Erste Vermessung in den USASo viel wiegt das Immunsystem eines gesunden Mannes

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Symbolbild Antikörper

Immunzellen müssen zahlreiche Aufgaben erfüllen, zum Beispiel giftige Substanzen beseitigen und Krankheitserreger abtöten.

In seiner Medizin-Kolumne „Aus der Praxis“ erklärt Magnus Heier anhand einer Studie, wie unser Immunsystem arbeitet.  

Beim Immunsystem fallen uns zunächst vielleicht entzündete Mandeln ein. Oder Fieber. Oder geschwollene Lymphknoten. Alles richtig. Das Immunsystem ist ein Organ – wenn man es denn so bezeichnen will –, das dezentral über den ganzen Körper verteilt ist.

Es findet sich tatsächlich etwa in den Lymphknoten oder auch in der Milz. In der Leber und eben auch in den „Mandeln“ (medizinisch eigentlich Tonsillen). Vor allem auch im Knochenmark. Und überall dort, wo das Blut hinkommt, denn Blut transportiert ebenfalls Immunzellen. Das Immunsystem ist ein dezentrales Organ.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“.

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Deshalb ist es überaus schwierig, das Immunsystem zu wiegen und zu zählen. Bei Herz und Hirn, Leber und Lunge sind Größe und Gewicht lange gemessen, Durchschnittswerte und Abweichungen bekannt. Beim Immunsystem war das bisher anders.

Aber jetzt haben Forscher der Universität von Washington im amerikanischen Seattle auch das Immunsystem vermessen. Auch hier gibt es natürlich individuelle Unterschiede. Deshalb haben sie ihre Zahlen auf einen gesunden, 73 Kilogramm schweren Mann hochgerechnet. Eine infizierte oder eine schwerere Person hätte andere Werte.

Und auch Frauen und Männer dürften sich unterscheiden – weitere Werte werden vermutlich bald folgen. Die aufregende Zahl: Das Immunsystem dieses statistischen Durchschnittsmannes wiegt 1,2 Kilogramm. Das klingt nicht nach viel. Aber die Wissenschaftler haben auch gezählt (und wiederum hochgerechnet): Sein Immunsystem besteht aus 1,8 Billionen Zellen (eine Billion hat zwölf Nullen). Zum Vergleich: Das Gehirn hat „nur“ 83 Milliarden Nervenzellen.

Zahlreiche Aufgaben: Das machen die 1,8 Billionen Zellen des Immunsystems

Aber es wird noch komplizierter: Die Forscherinnen und Forscher haben auch die Typen dieser 1,8 Billionen Zellen bestimmt und stießen auf zahlreiche unterschiedliche Zellen – elf davon haben sie bei ihrer Untersuchung unterschieden und gezählt.

Es gibt aber sehr viel mehr Unterklassen. Was wenig überrascht, weil das Immunsystem zahlreiche Aufgaben zu erfüllen hat. Es muss giftige Substanzen beseitigen. Es muss Krankheitserreger abtöten. Es muss erkennen, was giftig und bedrohlich ist und was nicht. Es muss erkennen, was zum eigenen Körper gehört und geschützt werden muss. Und was gefährlich ist.

Geht diese Unterscheidung schief, kann das Immunsystem Teile des eigenen Körpers angreifen, wie es bei sogenannten Autoimmunerkrankungen passiert – etwa bei Multipler Sklerose, bei der das Immunsystem die Hüllen von Nervenzellen beschädigt. Ist eine Zelle eine gesunde Körperzelle oder eine gefährliche Krebszelle? Die Unterscheidung funktioniert fast immer.

Die Forscher haben sich schließlich noch eine spannende Frage gestellt: Welches ist das Organ mit der größten immunologischen Aktivität? Der Darm? Die Lymphknoten? Die Haut? Es ist das Knochenmark. Hier finden sich 400 Gramm Immunzellen (das sind 700 Milliarden Zellen). Das Blut hat nur zehn Gramm Immunzellen, die Haut immerhin 80 Gramm (und damit 80 Milliarden Zellen). Das Immunsystem ist ein erstaunliches Organ.

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