Robert F. Kennedy Juniors jüngste Entscheidung ist verstörend. Das politische Arrangement mit Donald Trump wird immer gefährlicher. Ein Gastbeitrag des Kölner Mediziners Gerd Fätkenheuer.
US-GesundheitspolitikEin erschreckendes Maß an Feigheit und Furcht vor Trump

US-Präsident Donald Trump und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.
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Aus den USA kommen wieder einmal verstörende Nachrichten, in diesem Fall gleich in mehrfacher Hinsicht. Der Beschluss von Gesundheitsminister Robert F. Kennedy jr., die Förderung der Impfstoffentwicklung zu sogenannten mRNA-Vakzinen gegen Atemwegserkrankungen wie Covid-19 und Influenza einzustellen, ignoriert den gesamten wissenschaftlichen Erkenntnisstand. Seine Behauptung, andere, ältere Technologien seien sicherer und erfolgversprechender, ist erwiesenermaßen falsch.
Nach Berechnungen einer Gruppe renommierter Wissenschaftler wurden durch die bei Corona erstmalig eingesetzten mRNA-Impfstoffe allein in Europa 1,6 Millionen Menschen gerettet.
Ihnen vor allem ist es auch zu verdanken, dass nicht noch viel mehr Menschen gestorben sind. Verstörend an Kennedys Entscheidung ist überdies, dass sie in gewissem Sinn folgerichtig ist: Seine Einstellung war schon vor seiner Übernahme des Ministeramts bekannt. Deshalb hatten im Dezember des vorigen Jahres 77 Nobelpreisträger aus Medizin, Chemie, Physik und Ökonomie den Kongress vor seiner Ernennung gewarnt. Nur mit einer äußerst knappen Mehrheit von 14 zu 13 Stimmen wurde er im Februar 2025 im Senat bestätigt. Hier lohnt sich noch einmal ein Rückblick, wie es dazu kam. Ausschlaggebend war die Stimme von Senator Bill Cassidy aus dem Bundesstaat Louisiana.
Cassidy, selbst Arzt, hatte Kennedy in der Vergangenheit wegen seiner sachlich falschen Äußerungen zu Impfungen heftig kritisiert. Unter anderem nahm er sehr klar Stellung gegen die auch von Kennedy verbreitete falsche Behauptung, die Masernimpfung verursache Autismus. Es war deshalb zunächst nicht abzusehen, dass Cassidy für Kennedy stimmen würde.
Am Ende tat er es und begründete das damit, dass er viel mit Kennedy gesprochen und von ihm eine ganze Reihe Zugeständnisse erhalten habe. Insbesondere habe Kennedy ihm zugesichert, die mit angesehenen Experten besetzte, bei der US-Gesundheitsbehörde CDC angesiedelte Impfkommission personell nicht zu verändern. Genau dies ist aber dann doch passiert.
Verunsicherung in der Bevölkerung erzeugen
Alle Mitglieder der Kommission wurden von Kennedy entlassen. Cassidy teilte daraufhin auf X mit, er werde eine Nachbesetzung mit ungeeigneten Personen verhindern. Dies stellte sich als leeres Versprechen heraus. Kennedys Kandidaten für das Gremium kommen zum Teil aus dem Lager der erklärten Impfgegner. Es ist absehbar, dass aus diesen Kreisen weiter unbegründete Zweifel an der Verlässlichkeit von Impfstoffen gesät werden, die in der Bevölkerung Verunsicherung erzeugen und die Akzeptanz von Impfungen senken werden.
Die Folge wird unnötiges Leid für viele Menschen sein, das durch Impfungen verhindert werden könnte. Wie aber ist es möglich, dass eine bisher so angesehene und wissenschaftlich orientierte Person wie Cassidy sich Schritt für Schritt einem gemeingefährlichen Politiker unterworfen hat? Cassidy ist hier nur ein Beispiel für viele andere politisch einflussreiche Personen in den USA, die sich gerade ähnlich verhalten und Rechtfertigungen für jeden noch so absurden Unsinn Donald Trumps und seiner Gefolgsleute aus dem Hut zaubern.
Unterwürfigkeit vor Trump
Es ist ein erschreckendes Maß an Feigheit, Unterwürfigkeit und Opportunismus zu beobachten. Politischer Druck und Furcht vor sozialem oder ökonomischem Abstieg scheinen die treibenden Kräfte dafür zu sein, sich mit Trumps Politik und ihren negativen Auswirkungen für die Mehrheit der Bevölkerung zu arrangieren.
Wäre dies hierzulande anders, wenn sich die politischen Verhältnisse änderten? Wir unterscheiden uns in Deutschland vermutlich von der Bevölkerung in den USA nicht so sehr, dass ein völlig anderes Verhalten zu erwarten wäre. Also ist zu befürchten, dass auch bei uns Wissenschaftler ihre Fahne nach dem Wind drehen würden, wenn er ihnen in Orkanstärke entgegenbliese. Noch etwas ist am Beispiel Cassidys zu beobachten.
Nicht in Zwangssituationen kommen
Seine Begründung für die Zustimmung zu Kennedy im Senat fußte offenbar auf der Annahme: Ich werde den Tiger schon bändigen! Mit dieser Strategie – wenn es denn eine war und nicht nur ein Vorwand – ist er kläglich gescheitert. Er gibt damit ein weiteres Beispiel dafür, dass es nicht hilft, den politischen Unruhestiftern mit ihren Lügen und Verdrehungen halbherzig entgegenzutreten. Sie werden dies nur als Bestärkung sehen und sich am Ende doch durchsetzen. Entscheidend ist deshalb, um im Bild zu bleiben, dass wir den Sturm verhindern, damit wir gar nicht erst in solche Zwangssituationen kommen.
Am besten schützen wir uns, indem wir uns für den Erhalt und die Stärkung einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft einsetzen. Eine freie, von politischen Einflüssen und Ideologien unabhängige Wissenschaft ist darin eine tragende Säule. Ich denke, dass die Wissenschaftler selbst hier eine besondere Verantwortung haben. Indem sie sich klar vernehmlich äußern, die Fakten öffentlich aufzeigen und Lügen als Lügen benennen, können sie einen wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft leisten.