Tückische Volkskrankheit„Unerkannter Bluthochdruck kann Organe dauerhaft schädigen“

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Junge Menschen sollten ihren Blutdruck alle fünf Jahre beim Arzt überprüfen lassen.  

  • In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  • Im Monat November geht es um unser Herz.
  • In dieser Folge erklärt ein Kölner Kardiologe, warum Bluthochdruck so gefährlich ist.

Köln – Herr Eberhardt, etwa jeder dritte Erwachsene leidet an Bluthochdruck. Das ist eine erschreckend hohe Zahl.

Frank Eberhardt: Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Je älter man wird, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass man darunter leidet. Zusätzlich ist es so, dass viele Faktoren, die Bluthochdruck begünstigen, in unserer Gesellschaft zunehmen, wie Bewegungsmangel, hohes Gewicht oder schlechte Ernährung.

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Mit unserer Serie „Gesund durchs Jahr“ legen wir den Schwerpunkt ganz auf Ihre Gesundheit. Jeden Monat gibt es dazu ein Schwerpunktthema, zu dem jede Woche ein neuer Artikel erscheint. Im September dreht sich alles um unser Herz.

Was passiert bei Bluthochdruck eigentlich im Körper?

Der Bluthochdruck setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Ein Faktor ist das Herz, welches das Blut durch den Kreislauf pumpt. Der andere Faktor sind die Gefäße. Die sind durch die Muskulatur in der Wand elastisch, sie können sich dynamisch verändern. Nun passiert Folgendes: Wenn das Herz sich zusammenzieht, wird das Blut mit einer Pulswelle durch das Gefäßsystem gepumpt. Und wie bei jeder Flüssigkeit, die durch Röhren gepumpt wird, steht das System unter einem gewissen Druck, dem Blutdruck. Wenn die Gefäße im Alter steifer werden, also nicht mehr so gut nachgeben, dann nimmt der Druck, mit dem das Blut durch das System gepumpt wird, zu.

Wenn der Arzt den Blutdruck misst, bekommt man zwei Zahlen. Was haben die zu bedeuten?

Blutdruck wird in Millimeter/Quecksilbersäule gemessen, abgekürzt mm/Hg. Der höhere Wert ist der systolische Blutdruck, das ist die Blutdruck-Spitze, der Moment, wenn das Herz sich zusammengezogen hat und die Pulswelle durch das Gefäßsystem schickt. Der untere Wert ist der diastolische Blutdruckwert, der beschreibt den Füllungsdruck des Systems, also den Talwert. Als Faustregel kann man sich merken: Der obere Wert sollte unter 140 mm/Hg sein und der untere unter 90 mm/Hg.

Man kann seinen Blutdruck ja nicht nur beim Arzt überprüfen, sondern auch mit Geräten zu Hause. Wie sicher sind diese Geräte?

Zur Person

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Frank Eberhardt vom EVKK

Privatdozent Dr. med. Frank Eberhardt ist Internist, Kardiologe und Intensivmediziner. Er ist Chefarzt der Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Evangelischen Krankenhauses Kalk (EVKK).

Die meisten sind sehr verlässlich und auch nicht teuer. Es gibt Geräte für den Oberarm und für das Handgelenk, wobei die für den Oberarm etwas verlässlicher sind. Es braucht aber nicht jeder so ein Gerät zu Hause. Als junger Mensch sollte man seinen Blutdruck alle fünf Jahre beim Hausarzt überprüfen lassen. Im höheren Alter, ab 50 Jahren, sollte der Arzt das jährlich kontrollieren. Erst wenn es Anhaltspunkte für Bluthochdruck gibt, macht es Sinn, sich ein Gerät zu kaufen und die Ergebnisse zu Hause zu protokollieren.

Ein großes Problem bei Bluthochdruck ist ja, dass er oft zu spät erkannt wird. Auf welche Anzeichen seines Körpers sollte man achten?

Das ist das eigentliche Problem: Bluthochdruck beißt nicht, sticht nicht und schmerzt nicht. Die meisten Menschen mit Bluthochdruck haben überhaupt keine Beschwerden. Wenn der Bluthochdruck aber über viele Jahre unerkannt bleibt, kann er die Organe schädigen. Oft wird er dann erst wegen der Folgeschäden erkannt. Deswegen ist es wichtig, den Bluthochdruck zu erkennen, bevor er überhaupt Beschwerden macht. Ab welchem Wert Beschwerden auftreten ist individuell sehr unterschiedlich. Manchmal können Beschwerden wie Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Schwitzen oder Herzrasen erst bei sehr hohen Blutdruckwerten jenseits der 200 mmHg auftreten.

Telefonaktion, 9. November 2021, 14-16 Uhr

Die Herzwochen der Deutschen Herzstiftung stehen in diesem Jahr unter dem Motto: „Herz unter Druck – Bluthochdruck“. Aus diesem Anlass haben wir vier Herzspezialisten gebeten, Ihre Fragen zum Thema „Bluthochdruck“ und „Herzgesundheit“ zu beantworten. Sie erreichen das Expertenteam am Dienstag, 9.November 2021, von 14 bis 16 Uhr. Die Telefonnummern sehen Sie, wenn Sie die Experten unten aufrufen. (aho)  

Dr. Frank Eberhardt Tel.: 02 21/ 777 003 2851

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Dr. Frank Eberhardt, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, EVK Kalk

Dr. Frank Eberhardt, Chefarzt der Klinik für Kardiologie, EVK Kalk

Prof. Marc Horlitz

Portraitfoto-Prof. Dr. med. Marc Horlitz

Prof. Marc Horlitz, Chefarzt Kardiologie und Rhythmologie, Krankenhaus Porz

02 21/ 777 003 2852 Prof. Marc Horlitz, Chefarzt Kardiologie und Rhythmologie, Krankenhaus Porz

Prof. Ingo Ahrens

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Prof. Ingo Ahrens, Chefarzt Kardiologie und Intensivmedizin, Severinsklösterchen

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Prof. Ingo Ahrens, Chefarzt Kardiologie & Intensivmedizin, Severinsklösterchen  

Prof. Hannes Reuter

Reuter Portrait

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Prof. Hannes Reuter, Chefarzt Innere Medizin, Kardiologie, EVK Weyertal

Um welche Folgeschäden geht es denn?

Es können verschiedene Organe betroffen sein: Im Gehirn erhöht Bluthochdruck die Wahrscheinlichkeit für Schlaganfälle. Er erhöht aber auch die Wahrscheinlichkeit von Herz-Erkrankungen, wie Herzinfarkten oder Rhythmus-Störungen. Des weiteren schädigt der Bluthochdruck auch die Nieren, das kann zum kompletten Funktionsverlust führen und eine Dialyse notwendig machen. Auch die Augen können durch langjährigen Bluthochdruck leiden. Viele dieser Folgeschäden sind, wenn sie einmal eingetreten sind, nicht mehr umkehrbar.

Kann es sein, dass man über viele Jahre einen niedrigen Blutdruck hatte und dieser sich plötzlich ändert?

Ja, es kann durchaus sein, dass man in jungen und mittleren Jahren niedrige oder normale Blutdruckwerte hatte und dann erst im Alter einen Bluthochdruck entwickelt. Das liegt einfach daran, dass der Mensch altert und die Elastizität der Gefäße abnimmt. Sorgen sollte man sich jedoch machen, wenn der Blutdruck sehr plötzlich ansteigt, denn das kann andere Ursachen haben und sollte unbedingt abgeklärt werden. Das ist aber nur bei etwa fünf Prozent aller Bluthochdruck-Patienten der Fall.

Was könnten das für Ursachen sein?

Das könnte hormonelle Gründe haben, insbesondere eine Überproduktion des Hormons Aldosteron. Auch die Verengung der Nierengefäße kann Bluthochdruck verursachen. Außerdem können Patienten, die unter Schlaf-Apnoe leiden, also nächtliche Atemaussetzer haben, nachts einen sehr hohen Bluthochdruck haben.

Es können aber auch junge Menschen und sogar Kinder von Bluthochdruck betroffen sein, oder?

Ja, das ist aber sehr selten. Sollten junge Menschen oder Kinder Bluthochdruck entwickeln, erfordert das zwingend eine Abklärung auf sekundäre Ursachen. Diese können hormoneller Natur sein. Deswegen sind Spezialisten wie Endokrinologen, Kardiologen und Nephrologen die richtigen Anlaufstellen. Hilfreich ist sicherlich, wenn der Kinder- oder Hausarzt das Ganze koordiniert.

Nun haben wir viel über die Folgen von Bluthochdruck gesprochen. Wie gut ist die Volkskrankheit denn behandelbar?

Das ist die gute Nachricht: Bluthochdruck ist mit verschiedenen Medikamenten sehr gut behandelbar. Diese Medikamente sind in der Regel sehr gut verträglich und passend aufeinander abgestimmt. Prinzipiell ist aber wichtig, insbesondere bei leichtem Bluthochdruck, erst einmal seinen Lebensstil zu ändern, denn damit kann man den Blutdruck positiv beeinflussen. Dazu gehört: Verzicht oder Einschränkung von Nikotin und Alkohol; eine gesunde Ernährung, zum Beispiel mediterrane oder asiatische Kost; wenig Salz; und Bewegung. Regelmäßiger Sport ist sehr wichtig, am besten drei Mal pro Woche für mindestens für 30 Minuten. Für das Herz-Kreislauf-System sind Ausdauersportarten wie Laufen, zügiges Gehen, Fahrradfahren und Schwimmen besonders gut.

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Viele Bluthochdruckpatienten fürchten die Nebenwirkungen der Medikamente. Sind diese Sorgen berechtigt?

Prinzipiell ist es so, dass jedes Medikament auch eine Nebenwirkung machen kann. Für alle Blutdruckmittel, die wir einsetzen, gilt aber, dass die Nutzen-Risiko-Bilanz positiv sein muss. Alle Mittel sind gut geprüft und verlängern das Überleben erwiesenermaßen, das haben verschiedene große Studien bewiesen. Ich persönlich finde: Allein die Tatsache, dass man durch die Einnahme einer Tablette sein Überleben verlängert, ist doch ein sehr starkes Argument, das Mittel auch zu nehmen. Und sollte man ein Medikament nicht vertragen, gibt es immer die Möglichkeit, auf ein anderes Mittel zu wechseln.

Ich kenne Menschen, die schon seit ihrem 40. Lebensjahr Medikamente gegen Bluthochdruck einnehmen müssen. Die müssen das ja dann bis zu ihrem Lebensende tun. Ist es denn problematisch, wenn man über so viele Jahre ein Medikament einnimmt?

Nein, überhaupt nicht. Wir wissen aus jahrzehntelangen Beobachtungsstudien, dass das sogar sehr positive Effekte hat. Denn: Wenn man viele Jahre einem Bluthochdruck ausgesetzt ist und dieser nicht behandelt wird, verursacht das ja die beschriebenen Folgeerkrankungen. Ich kann verstehen, dass gerade junge Menschen diesen Reflex haben, einer regelmäßigen Tabletteneinnahme ablehnend gegenüber zu stehen. Aber dem gegenüber stehen die nachgewiesenen Vorteile einer Behandlung des Bluthochdrucks – und ein längeres Leben.

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