Schiene, Kopfband, WesteWas taugen diese ungewöhnlichen Hilfsmittel gegen Schnarchen?

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Bringt ein Anti-Schnarch-Band Ruhe ins Schlafzimmer? 

Köln – Die Nacht war kurz – und gleichzeitig sehr lang. Denn während er im Schlaf einen ganzen kanadischen Wald abgeholzt hat, hat sie sich von einer Seite zur anderen gewälzt, die Decke über den Kopf gezogen, Ohrenstöpsel aus dem Bad geholt – und dann doch nur wenige Stunden Schlaf gefunden. Schnarchen ist ein weit verbreitetes Phänomen und eine echte Belastungsprobe für Paare, die zusammenleben und -schlafen. Und ja: Die Pronomen in unserem Beispiel haben wir mit Absicht gewählt. Denn auch, wenn es keine konkreten Zahlen gibt, ja, nicht mal eine eindeutige Definition von Schnarchen, so gehen Experten doch davon aus, dass es eher die Männer sind, die es tun. „Das ist für die Mitmenschen belastend, aber auch der Schnarchende selbst steht unter einem hohen emotionalen Druck“, sagt Lea Lukas, Redakteurin bei „Stiftung Warentest“. Und weil eben nicht jedes Paar getrennte Schlafzimmer will – oder überhaupt die Möglichkeit dazu hat, boomt das Geschäft mit den verschiedensten Hilfsmitteln, die das Schnarchen verhindern sollen. Doch: Taugen die was?

Lea Lukas

Redakteurin Lea Lukas

„Wir beobachten generell die Märkte und dort haben wir viele, auch ungewöhnliche Produkte gegen das Schnarchen entdeckt. Das Interesse daran scheint groß zu sein“, so Lea Lukas. Grund genug für die Stiftung Warentest, einige dieser Produkte einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Mit Hilfe eines professionellen Gutachters, der selbst Hals-Nasen-Ohrenarzt und Schlafmediziner ist, hat das Team um Lukas 23 Hilfsmittel untersucht und anhand von Studien auf ihre Eignung geprüft.

Welche Produkte wurden getestet?

Die Produkte, die in vielen Fällen wohl eher den Namen Folterinstrumente verdienen, sind für verschiedene Körperpartien geeignet. So wurden etwa Hilfsmittel getestet, die die Nase freihalten sollen – dazu zählen Nasenspreizer, die man wie eine winzige Wäscheklammer in beiden Nasenlöchern befestigt. Zahn-Schienen und -Spangen sollen verhindern, dass der Unterkiefer nach hinten rutscht und so die Atemwege verengt. Anti-Schnarch-Bänder, die ein bisschen wie ein Stirnband aussehen, allerdings vom Kinn über die Ohren bis in den Hinterkopf gezogen werden, sollen dafür sorgen, dass der Mund während des Schlafes geschlossen bleibt.

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Solche Zahnschienen sollen das Schnarchen verhindern.

Und schließlich gibt es noch unförmige Westen und Rucksäcke, die in der Nacht getragen werden, und verhindern sollen, dass der Schnarcher unbewusst in die Rückenlange wechselt. Hört sich hart an. Findet Lea Lukas auch: „Diese Rucksäcke und Westen fand ich wirklich ungewöhnlich. Doch, so merkwürdig diese Produkte gegen die Rückenlage auch anmuten – sie erfüllen tatsächlich ihren Zweck.“ Am absurdesten fand sie persönlich jedoch einen kleinen Fingerring, der durch Akupressur das Schnarchen unterbinden soll. „Es wäre schön, wenn es so einfach funktionieren würde“, sagt sie und lacht. „Doch uns liegen leider keine Studien vor, die den Nutzen dieser Ringe belegen würden.“

Wie viele Menschen nutzen das?

Bei so viel Folter fragt man sich automatisch: Bei wie vielen Menschen ist der Leidensdruck so hoch, dass sie diese Produkte auch wirklich nutzen? Zahlen kann die Stiftung Warentest dazu nicht liefern. Doch: „Allein, dass diese Produkte in vielen Foren diskutiert werden und dass sie in Online-Apotheken oder bei Amazon erhältlich sind, zeigt ja, dass sie offenbar gekauft und genutzt werden“, sagt Lea Lukas. Für die Anti-Schnarch-Mittel muss man sich also nicht in die Tiefen des Internets begeben. Und oft reicht sogar schon der Gang in den Drogeriemarkt. Hier gibt es etwa spezielle Pflaster, die von außen auf den Nasenrücken geklebt werden – und so den Naseneingang freihalten sollen. Im Gegensatz zu den Mini-Wäscheklammern attestiert die Stiftung Warentest diesen Pflastern aber nur eine sehr geringe Wirkung. 

Wie haben die Produkte insgesamt abgeschnitten?

Nun folgt die große Ernüchterung: Keine der Produktgruppen für verschiedene Körperpartien empfiehlt die Stiftung Warentest als vollständig geeignet. Die beste Note lautet „Mit Einschränkung geeignet“ – diese wird etwa den Nasenklammern oder manchen Zahnschienen zuteil. Allerdings dürfe man solche Mittel nur nach Absprache mit dem Hals-Nasen-Ohrenarzt oder dem Zahnarzt anwenden. Die Zensur „Nicht geeignet“ bekommen neben dem ominösen Ring etwa die Anti-Schnarch-Bänder. Sie könnten im schlimmsten Fall sogar dazu führen, dass der Unterkiefer weiter nach hinten rutscht – und das Schnarchen noch lauter wird, warnt die Stiftung Warentest. Also quält man sich umsonst? „Ich kann verstehen, dass man als Laie möglicherweise enttäuscht von diesem Ergebnis ist“, sagt Lea Lukas. „Aber für uns, die das Thema im Vorfeld ausführlich bearbeitet haben, war das Ergebnis nicht überraschend.“

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Wenn ein Partner schnarcht, kann das zur Belastungsprobe für die Beziehung werden.  

Denn es gebe eben nicht das Allheilmittel gegen Schnarchen. „Das liegt einfach daran, dass Schnarchen so viele verschiedene Ursachen haben kann“, sagt die Redakteurin. Und bevor man sich die Zahnschiene in den Mund schiebt oder die Weste um den Rücken schnallt, muss man eben wissen, aus welchem Grund man überhaupt schnarcht. „Dafür muss man sich wirklich auf eine Spurensuche begeben und erstmal analysieren: Was verursacht mein Schnarchen? Nur dann kann man ein passendes Hilfsmittel finden.“

Was können Ursachen für das Schnarchen sein?

Ganz einfach herauszufinden, sei das nicht, gibt Lukas zu – „schließlich schläft man währenddessen ja.“ Deswegen empfiehlt sie, die Partnerin oder den Partner einzubeziehen und zu bitten, darauf zu achten, in welcher Schlafsituationen und Liegeposition man überhaupt schnarcht. Ist es vor allem in Rückenlage? Rutscht der Unterkiefer nach hinten? Ist die Nase ständig zu? Sie rät dazu, sich auch vom Arzt untersuchen zu lassen, um mögliche Ursachen abzuklären und andere Erkrankungen auszuschließen. Hals-Nasen-Ohren-Arzt, Lungenfacharzt, Zahnarzt, Schlafmediziner oder Hausarzt sind hier die richtigen Ansprechpartner. Denn: Auch Vorerkrankungen wie Asthma oder anatomische Einschränkungen im vorderen Nasenbereich können das Schnarchen verursachen. Und da hilft dann auch die Anti-Schnarch-Weste nicht mehr.

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„Aber auch die Lebensgewohnheiten können Einfluss auf das Schnarchen haben“, erklärt Lea Lukas. Rauchen etwa kann dazu führen, dass man schlechter atmen kann – oder eben Geräusche dabei macht. Alkohol am Abend wirkt entspannend und kann Schnarchen so zusätzlich begünstigen. Gleiches gilt übrigens für Beruhigungsmittel und andere Medikamente, die eine muskelentspannende Wirkung haben. Auch Übergewicht begünstigt Schnarchen. Vielleicht also braucht es gar keine Folterinstrumente für die nächtliche Ruhe – sondern einfach nur einen gesünderen Lebenswandel. Lea Lukas macht Betroffenen auf jeden Fall Mut: „Man muss sich nicht mit dem Schnarchen abfinden – man selbst kann viel in Bewegung setzen.“

Eine Frage müssen wir zum Schluss aber noch klären: Warum schnarchen Männer denn nun eher als Frauen? „Männer setzen tendenziell leichter Fett im Halsbereich an als Frauen“, erklärt Lukas. Das wiederum kann vor allem im Liegen den Rachenraum verengen – und für die lästige Geräuschkulisse im Schlafzimmer sorgen. 

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