Kommentar zu Fleischfabriken und CoronaEs gibt kein Recht auf Billig-Schnitzel

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Schweine Schlachthof

Schweine in einem Schlachthof

  • Beim Fleischproduzenten Tönnies in Rheda-Wiedenbrück haben sich über 600 Mitarbeiter mit dem Coronavirus infiziert.
  • Die Coronakrise rückt die Zustände in Schlachthöfen und in der Nahrungsmittelproduktion in den Fokus.
  • Ein Kommentar

Eigentlich war es längst überfällig. Aber wie es in der Realität so oft ist, muss sich eine Situation häufig erst krisenhaft zuspitzen, damit sie genug öffentliche Aufmerksamkeit erhält. So geschieht es gerade lehrbuchmäßig bei den Themen Billigfleisch und Massentierhaltung. Erst die Corona-Krise wirft ein Schlaglicht auf Zustände, die uns allen längst bewusst waren oder hätten sein müssen, die leider aber oft und schnell aus Gründen der Bequemlichkeit verdrängt wurden.

Nun ist beim NRW-Unternehmen Tönnies mit weit mehr als 600 Infizierten ein neuer krasser Corona-Ausbruch aufgetreten. Seit Mittwoch sehen wir in den TV-Nachrichten und im Internet wieder halbe Schweine, die als Massenprodukt von emsigen Arbeitern am Fließband zerteilt werden. Wir sehen Lkw, die in Schlangen auf Einlass in die Fleischfabrik warten, beladen mit unzähligen unglücklichen Schweinen, die auf drei Etagen dicht an dicht gepfercht ihrem Ende am Haken entgegenblicken. Es ist davon auszugehen, dass ihr Leben bis zum Transport auch nicht immer artgerecht verlief.

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Und auch wenn es in Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch natürlich nicht in erster Linie um die Schweine geht, sondern um die Menschen, die häufig unter schlechten Bedingungen in den Fleischfabriken arbeiten und sich in ihren Unterkünften infizieren: Das zugrundeliegende System macht letztendlich die unfassbar niedrigen Fleischpreise in Deutschland überhaupt erst möglich.

Fleisch sollte teurer werden

Nun heißt es, die weitgehende Schließung des Schlacht-Giganten Tönnies für die Dauer von mehr als einer Woche könnte sich auf den gesamten deutschen Markt auswirken. Und jetzt? Werden wir verhungern? Nein, denn Fleisch, von dem laut Empfehlung von Gesundheitsexperten eigentlich nur bis zu 600 Gramm pro Woche verzehrt werden sollte, ist zwar zu einem Massenprodukt geworden.

Aber lebensnotwendig ist es im Gegensatz zu vielen anderen Nahrungsmitteln nicht. Viel ist darüber bereits geschrieben und gesprochen worden, dass die allermeisten von uns zu viel Fleisch und Wurst zu sich nehmen. Ein Luxusgut ist es heutzutage – im Vergleich mit früheren Generationen – schon lange nicht mehr.

Sollte es das aber vielleicht – in Maßen – wieder werden? Lebensmittel wie Getreide, Gemüse, Obst und Milchprodukte sind gesünder, schädigen die Umwelt weitaus weniger und unterstützen ausbeuterische Arbeitsbedingungen nicht in diesem Maße.

Wenn die Coronakrise also dazu führen sollte, dass sich die Fleischpreise erhöhen, weil das System der Werksverträge verboten wird und hoffentlich ein Umdenken der Verbraucher einsetzt, dann ist das zu begrüßen. Denn ein Recht auf Billig-Schnitzel für 1,99 Euro gibt es nicht.

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