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Tipps vom SportpsychologenWenn es an Motivation fehlt: So klappt es mit der Laufrunde im Winter

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Auch bei Schnee und Eis ist sie draußen: Dieser Läuferin dürfte helfen, dass ihr Hund ohnehin vor die Tür muss. . RND

Auch bei Schnee und Eis ist sie draußen: Dieser Läuferin dürfte helfen, dass ihr Hund ohnehin vor die Tür muss. . RND

Eisige Temperaturen und Dunkelheit lassen die Motivation fürs Laufen im Winter schnell schwinden. Der Sportpsychologe Oliver Stoll verrät, mit welchen Tricks Hobbyläufer ihren inneren Schweinehund überlisten können.

Mal ehrlich: Jetzt im Winter haben selbst die leidenschaftlichsten Hobbyläuferinnen und -läufer manchmal mit ihrem inneren Schweinehund zu kämpfen. Sich bei Minusgraden die Laufschuhe anzuziehen, kann einiges an Überwindung kosten. Besonders, wenn noch andere widrige Umstände hinzukommen: Eisregen oder gar Schnee, dazu kalte, schneidige Winde. Und zappenduster ist es auch noch häufig.

Gerade jetzt, in der Vorweihnachtszeit, locken in der Freizeitgestaltung obendrein Alternativen, die selbst engagiertesten Läufern zum Verhängnis werden können. Ein heißer Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt etwa. Das weiß auch der Leipziger Sportpsychologe Oliver Stoll. Er hat Tipps parat, die Hobbyläufern dabei helfen, im Winter die eigene Motivation nicht zu verlieren.

Auf den Punkt

Stolls wichtigster Ratschlag: „Bloß nicht lange hin und her überlegen!“ Statt dreimal in die Wetter-App zu schauen, ob es nicht später noch ein paar Grad wärmer sein könnte oder der Nieselregen aufhört, einfach anziehen und loslaufen.

Wie warm sich jemand angesichts frostiger Temperaturen anziehen mag, ist nach Einschätzung des Experten individuell höchst unterschiedlich. Im Vorteil ist jedoch der, dessen Kleiderschrank neben langärmeligen Sportshirts und Läuferjacke auch eine Mütze und Handschuhe bereithält. Schon nachdem eine kurze Strecke zurückgelegt sei, werde es einem wärmer. Es sei vor allem ein Anfangswiderstand, der überwunden werden wolle.

Abstriche können Sportler an besonders kalten Tagen zudem an der anvisierten Distanz machen. Vielleicht ist für den Longrun, für den man zwei Stunden und mehr draußen unterwegs sein würde, auch an einem anderen Tag noch Zeit, an dem es etwas milder sein wird. Meist jedoch, gibt Stoll zu bedenken, könnten Läuferinnen und Läufer die richtig große Runde zeitlich nur am Wochenende einrichten. Dann falle das Gesamtpensum in der Woche vielleicht etwas geringer aus – nicht aber lässt man alle Aktivitäten ausfallen. Die Kunst sei, mit sich selbst einen Kompromiss auszuhandeln.

Einige Menschen können ihre Arbeitszeit zudem flexibel einteilen, oder sie arbeiten im Schichtdienst. Das ermöglicht ihnen, Läufe dann zu absolvieren, wenn es hell ist. Das kann ebenfalls ein Booster für die Motivation sein!

Die Verabredung in der Laufgruppe kann helfen

„Manchen hilft auch, wenn sie sich mit anderen zum Laufen verabreden“, sagt unser Experte. Laufgruppen gibt es in vielen Städten und Gemeinden, über das Internet lassen sich andere Laufbegeisterte in der eigenen Region leicht ausfindig machen. Hat man seine Teilnahme einmal zugesagt, steht man den anderen gegenüber gewissermaßen in der Pflicht. Wenn man gemeinsam läuft, kann man zudem zusammen übers Laufen fachsimpeln – oder über andere Themen klönen.

Zudem gibt es Apps, in denen man seine eigenen sportlichen Leistungen aufzeichnen und mit anderen teilen kann, zum Beispiel Strava. Dort Likes zu bekommen, auch „Kudos” genannt, kann den ein oder anderen dazu bringen, sich vom Sofa aufzuraffen und loszulaufen. Schließlich will man nicht als die Frostbeule im Freundeskreis gelten, die sich als einzige nicht vor die Tür traut. Stoll stellt aber klar: Wer generell keinen Spaß am Laufen hat, den wird auch die Aufmerksamkeit anderer nicht zu Höchstleistungen antreiben. „Ohne intrinsische Motivation klappt das Training im Alltag nicht.“

Wem Laufen grundsätzlich jedoch Spaß macht, dem falle es im Grunde auch im Winter leicht, sich selbst zu motivieren. Etwa, indem er sich vor Augen hält, wie wohl er sich fühlen wird, wenn er von seiner Runde zurückkommt, sagt Stoll. Unter anderem verweist er hier auf den Entspannungseffekt, den ein ganz normaler Trainingslauf in der Regel habe. Der Grund dafür ist, simpel ausgedrückt, dass der Läufer seine Muskulatur erwärmt und die Wärme schlichtweg guttut. Auch und gerade im Winter.

Wenn jemand sehr schnell unterwegs ist, fährt zudem der präfrontale Cortex etwas herunter. Bei Läufern, die vollkommen im Flow sind, beginnt die Wahrnehmung von Zeit und Raum zu verschwimmen. Teils erreichen sie sogar ein sogenanntes Runner’s High, also einen schmerzfreien und euphorischen Gemütszustand.

„Laufen kann in jedem Fall dabei helfen, Stress abzubauen und aus dem Gedankenkarussell auszubrechen“, sagt der Hochschullehrer. Und wer sich sportlich verausgabt hat, ist abends auch gut müde und schläft besser. Passionierte Läuferinnen und Läufer wissen all das aus eigener Erfahrung. Und sich diese Vorteile des Laufsports in diesen winterlichen Tagen wieder und wieder ins Bewusstsein zu rufen, kann den Wunsch stimulieren, selbst bei eher widrigen klimatischen Bedingungen ein paar Kilometer im Turnschuh zurückzulegen.

Gelegentlich kann man sich selbst mit Pizza ködern

Für den Sportpsychologen spricht auch nichts dagegen, sich gelegentlich selbst für die eigene Laufdisziplin zu belohnen: „Wenn es einem einmal richtig schwerfällt, loszulaufen, dann darf man sich auch selbst mit der Aussicht auf eine Pizza und Bier am Abend ködern.“ Wer regelmäßig läuft, hat einen hohen Kalorienumsatz. Groß ansetzen wird die Belohnung also eher nicht.

Sogar neue Laufschuhe können ein Anreiz sein, sagt Stoll. Insbesondere dann, wenn man beispielsweise bewusst einen anderen Hersteller ausprobieren will, von dem man bisher noch keine Produkte besaß, aber nur Gutes gehört hat.

Langanhaltend ist der motivierende Effekt in diesem Fall aber leider nicht: Schon nach zwei, drei Läufen dürfte das Gefühl des Neuen verflogen sein. „Wenn man das zu oft macht, hat man schnell hundert Paar Schuhe zu Hause stehen und das Konto ist leer“, fasst Stoll augenzwinkernd zusammen.

Was hilft sonst noch? Hundebesitzer wissen, dass ihr Vierbeiner auch bei kaltem Wetter Gassi gehen will. Je nach Rasse eignet sich die Fellnase auch für gemeinsame Läufe. Wer eine solche Routine entwickelt hat, dem kann sie auch im Winterhalbjahr helfen.

Zudem ist es gut, Ziele zu haben: Die Anmeldung zu einem (Halb-) Marathon oder einem 10-Kilometer-Lauf kann eine solches sein, und mit der anstehenden Teilnahme an dem sportlichen Wettbewerb vor Augen wächst die Trainingsdisziplin, weiß der Autor dieses Textes aus eigener Erfahrung.

Musik ist okay, falls es einem sonst zu langweilig wird

Abschließend muss noch eine der Fragen geklärt werden, die die weltweite Laufcommunity förmlich in zwei Lager zu spalten scheint. Nämlich die, ob es okay ist, mit Musik im Ohr laufen zu gehen – oder ob das gar nicht geht.

Unser Experte sagt: Bei Wettkämpfen sind Kopfhörer aus guten Gründen verboten. Läufer dürfen hier schon zu ihrer eigenen Sicherheit nicht durch die Musik abgelenkt werden. Und Tabu sind sie auch, wenn ein spezielles Trainingsprogramm ansteht, etwa Intervalle. „Dann muss ich als Läufer mein Tempo bewusst regulieren“, erläutert Stoll. Außerdem muss er dann seine Herzfrequenz im Blick behalten. Gibt einem da die Musik ihren Rhythmus vor, dann stört das und ist kontraproduktiv.

Doch es gibt auch Situationen, in denen es nach Ansicht von Stoll legitim ist, mit Kopfhörern laufen zu gehen. Zum Beispiel, wenn sich jemand auf einen Marathon vorbereitet und ein langer Lauf über mehrere Stunden ansteht. Die Strecke ist bekannt und flach, das Tempo moderat. Im Grunde geht es nur darum, Kilometer zu machen – was für viele Hobbyläuferinnen und -läufer schnell langweilig werden kann. „Bei so einem Longrun höre ich auch mal einen Podcast oder lasse meine eigene Playlist laufen“, sagt Stoll.