StilkolumneEr ist wieder da – der Pullunder ist das Pendant zur Übergangsjacke

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Symbolbild Pullunder

Der Pullunder ist wieder da.

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Diesmal schreibt Eva Reik über den Pullunder. Nachdem der 40 Jahre nahezu verschwunden war, kehrt er jetzt in vielfältigen Varianten zurück. Ein Plädoyer für den zu jeder Jahreszeit ideal wärmenden Begleiter.

Köln – Wenn im Halbjahresrhythmus die vereinte Fashion-Szene ausruft „Der Leopard ist zurück!“, dann kann man entweder lachen – oder sich fragen: Wie lange muss das Wildkatzenmuster im schnelllebigen Modebusiness denn weggewesen sein, damit sein Comeback alle sechs Monate neu bejubelt werden kann? Genügt eine kleine Pause, etwa wenn der Print für eine kurze Zwischenkollektion aussetzen musste? Ist ein August schon hinreichend? Vier lange Wochen, während sich die Blase im Kollektiv auf hippen Mittelmeerinseln in Bikinis und Tuniken im Sand räkelt, um sich danach karamellgebräunt den Leo-Look neu überzuwerfen?

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Modeexpertin Eva Reik

Entschuldigung, aber das inflationäre Geschrei über die Rückkehr scheinbarer Trends kann mitunter langweilen. Ähnlich verhält es sich übrigens mit Snake-Prints oder Schlaghosen, die dann – je nach gerade tickendem Zeitgeist – als Bootleg-Jeans oder Flared Jeans ausgegeben werden. Merke: Lässige Ladys haben sie sowieso im Schrank, tragen Schlangenlederschuhe, wann es ihnen passt, und Leo-Print, wenn sie sich danach fühlen. Weil sie Trends grundsätzlich mit einem leichten Zucken der Mundwinkel milde belächeln, egal, was die Szene gerade ausruft.

Über 40 Jahre lang war der Pullunder nicht zu haben

Deshalb werden sie angesichts des wirklich, wirklich neuen Comebacks vermutlich auch nicht gleich ausrasten. Die Rede ist vom Pullunder. Den haben Vorausschauende entweder als Modelle ihrer Eltern konserviert, bei Bedarf selbst welche gestrickt oder einen Pullover gekauft und die Ärmel abgeschnitten. Aber in der Tat: Der Pullunder ist zurück. Applaus und Geschrei! Denn er war nicht nur ein, zwei Sommerferien lang von der Bildfläche verschwunden. Er war einfach weg. Abgesehen von den paar wenigen Modellen in den Seniorenabteilungen. Mit viel Glück konnte man auch bei exklusiven schottischen Strickbetrieben fündig werden. Grundsätzlich war der ärmellose Pullover aber 40 Jahre nicht zu haben, wenn man mal von einem kurzen Aufpoppen in den 1990ern absieht.

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Jetzt kehrte er auf den Schauen für Frühjahr/Sommer 2021 bei Louis Vuitton, Etro und Balmain zurück auf die große Bühne – und von da aus, wie eigentlich immer nach solch fulminanter Einführung, in alle Kollektionen. Schön, freuen wir uns. Er wird uns jetzt ein treuer Begleiter werden. Denn im Gegensatz zu seinem Bruder mit Ärmeln verursacht ein Pullunder keinen Hitzestau, sondern ist ein wärmender, niemals lästiger Begleiter im Herbst und im Frühjahr.

Nichts Halbes und nichts Ganzes, selten sexy? Damit ist es vorbei

Ein Pullunder ist das Pendant zur Übergangsjacke. Nichts Halbes und nichts Ganzes, könnte man auch sagen. Wenn man ihn nicht cropped, also bauchfrei, trägt, ist er selten sexy. Kommt er nicht in schreienden Farben daher, ist er ein eher unauffälliges Etwas. Selbst auf seinem modischen Höhepunkt Ende der 1970er Jahre umgab ihn ein etwas biederes Image, zumal er bevorzugt von englischen Internatsschülern, deutschen Strebern, arrivierten Politikern (bei Hans-Dietrich Genscher von der FDP bekanntlich in der soften Version seiner Parteifarbe) und eben Senioren getragen wurde.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Nun, damit ist es vorbei. Man hat den Pullunder jetzt kurz und knapp oder lang und lässig. Mit Bluse oder Shirt darunter. Mitunter auch in Kombination von Leopard und Schlangenleder. Exotische Prints, die im Winter auch wieder schwer in Mode sein sollen. Schreit jedenfalls die Branche.

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