Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

MedizinVertrauter von Müttern und Töchtern

Lesezeit 4 Minuten

Bergisch Gladbach – Prof. Dr. Bernhard Liedtke, der ärztliche Direktor und Chef der Geburts- und Frauenklinik am Evangelischen Krankenhaus, ist so etwas wie eine Institution – ohne ihn geht gar nichts, möchte man meinen angesichts der kontinuierlichen Führung seit nunmehr 28 Jahren: Um die 19 000 Babys wurden in dieser Zeit geboren, er entwickelte die Frauenklinik zum staatlich institutionalisierten Brustzentrum und baute die gynäkologische Onkologie auf. Leistungen, die die Gynäkologie am Evangelischen Krankenhaus in die vorderste Liga der Kliniken mit besonderen Qualitätsmerkmalen heben.

Doch am Samstag, 23. Juni, feiert Liedtke mit seinem Team und den Mitarbeitern des Krankenhauses seinen Abschied in den Ruhestand. Den weißen Arztkittel wird er daher vermutlich in diesen Tagen zum letzten Mal tragen, doch der Abschied des Chefarztes Liedtke von der Klinik ist lediglich ein Wechsel in den Fast-Ruhestand: Liedtke wird weiterhin seine Professur an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen behalten. Sein Lehrauftrag an der Uni Bonn hingegen geht an seinen Nachfolger am EVK über. Und den hat er persönlich ausgesucht und empfohlen: Privatdozent Dr. Christian Rudlowski wirkt derzeit am Uniklinikum Bonn als leitender Oberarzt des Zentrums für Geburtshilfe und Frauenheilkunde mit dem Schwerpunkt operative gynäkologische Onkologie.

Die Qualifikationen passen in das Raster, das sich der scheidende Chef für seine Klinik wünscht. „Es wird perfekt und gut weiterlaufen. Und es war mir wichtig, die Klinik zu übergeben, wenn alles unter vollen Segeln läuft“, sagt Liedtke, der sich seine Zukunft aber nicht als golfspielender Hausmann vorstellt: „Ganz ohne Frauenheilkunde geht es bei mir nicht: Es gibt einige Projekte, in denen meine Mitarbeit erwünscht ist – Golfsport allein genügt nicht“, sagt der 67-jährige Gynäkologe.

Aufgewachsen ist Liedtke in Herkenrath, legte 1964 am Städtischen Gymnasium mit altsprachlichem Zweig, dem heutigen Nicolaus-Cusanus-Gymnasium, das Abitur ab. Medizin studierte er in Wien und Bonn, wirkte an der Frauenklinik in Aachen, setzte seine medizinisch-wissenschaftliche Laufbahn mit der Professur an der RWTH fort. Als er 1984 das Angebot für die Chefarztstelle der Gynäkologie am EVK bekam, stand gleichzeitig noch eine ähnliche Aufgabe in Recklinghausen zur Debatte. „Es war eine Überlegung, ob man in die Heimatstadt zurückkehren sollte – bekanntlich gilt der Prophet im eigenen Land nichts“, waren damals Liedtkes Überlegungen. „Doch fiel die Entscheidung für die Menschen, deren Mentalität und Sprache ich so gut kannte.“ Dieses differenzierte Verstehen war und ist wichtig für einen wie Liedtke, der seinen Mitmenschen , in Bergisch Gladbach, eben den Rheinländern, immer auf Augenhöhe begegnet, gleichzeitig aber auch den Chefarzt verkörpert – eine ideale Kombination: gut gelaunt, zuversichtlich, Vertrauen erweckend, Kompetenz ausstrahlend. Bei ihm geht alles zur gleichen Zeit – und die „Damen“, wie er seine Patientinnen immer bezeichnet, schenken ihm ihr Vertrauen. „Das ist ein sehr wichtiger Aspekt: Der Frauenarzt ist wie der Hausarzt der Frau, mit dem sie alle Probleme besprechen kann, der sie berät und versteht“, erklärt er seine Faszination für den Beruf. „Auch als Klinikchef erfahre ich das immer wieder.“

Zahllose Frauen hat er in den vielen Jahren begleiten können – bei Geburten, bei Krankheiten und auch als werdende Großmütter. „Da habe ich die Töchter zur Geburt ihrer eigenen Kinder wieder getroffen“, erzählt er mit dem ihm eigenen ruhigen Lächeln. „’Die Mama hat gesagt, Sie haben mich auf die Welt gebracht, und jetzt sollen Sie auf mich aufpassen’, hat mir eine junge Frau berichtet.“ Solche Erlebnisse habe man nur, wenn man lange an einer Klinik sei und Frauen über Generationen begleite.

Auch wenn er „sein Haus“ gut bestellt hat, es wird ihm fehlen, vor allem das Team, das mit ihm so gut zusammen gearbeitet hat. „Ich glaube, die Patienten hatten immer das Gefühl, von uns individuell und persönlich betreut zu werden“, bilanziert Liedtke sein jahrzehntelanges Wirken am EVK.