Expertin für Blasenentzündungen„Senf-Öl kann wirkungsvoller sein als Antibiotikum“

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Eine entzündete Blase kann sehr schmerzhaft sein.

  • Mit den drei Universitätskliniken Köln, Bonn, Düsseldorf und akademischen Lehrkrankenhäusern ist die Region ein Spitzenstandort der medizinischen Forschung.
  • Wer hier wohnt, an Krebs erkrankt, an Hör- oder Gelenkschäden leidet, sich vor Demenz fürchtet oder allergisch auf bestimmte Arzneimittel reagiert, kann unmittelbar vom Know-how der Spezialisten profitieren.
  • Wie sehr, das zeigt die Serie des Kölner Stadt-Anzeiger mit Experten-Interviews, vor allem aber durch die Erfahrungsberichte erfolgreich behandelter Menschen.

Pflanzliche Mittel wie Senföle einnehmen statt bei Blasenentzündungen immer gleich Antibiotika zu verschreiben: Sie haben langjährige klinische Erfahrung damit und forschen auf diesem Gebiet. Was wissen wir sicher über die Wirksamkeit der nicht-antibiotischen Therapien bei Harnwegsinfekten?

Prof. Ruth Kirschner-Hermanns: Wenn man Antibiotika bekommt und zu wiederkehrenden Harnwegsinfekten neigt, fängt man sich erwiesenermaßen sehr viel schneller wieder ein solches Rezidiv ein. Pflanzliche Arzneimittel wirken zwar erst nach drei, vier Wochen, aber dann sind die Betroffenen länger beschwerdefrei. Das zeigte eine Beobachtungsstudie im neurologischen Reha-Zentrum der Godeshöhe zu Senf-Ölen. Wir haben gerade eine neue Studie begonnen, doppelblind, Placebo-kontrolliert, für Menschen mit einem Blasenkatheter. Das sind Hochrisiko-Patienten, bezogen auf wiederkehrende Harnwegsinfekte. Wenn ich ein solches Handicap nicht habe, sollte ich erst recht versuchen, bei einer Blasenentzündung auf Antibiotika zu verzichten. Das wird inzwischen auch in der aktuellen S3 Leitlinie für unkomplizierte Harnwegsinfekte empfohlen.

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Prof. Ruth Kirschner-Hermanns ist Leiterin des Inkontinenz- und Beckenbodenzentrums an der Universitätsklinik Bonn und am Reha-Zentrum Godeshöhe.

Wie wird eine Blasenentzündung diagnostiziert?

Das ist weniger einfach als es den Anschein hat. Denn die Blase ist nie sauber, nie steril, es sind immer Bakterien darin, insbesondere bei älteren Menschen. Keime im Urin sind also nicht gleich Infekt. Es ist leicht, Teststreifen in den Urinstrahl zu halten, wenn jemand über Schmerzen im Unterleib oder beim Wasserlassen klagt. Aber diese Sticks sind sehr ungenau. Deshalb werden vor allem viele Frauen unnötigerweise behandelt. Bevor ein Arzt also Antibiotika verschreibt, muss man den Urin mikrobiologisch untersuchen. Dann sollte möglichst ein Schmal- und kein Breitband-Antibiotikum verordnet werden. Das sah man früher anders und ich fürchte, wir Ärzte gehen immer noch zu sorglos mit der Verschreibung von Antibiotika um.

Wann halten Sie Antibiotika bei einem Harnwegsinfekt für unverzichtbar?

Wenn man insgesamt sehr abgeschlagen ist und vor allem, wenn man Fieber oder gar Flankenschmerzen hat. Dann muss der Harnwegsinfekt unbedingt abgeklärt und auch möglichst gezielt nach Bakterienart behandelt werden. Eine Nierenbeckenentzündung darf auf keinen Fall übersehen werden, sie führt zu unumkehrbaren Schäden.

Wenn Antibiotika sein müssen: Was kann ich für den Wiederaufbau der guten Bakterien im Harntrakt nach einer Behandlung tun?

Frauen sollten mit ihrem Gynäkologen sprechen. Denn die Scheidenflora erfüllt eine wichtige Abwehrfunktion und Laktobazillen, das sind Milchsäuebakterien, stärken sie. Da genügt es mitunter, ein Tampon in Joghurt zu tauchen und über mehrere Tage oder Nächte für mehrere Stunden zu tragen.

Ständiger Harndrang, das Gefühl, zu oft zu müssen plagt Millionen. Wie oft „Pipimachen“ ist normal?

Etwa sieben, acht Mal am Tag bei einer Trinkmenge von etwa zwei Litern. Und wenn Ältere nachts ein Mal aufstehen müssen, um Wasser zu lassen, ist das auch im Rahmen. Kritisch wird es, wenn man durch das häufige „Zur-ToiletteMüssen“ seinen Tagesablauf nicht mehr ungestört planen kann, wenn das nächtliche „Müssen“ einem den Schlaf raubt oder man es öfter nicht mehr bis auf die Toilette schafft.

Was sind die häufigsten Gründe für ein ständiges Müssen?

Alterungsprozesse in der Blase und im Becken, vor allem bei älteren Senioren aber auch Alterungsprozesse im Gehirn, die die Signalverarbeitung des Harndranges erschweren. Bei Männer kommt als Risikofaktor die altersbedingt vergrößerte Prostata und bei Frauen eine Gebärmuttersenkung oder eine Senkung der Scheidenwände hinzu. Beides irritiert die Blase. Der häufige Harndrang kann aber auch ein rein nervöser Vorgang sein. Für diese Fälle gibt es speziell ausgebildete Physiotherapeuten, die gute Übungen wissen, um die Kontrolle wiederzugewinnen.

Zum Beispiel?

In die Hocke gehen, so tun, als wenn man sich die Schuhe zubindet und dann nicht schnell, sondern langsam zur Toilette gehen. Oder öfter beim Sitzen, im Stehen, beim Kochen, im Bad oder Büro bewusst den Beckenboden anspannen, um die Blase zu beruhigen und den Beckenboden zu trainieren.

Was genau wird gemacht bei Operationen gegen Inkontinenz?

In den allermeisten Fällen geht es darum, eine Beckenbodenschwäche operativ zu beheben, bei Frauen ist dann das Blasenband die gebräuchlichste und einfachste Methode. Vor jeder OP muss aber die Blasenfunktion, etwa durch Blasendruckmessung, gründlich untersucht werden, ebenso Beckenboden und Scheide, und bei Männern die Prostata, um andere Blasenerkrankungen auszuschließen.

Eine gefürchtete Krankheit ist der Blasenkrebs. Gibt es hierfür eine Früherkennung?

Wenn man Blut im Urin sieht, ist das immer höchste Alarmstufe. Dann sollte man auf jeden Fall zum Urologen, insbesondere wenn die Blutung schmerzlos ist. Eine sog. Mikrohämaturie (Ausscheidung von Blut im Urin, die mit bloßem Auge nicht sichtbar ist) haben vor allem Frauen mit wiederkehrenden Harnwegsinfekten häufig, aber auch die gehört urologisch abgeklärt. Es gibt auch seltenere Ursachen für häufiges Wasserlassen und auch Blasensteine führen zu einer nicht sichtbaren Blutung.

Wann ist eine Blasenspiegelung nötig?

Bei schmerzloser Blutung, die sichtbar ist, auf jeden Fall. Alles andere ist, abhängig von den Symptomen, Entscheidung des Urologen.

Wie „fies“ ist eine Blasenspiegelung?

Frauen spüren kaum etwas, bei Männern ist eine Blasenspiegelung etwas fieser. Aber flexible Zytoskope machen den 10- bis 30-minütigen Eingriff erträglich, und selbstverständlich wird die Harnröhre vorab mit einem Gleitgel betäubt.

Was soll ich tun, wenn ich denke, dass meine Blase nicht richtig dicht ist, weil ich zu oft Wasser lasse?

Das Wichtigste vor einem Besuch beim Arzt wäre ein Miktionstagebuch. Gehen Sie mit einem Messbecher auf Toilette, notieren Sie über zwei, drei Tage, wann sie Pipi machen müssen, zu welcher Uhrzeit, und die Menge Urin. Mit diesem Zettel sollte man zum Arzt. Wenn Sie Vorlagen tragen: wiegen Sie an einem Tag erst drei trockene, dann drei gefüllte Vorlagen, bevor sie sie entsorgen, und notieren das jeweilige Gewicht bzw. die Differenz. Auch dieser „24-Stunden-Pad-Test“ ist eine Supervorinformation für den Arzt. Im Ultraschall kann er dann sehen, ob die Blase nach dem Wasserlassen leer wird. Umgekehrt sollte man mindestens 250 Milliliter Urin halten können ohne gleich auf Toilette zu müssen.

Wie viel sollte man trinken?

Die Blase eines Erwachsenen braucht pro Tag ungefähr zwei Liter, um gut durchgespült zu werden, dafür muss man auch mindestens zwei Liter trinken. Bei Älteren jenseits der 70 genügen auch 1,7 bis zwei Liter.

Patient berichtet: „Mir half ein pflanzliches Mittel, nicht Antibiotika“

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Johann Sander aus Bonn setzt auf pflanzliche Mittel.

Johann Sander (57) aus St. Augustin ist seit einem Arbeitsunfall vor zehn Jahren querschnittgelähmt. Der damalige Mittvierziger war  unterwegs als Betriebstechniker, wollte ein Pneumatik-Ventil unter der Decke einer  Werkshalle reparieren – und stürzte ab. Seitdem sitzt er nicht nur im Rollstuhl, auch seine Blase und der Mastdarm sind gelähmt. Dadurch ist Sander auf einen Blasenkatheter angewiesen. Aber selbst damit kann seine  Blase nie hundertprozentig geleert werden.

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Die Folge davon: Immer wiederkehrende Harnwegsinfekte. Vier, fünf, sechs pro Jahr waren viele Jahre lang normal. „Und jedes Mal musste ich Antibiotika nehmen“, ärgerte sich Sander über die Dauermedikation. „Dabei vertrage ich diese Tabletten nicht. Ich bekomme davon starken Durchfall.“

Nach einem neuerlichen Infekt, dem x-ten Infekt 2017, die allesamt immer wieder mit Infusionen behandelt wurden, schlug ihm seine Ärztin, Prof. Ruth  Kirschner-Hermanns, eine Alternative vor: „Versuchen Sie es mal mit diesem pflanzlichen Mittel.“ Das tat er. Seit zwei Jahren nimmt der Rheinländer drei Mal täglich eine dieser Tabletten. „Seither hatte ich so gut wie keinen Harnwegsinfekt mehr“, erzählt er ebenso begeistert wie erleichtert. „Sie sind Bio, ohne Chemie, wirken besser als immer wieder mit der pharmazeutischen Keule loszulegen, und vor allem auch vorbeugend.“ 

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