Mutter erklärt„Warum mein Sohn mit vier Jahren eingeschult wurde“

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Die meisten Kinder kommen mit sechs Jahren in die Schule - Antonias Sohn war erst vier.

Die meisten Kinder kommen mit sechs Jahren in die Schule - Antonias Sohn war erst vier.

Normalerweise werden Kinder in Deutschland mit sechs Jahre eingeschult. Antonias Sohn kam dagegen schon mit vier Jahren in die Schule. Er ist damit das jüngste Kind, das je in Bayern eingeschult wurde. Warum die Eltern sich für diesen Schritt entschieden haben, verrät Antonia uns im Interview.

Ihr Sohn war noch nicht mal fünf bei seiner Einschulung. Wie kann das sein?

Unser Sohn ist Ende September 2011 geboren. In Bayern beginnt das neue Schuljahr immer rund um den 10. September und jedes Kind, dass bis 30.September sechs Jahre alt ist oder wird, wird für das dann beginnende Schuljahr erstmal grundsätzlich schulpflichtig. In unserem Fall wäre das das Schuljahr 2017/2018. Unser Sohn ist im September 2016 eingeschult worden und zehn Tage nach Schulbeginn 5 fünf Jahre alt geworden. 

Das war sicher keine leichte Entscheidung. Mit wem haben Sie sich beraten?

Nein, das war definitiv keine leichte Entscheidung - aber der Weg dorthin begann bereits Ende 2015. Unser Sohn, damals gerade vier Jahre alt geworden, äußerte immer öfter den Wunsch ein Vorschulkind sein zu dürfen. Der Kindergarten an sich wurde immer unbeliebter und irgendwann ein wahrer Kampf. Jeden Tag. Für alle Beteiligten. Da wussten wir, dass etwas passieren muss. Der Kindergarten sah keinerlei Handlungsbedarf. 

Was war der nächste Schritt?

Wir haben relativ schnell den Kontakt zu einer Schulpsychologin gefunden und waren im stetigen Beratungskontakt mit unseren Kinderarzt. Die Schulpsychologin, die letztendlich auch ein Gutachten über unseren Sohn erstellt hat, hat viele Gespräche mit ihm geführt und ihn im Kindergarten besucht. Für sie war auch schnell klar, dass seine Situation so nicht bleiben kann.

Haben Sie Ihren Sohn in die Entscheidungsfindung einezogen?

Ja, das ließ sich gar nicht verhindern. Es war sein Hauptgesprächsthema. Er wolle ein Vorschulkind sein, irgendwann kippte das um in „Ich möchte ein Schulkind sein“. Er träumte von Hausaufgaben, forderte nachmittags Hausaufgaben in Form von Rätselheften. Durch das Hinzuziehen der Schulpsychologin genehmigte der Kindergarten im Januar 2016, dass er ab sofort vereinzelt bei den Vorschulkindern „mitmachen“ dürfe.

Welche Punkte sprachen für eine so frühe Einschulung?

Für die frühe Einschulung sprachen grundsätzlich seine starken kognitiven Fähigkeiten und sein starker Wille in Richtung Schule. Er beobachtete begeistert Geschwisterkinder von Freunden, die von der Schule oder Hausaufgaben berichteten. Er erzählte von den Vorschulkindern im Kindergarten, und was sie Tolles machen dürfen.

Welche Argumente gab es dagegen?

Gegen eine frühe Einschulung sprach ganz klar sein Alter. Neben den kognitiven Fähigkeiten und Stärken ist unser Sohn ein typischer Fünfjähriger. Dass das Probleme in der Schule bringen könnte war uns ganz klar. Aber der Arzt der Schuleingangsuntersuchung formulierte es ganz treffend: Probleme wird er haben, wenn er im Kindergarten bleibt - aber genauso, wenn er eingeschult wird. Man müsse sehen, wofür man sich entscheidet. 

Was war letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung?

Ich denke, man sollte seinen Elterngefühlen vertrauen - und vor allem seinem Kind. Das war für uns immer das Wichtigste. Wir haben ihm immer offen gesagt und bewusst gemacht, dass Schule nicht nur Spaß bedeutet, sondern auch anstrengend ist. Er meinte darauf hin ganz locker: „Mama ich kann auch nachmittags spielen oder am Wochenende. Das reicht mir!“

Wie fühlte es sich an, als die Entscheidung gefallen war?

Die Entscheidung war gefallen, als wir uns auf Anraten der Schulpsychologin eine Montessori-Schule angesehen haben und unser Sohn dort hospitiert hat. Nach dem Schulspiel kam dann die Zustimmung der zukünftigen Klassenleitung, dass sie unseren Sohn für geeignet hält, sie dem Gutachten der Schulpsychologin zustimmt und ihn gerne in die Klasse aufnehmen wird. Als wir das zu Hause verkündet haben, flossen Tränen... vor allem bei unserem Sohn. Er hatte endlich wieder ein Strahlen im Gesicht und war schlichtweg glücklich. 

Wie waren die Reaktionen des Umfeldes auf die frühe Einschulung?

Ehrlich? Grauenvoll. Was mussten wir uns Vorwürfe anhören! Wir mussten etliche Fragen beantworten. Alles ging immer sehr schnell in die Richtung, dass wir doch einfach nur übereifrige Eltern seien und wir unserem Sohn ein Jahr Kindheit stehlen würden. Und ob wir uns denn auch im Klaren seien, was wir ihm da antun. 

Nur vereinzelt bekamen wir Rückmeldungen wie: Ihr kennt euern Sohn am besten, ihr wisst was ihm gut tut!

Wie hat Ihr Sohn den Einstieg in die Schule gepackt?

Super! Egal, wie müde er morgens auch ist, wir haben noch kein einziges Mal gehört, dass er nicht hingehen möchte. Er hat Freunde gefunden und hat einfach nur Spaß daran zu lernen. Bereits in der dritten Woche konnte er seinen Stundenplan auswendig. Von den Pädagogen wird er uns als aufgeweckter und sehr interessierter kleiner Kerl beschrieben.

Wo ist er besonders gut und was liegt im weniger?

Wenn wir ihn fragen, welches sein Lieblingsfach ist oder was er in der Schule am liebsten mag: Sport und Mathe. Er lernt auf sehr spielerische Art Englisch und Italienisch und liebt beide Fächer sehr. Er kommt bei allen Themen gut mit. Das Schreiben und das "Sammeln von Ideen und zu Papier bringen" ist momentan gerade eine Herausforderung für ihn, im Bereich Zahlen und Rechnen wiederum läuft er dem aktuellen Stoff förmlich davon, ebenso in Englisch.

Fällt der Altersunterschied zu seinen Mitschülern auf?

Die Pädagogen berichten uns, dass er eigentlich nur in „offenen Gesprächsrunden“ etwas auffällt. Er erzählt natürlich mit fünf ganz anders als ein Siebenjähriger oder ältere Schüler. Wobei wir noch nie erfahren haben, dass er hier ausgelacht oder belächelt wird.

Durch die Montessori-typische Jahrgangsmischung sind alle gewöhnt, dass eben kleinere und größere Schüler zusammen sind. Er hat sowohl unter den Erst- wie auch den Zweitklässlern Freunde gefunden, ist auf Geburtstagen eingeladen.... Ein ganz normales Schulkind!

Würden Sie die Entscheidung wieder so fällen?

Für ihn: Definitiv ja. Pauschal würden wir natürlich nicht für eine vorzeitige Einschulung stimmen. Wir finden, dass das immer eine individuelle Entscheidung ist.

Gab es auch Rückschläge und Momente, in denen Sie an Ihrer Entscheidung gezweifelt haben?

Nein, zu keiner Sekunde. Auch wenn er mal sehr müde aus der Schule kam, oder geschimpft hat, weil ihm zum Beispiel ein Fach oder eine bestimmte Stunde keinen Spaß gemacht hat, gab es keinen Tag, an dem er nicht in die Schule wollte. Da gab es also keinen Grund zu zweifeln.

Was machen Sie jetzt in den Sommerferien?

Die Sommerferien werden eine tolle Mischung aus Freunde und Familie treffen, spielen und in den Urlaub fahren. Unser Sohn nimmt auch an einem Tennis Camp teil. Er freut sich aber auch schon wieder sehr auf die Schule und wächst innerlich fünf Zentimeter vor Stolz, bald ein Zweitklässler zu sein.

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