit der Trennung. „Wir freuen uns, dass es durch die Kooperation der Beratungsstellen möglich ist, interessierten Eltern die Teilnahme zu ermöglichen“, sagt Kursleiterin Renate Blum-Maurice und Fachliche Leiterin des Kinderschutz-Zentrums Köln.

In dem praxisorientierten Training lernen die Teilnehmer Strategien, die helfen, besser mit der Situation des Getrennt-Erziehens umzugehen. Jede Trennung ist anders und birgt doch Gemeinsamkeiten. Daher wird es in den Kursen schnell persönlich, vorausgesetzt die Teilnehmer möchten von ihrer eigenen Trennungsgeschichte erzählen.

Bettina Schneider hat das Seminar vor ein paar Monaten in Köln besucht – und davon profitiert, wie sie rückblickend sagt. „Bei mir ging es vor allem um die Frage, wie ich mich mit meinem Ex unterhalten kann, ohne direkt in die Luft zu gehen. Oder wie ich mit meinem Kind und dessen Trennungsschmerz am besten umgehe.“ Vor, während oder nach den Übergaben an den Ex-Partner sei da eine große Unsicherheit gewesen.

Die Inhalte des Seminars sind wissenschaftlich fundiert. Der Kurs entstand ursprünglich 2006 in Zusammenarbeit der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Familiennotrufs München. Das Konzept baut auf den Grundlagen der Stress- und Scheidungsforschung auf und wurde in der Beratungspraxis mit Trennungsfamilien entwickelt.

Angeboten wird „Kinder im Blick“ inzwischen bundesweit. Paaren im Streit wird die Teilnahme mitunter sogar von Familienrichtern und Jugendamtsmitarbeitern empfohlen. Doch viele getrennte Eltern haben noch nie von dem Kurs gehört. Hier in der Region soll das jetzt anders werden. „Wir sind überzeugt, dass das neue Angebot eine effektive Ergänzung der Hilfen für Familien in Köln darstellt, deshalb wollen wir es verstärkt bekannt machen“, sagt Andreas Hamerski, Leiter der Familienberatung der Stadt Köln.

Bettina Schneider ist von ihrem Ex-Partner auf das Angebot aufmerksam gemacht worden. Und das, obwohl er den Kurs dann letztendlich gar nicht besucht hat. Denn auch das gehört zum Konzept des Kurses: Im Idealfall sollten beide Partner parallel in verschiedenen Gruppen teilnehmen, müssen es aber nicht. Wenn der Ex-Partner nicht will oder kann, lässt sich das nicht erzwingen. „Obwohl es natürlich viel besser ist, wenn beide die Inhalte kennen“, sagt Schneider. „Sonst muss der eine Partner immer für den anderen mitarbeiten oder versuchen, das Gelernte alleine umzusetzen.“ Und das ist schwer.

Vermittelt werden die Inhalte im Seminar auch mit Hilfe von Rollenspielen. Bei diesem Begriff läuten bei vielen sofort die Alarmglocken, aber Bettina Schneider kann sich erinnern, wie ihr gerade diese nachgespielten schwierigen Situationen extrem viel gebracht haben. Vor allem, um zu lernen, kritische und turbulente Momente mit dem Ex zu entschärfen. „Der Stresspegel ist da manchmal schon sehr hoch. Durch mein Kind sehe ich dessen Vater ja zwangsläufig immer wieder und wenn dann noch alte oder neue Konflikte hochkommen, ist das schon sehr belastend.“ Durch das Seminar habe sie neue Möglichkeiten und gute Wege gefunden, solche Situationen in Zukunft nicht mehr eskalieren zu lassen. Was den Teilnehmern ebenfalls gut tut: Der Austausch mit den anderen in der Gruppe. Die Fragen, wie man mit der neuen Situation, der großen Wut und Traurigkeit und ja, manchmal auch der Verzweiflung umgeht, treibt wohl alle getrennten Eltern um.

Kinder brauchen in der Trennungszeit besonders viel Zuwendung, um den Übergang in den neuen Lebensabschnitt gut zu bewältigen. Das ist für viele Eltern nicht leicht. Finanzielle Probleme, Konflikte mit dem anderen Elternteil und vermehrter Stress fordern Kraft, Zeit und Nerven.

Sabine Walper von der Uni München hat daher drei zentrale Fragen für den Kurs herausgearbeitet: „Wie kann ich die Beziehung zu meinem Kind positiv gestalten? Was kann ich tun, um Stress zu vermeiden und abzubauen? Und wie kann ich den Kontakt zum Ex-Partner im Sinne meines Kindes gestalten?“ „Kinder im Blick“ wird jeweils wird von einem zertifizierten Zweierteam geleitet, meist von einer Frau und einem Mann, um beide Perspektiven zu beleuchten. Was den Seminarteilnehmern schon früh im Kurs deutlich gemacht wird: Loyalitätskonflikte schaden dem Kind, denn es liebt immer beide Eltern. Egal, was zwischen diesen in der Vergangenheit passiert ist. Jetzt geht es darum, die verschiedenen Ebenen neu zu sortieren: Die gemeinsame Paarzeit ist vorbei, aber die gemeinsame Elternzeit bleibt. Um das Kind zu stärken und zu schützen, haben negative Emotionen gegenüber dem Ex-Partner – oder gar Schimpftiraden über diesen – vor den Augen und Ohren des Kindes nichts verloren. Bezogen auf das Kind könne man da leider wirklich viel falsch machen, auch wenn man das eigentlich gar nicht wolle, sagt Bettina Schneider. Und trotzdem kämen die Tipps im Seminar nicht als Belehrungen daher.

„Durch das Training habe ich nicht nur einiges über einen besseren Umgang mit meinem Ex gelernt, sondern auch über Kommunikation generell. Das hilft mir auch im Alltag oft“, resümiert die Teilnehmerin. Das Gruppenangebot sei noch einmal etwas ganz anderes als eine Einzelberatung, die natürlich auch hilfreich und gut sei. Aber hier profitierten die Teilnehmer sehr stark voneinander. Manchmal ergeben sich sogar Freundschaften.

„Bei den Übungen und Rollenspielen habe ich im Laufe der Zeit schon gemerkt, dass diese etwas mit mir gemacht haben“, sagt Bettina Schneider. „Das alles hat mir dabei geholfen, meine alten Muster umzuprogrammieren.“

KURS  Anmelden zu "Kinder im Blick"

Plätze gibt es noch im Kurs der Familienberatung der Stadt Köln, der am 6. November beginnt und von 10 bis 13 Uhr stattfindet. Weitere Kurse werden die Familienberatung und der Kinderschutzbund Köln im ersten Halbjahr 2018 anbieten.  Interessenten können sich jetzt schon anmelden: Familienberatung und schulpsychologischer Dienst der Stadt Köln  02 21 / 88877730 Familienberatungsstelle  im Kinderschutz-Zentrum Köln  0221 / 577770 Unter anderem finden auch hier „Kinder im Blick“-Kurse statt: Erziehungs- und Familienberatung der Stadt Pulheim Tel.: 02238 / 808118 Beratungsstelle für Eltern, Jugendliche und Kinder Bergisch Gladbach 02202/35016 Psychologische Beratungsstelle Remscheid  02191 / 163660 Weitere Angebote und Infos auf: www.kinderimblick.de Konzept Das in München entwickelte Programm richtet sich an Eltern, die ihre räumliche Trennung  bereits vollzogen haben. Ziel ist, Mütter und Väter darin zu stärken, ihre Kinder in dieser schwierigen Situation hilfreich zu begleiten.  Im Seminar geht es um verschiedene Trennungsthemen –  etwa um gelungene Kommunikation, die Gefühle von Eltern und Kind,  Werte und Ziele und auch um die neue Perspektive als Patchworkfamilie.

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