Intensivmediziner Gernot Marx„Die Pandemie wird in absehbarer Zeit überwunden sein”

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Masken, Abstand, Vorsicht: Was muss passieren, damit das alles vorbei ist?

Im Interview spricht Gernot Marx, Vorsitzender der deutschen Intensivmediziner, über die Impfkampagne und den kommenden Herbst.

Herr Prof. Marx, haben wir die Pandemie bald überwunden?

Das alles Entscheidende ist die Impfquote. Es ist toll, dass wir inzwischen so viele vollständig Geimpfte haben. Wenn 85 Prozent der Erwachsenen geimpft sind, dann haben wir es geschafft, so einfach ist die Formel. Es geht darum, Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, warum sich eine Impfung lohnt, wie es mit Risiko und Nutzen aussieht. Und wir müssen die Impfungen zu den Menschen bringen. Die Städte sollten einen Service-Gedanken an den Tag legen und dort Impfungen anbieten, wo sich Menschen aufhalten. Dazu kommt als Anreiz die Aussicht, gewisse Freiheiten zurückzuerlangen. Dieser Mehrklang wird die Impfkampagne zum Erfolg führen, da bin ich optimistisch. Und aus diesem Grund kann die Pandemie auch in absehbarer Zeit überwunden sein.

Sie sagten zuletzt, Corona werde auf Sicht vergleichbar mit der Grippe sein. Wie meinen Sie das?

Ich will das Virus keineswegs verharmlosen. Corona ist keine Grippe, das Virus verläuft schwerwiegender. Aber was ich meine: Langfristig wird das Coronavirus in unserem Leben an Schrecken verlieren und wie die Grippe in die kältere Jahreszeit gehören. Wir werden in gewissen Abständen dagegen geimpft, wir werden auf den Intensivstationen immer wieder Covid-Patienten behandeln. Hier wird es Schwankungen geben, im Herbst erleben wir sicherlich immer wieder Anstiege, aber eben nicht explosionsartig – wie bei der Grippe auch. Dieses Szenario tritt aber erst ein, wenn die Pandemie endgültig Vergangenheit ist, es ist das Szenario der kommenden Jahre.

In Köln wurden einzelne Fälle vollständig Geimpfter gemeldet, die an Covid sterben. Sehen Sie dieses Phänomen deutschlandweit?

Eine Impfung bietet selbstverständlich keinen hundertprozentigen Schutz, auch nicht vor schweren Verläufen. Relativ gesehen sind die schweren Verläufe nach Impfung allerdings Einzelfälle, auch in ganz Deutschland. Für die DIVI sind Covid-Todesfälle trotz vollständiger Impfungen bislang kein großes Thema.

Aus Köln hören wir, die Belastung der Intensivstationen sei auf einem erfreulichen Tiefpunkt. Gilt das auch deutschlandweit?

Den absoluten Tiefpunkt seit Beginn der Pandemie haben wir im vergangenen Sommer erreicht. Wir behandeln aktuell 453 Covid-Intensivpatienten in Deutschland. Die Zahl nimmt jeden Tag weiter ab.

Das könnte Sie auch interessieren:

Fast alle dieser Patienten haben sich in der dritten Welle infiziert, wir behandeln einige seit drei Monaten. Der Trend ist natürlich erfreulich, viele verschobene Operationen können deshalb aktuell aufgeholt werden.

Wie wird sich die vierte Welle auf die Intensivstationen auswirken?

In Großbritannien gibt es trotz hoher Infektionszahlen relativ wenig schwere Verläufe. Das ist sehr erfreulich. Doch es hängt auch von uns ab: Hygiene, hochwertige Masken und Tests helfen nachweislich. Die Ausgangslage ist deutlich besser als im vergangenen Sommer. Dazu kommen die Impfungen. Wenn wir jedoch unvorsichtig und impfmüde werden, können wir die erzielten Erfolge auch wieder verspielen, auch das ist im Bereich des Möglichen. Wir haben es in der Hand, dass die vierte Welle in jeder Hinsicht eine sehr flache wird – und dass wir die Pandemie bald hinter uns lassen.

KStA abonnieren