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Frauen öfter betroffenDeutsche lassen sich häufiger wegen Migräne krankschreiben

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Eine Frau sitzt vor ihrem Laptop und hält die Hand vor Augen, weil sie Kopfschmerzen hat.

Frauen sind häufiger von Migräne betroffen als Männer. (Symbolbild)

Innerhalb der letzten 15 Jahre haben sich die Krankschreibungen wegen Migräne verdoppelt. CGRP-Antikörper können Betroffenen helfen.

Kopfschmerzattacken, gegen die man machtlos ist, hinzu kommen nicht selten Übelkeit, Empfindlichkeit gegen Licht und Geräusche: Es sind klassische Anzeichen eines Migräne-Anfalls – und die Deutschen gehen deshalb immer häufiger zum Arzt. Laut einer neuen Analyse der AOK Rheinland/Hamburg ist die Zahl der Krankschreibungen innerhalb der vergangenen 15 Jahre um fast 150 Prozent gestiegen, die Fehltage haben sich in diesem Zeitraum verdoppelt.

Die Analyse zeigt auch: Frauen sind stärker betroffen als Männer und sie fallen häufiger an ihrem Arbeitsplatz aus. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts leiden rund 15 Prozent der Frauen und 6 Prozent der Männer unter Migräne.

Migräne: Betroffene brauchen Verständnis

Die genauen Ursachen für Migräne-Attacken sind derzeit noch unbekannt, Wetterumschwünge im Herbst können zum Beispiel eine Rolle spielen. Laut der World Health Organization (WHO) geht man davon aus, dass Migräne durch die Freisetzung von Entzündungsstoffen um die Nerven und Blutgefäße des Kopfes herum entsteht.

„Wenn ein Familienmitglied unter Migräne leidet, wirkt sich das nicht nur auf das Berufsleben aus, sondern auch auf den Alltag der gesamten Familie“, sagt Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg. Insbesondere, wenn Migräne häufig auftrete, sei es wichtig, dass die Familie der Person mit Verständnis begegne. „Entscheidend ist, die Betroffenen nicht allein zu lassen, sondern sie aktiv bei dieser gesundheitlichen Herausforderung zu unterstützen“, so Deutscher.

Betroffen sind oft Menschen im Alter von 35 bis 45 Jahren

Migräne hält nach Angaben der WHO zwischen vier und 72 Stunden an. Meist tritt sie in der Pubertät erstmalig auf und betrifft dann in der Regel Menschen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren. Die Stärke der Symptomatik mache eine berufliche Aktivität größtenteils unmöglich, die Lebensqualität der Betroffenen sei stark eingeschränkt, teilt die AOK Rheinland/Hamburg mit.

Im Jahr 2024 hat die Gesundheitskasse bei weiblichen Versicherten 5,33 Krankschreibungen je 100 Versicherte verzeichnet und damit 175 Prozent mehr als bei den männlichen Versicherten. Sie kamen auf 1,94 Krankschreibungen je 100 Versicherte. Die durchschnittlichen Fehlzeiten sind in den vergangenen Jahren allerdings rückläufig gewesen.

Die Fehltage sind gestiegen, die Fehlzeiten gesunken

Zwischen 2022 und 2024 ist zwar die Zahl der Migräne-Krankschreibungen um mehr als 38 Prozent gestiegen, die durchschnittliche Fehlzeit hat aber um 10,6 Prozent abgenommen. Die Versicherten waren also zwar öfter wegen Migräne krankgeschrieben, der Zeitraum, in dem sie auf der Arbeit fehlten, war aber kürzer.

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für Arbeitnehmer im Falle einer Krankschreibung durch den Arzt.

Die Anzahl der Krankschreibungen hat sich zwar erhöht, die durchschnittliche Fehlzeit ist jedoch gesunken.

„Neben einer verbesserten Diagnostik sowie einer höheren Sensibilisierung für die Erkrankung wirkt sich sicherlich die Einführung der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf die Zahlen aus“, sagt Merit Kirch, Geschäftsführerin des Instituts für betriebliche Gesundheitsförderung der AOK Rheinland/Hamburg. Kürzere Migräne-Anfälle würden somit häufiger erfasst.

Medikamente mit CGRP-Antikörpern helfen Migräne-Patienten

Kirch nennt als Ursache für die Zunahme der Krankschreibungen wegen Migräne außerdem Post-Covid-Kopfschmerzen sowie klimatisch bedingte Kopfschmerzen. Also solche, die auf öfter eintretende und extreme Wetterumschwünge zurückgehen. „Darüber hinaus wird vermutet, dass der andauernde globale Krisenmodus mit Wirtschaftskrisen, Kriegen und dem Klimawandel stressbedingte Migräne-Fälle begünstigt“, sagt Kirch.

Doch die Versorgungslücke in der Behandlung von Migräne wird kleiner: Medikamente mit CGRP-Antikörpern, die seit kurzem zur Verfügung stehen, sind hier laut Studien sehr wirksam. Lange habe man mit Mitteln gegen Bluthochdruck oder Epilepsie arbeiten müssen, die massive Nebenwirkungen haben, sagt der Präsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, Lars Neeb. Allerdings dürften die neuen Medikamente erst im späteren Krankheitsverlauf eingesetzt werden. „Diese starren Vorgaben sollten angepasst werden, um individuell gegensteuern zu können.“

Rund 23 Millionen Deutsche leiden unter chronischen Schmerzen

Hilfreich sei bei Migräne zudem grundsätzlich Ausdauersport, sagt der Psychiater und Kopfschmerz-Experte Thomas Dresler von dem Universitätsklinikum Tübingen. Im Projekt „Migra-MD“, das derzeit anläuft, könnten zudem Ernährungstagebücher geführt und Zusammenhänge etwa zwischen Blutzuckerschwankungen und Migräne-Attacken festgestellt werden. Es umfasst auch Kopfschmerzkalender und Fragebögen; Betroffene sollen ab dem Frühjahr teilnehmen können und über die Plattform auch Informationen über ihre Erkrankung erhalten.

Insgesamt leiden hierzulande laut Deutscher Schmerzgesellschaft rund 23 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen; das entspricht einem guten Viertel der Bürger (28 Prozent). Davon sind 6 Millionen Menschen im Alltag stark eingeschränkt und 3,4 Millionen gelten als schwer schmerzkrank. (mit kna)