Medikament gegen Covid-19Was man bisher weiß und wer es einnehmen sollte

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Dexamethason könnte einer Studie zufolge zwar die Sterberate bei schweren Covid-19-Verläufen senken - prophylaktisch sollte man das Medikament aber keinesfalls einnehmen.

Oxford/ Berlin/ Köln – Anfang der Woche sorgte die Nachricht von britischen Ärzten, dass mit dem Wirkstoff Dexamethason ein Medikament gefunden wurde, welches die Überlebenschancen von Menschen mit einem sehr schweren Covid-19-Verlauf erhöht, für teils euphorische Reaktionen. Tedros Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO, begrüßte die vorläufigen Ergebnisse der britischen Studie als „großartige Neuigkeiten”.

Doch um was für ein Medikament handelt es sich bei Dexamethason überhaupt? Und was bedeutet es für den weiteren Verlauf der Corona-Krise ingesamt und für die Behandlung von beatmungspflichtigen Covid-19 Patienten speziell? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen rund um das Mittel und über das, was wir bereits darüber wissen, oder eben auch noch nicht:

Was ist Dexamethason für ein Medikament? Wofür wird es eingesetzt?

Bei Dexamethason handelt es sich um ein hochpotentes Cortison und es wird bereits seit mehr als 50 Jahren in der Medizin eingesetzt. Der Wirkstoff ist in vielen Medikamenten enthalten, die das Immunsystem unterdrücken, um allergische und entzündliche Prozesse zu stoppen. Er wird häufig bei rheumatischen Beschwerden und akuten Asthmaanfällen eingesetzt. Auch in der Krebstherapie wird der Wirkstoff oft angewendet, da seine entzündungshemmende Wirkung für den Rückgang von Schwellungen um Hirntumore sorgen kann. Ein großer Vorteil des Wirkstoffes ist seine kostengünstige Verfügbarkeit. Zudem könnte er sofort weltweit eingesetzt werden, da er bereits zugelassen ist. Verabreicht wird das Medikament entweder direkt über die Vene oder in Form von Tabletten.

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Glucocorticoide, zu denen auch Dexamethason zählt, können schwere Nebenwirkungen mit sich bringen. Vor allem eine länger andauernde Einnahme über mehrere Wochen hinweg kann zu schweren Folgeschäden führen. Dazu zählen unter anderem Muskelschwäche, Augenschäden, Osteoporose oder Bluthochdruck.

Ist es nicht gefährlich, dass das Medikament die Immunantwort des Körpers herabsetzt?

Bernd Salzberger, Bereichsleiter Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg und Präseident der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie, gibt im Gespräch mit der Deutschen Presseagentur zu bedenken, dass Dexamethason die Immunantwort gegen das Virus bremst. Dadurch könne der Wirkstoff dazu führen, dass das Virus langsamer vom Körper eliminiert wird.

Ein zusätzliches Risiko in der herabgesetzten Immunantwort liegt in der Anfälligkeit der mit Dexamethason behandelten Patienten für weitere Infektionen. Ist ein Mensch an mehreren schweren Infektionen erkrankt, spricht man von einer sogenannten Superinfektion. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie und Tropenmedizin in der München Klinik Schwabing, teilte der Deutschen Presseagentur mit, dass geprüft werden müsse, inwieweit der Mehrwert von Steroiden wie Dexamethason hinsichtlich der Sterberate mit schweren Infektionen anderer Art erkauft werden muss.

Wie wirkt das Medikament bei Covid-19?

Da bei schweren Covid-19-Verläufen eine Überreaktion des Immunsystems ein großes Problem ist, kann die immununterdrückende Wirkungsweise von Dexamethason gegen speziell diese Problematik helfen. Wie der Spiegel berichtete, entwickeln manche Betroffene einen sogenannten Zytokin-Sturm. Bei diesem steigert sich das Immunsystem sozusagen in einen hyperaktiven Zustand hinein, der lebensgefährlich ist. Im Rahmen der Studie an der britischen Oxford University wurden rund 2100 schwer erkrankte Covid-19 Patienten mit Dexamethason behandelt. Im Mittel konnte von je acht beatmungspflichtigen Patienten ein Todesfall verhindert werden. Bei Erkrankten, die Sauerstoff erhielten, sank die Sterblichkeit um ein Fünftel. Patienten, die keinen Sauerstoff benötigten, profitierten nicht von der Behandlung mit Dexamethason.

Wird das Medikament nun auch in Deutschland zur Behandlung von Covid-Patienten eingesetzt?

Vorerst nicht. In den am Dienstag aktualisierten Behandlungsrichtlinien wird das Medikament nicht einmal erwähnt. Dies hat den Grund, dass die vorläufigen Studienergebnisse aus England bisher weder in einem Fachjournal veröffentlicht wurden, noch von unabhängigen Experten begutachtet und geprüft wurden. Es gebe noch zu viele offene Fragen hinsichtlich möglicher Risiken des Medikaments. Experten warnen daher vor verfrühter Euphorie.

Sollte ich das Mittel vorsorglich einnehmen, um so einem schweren Krankheitsverlauf vorzubeugen?

Nein, Experten warnen davor, das Medikament vorbeugend einzunehmen. Da es sich bei Dexamethason um ein hochpotentes, verschreibungspflichtiges Cortison handele, das die Körperabwehr schwäche und somit den Körper generell anfälliger für Infektionen mache, sei eine vorbeugende Einnahme „unsinnig”, sagte Prof. Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.

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Was bedeuten die Studienergebnisse im Hinblick auf die Eindämmung des Coronavirus?

Sollten sich die Studienergebnisse der Forscher aus Oxford bestätigen und Dexamethason würde zur Behandlung von schwerstkranken Covid-19-Patienten eingesetzt, hätte dies lediglich Auswirkungen auf den Behandlungserfolg von bereits erkrankten Menschen. Einen Effekt auf das Verbreitungsgeschehen des Erregers Sars-CoV-2 hätte Dexamethason nicht. (mit dpa)

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