Ozzy Osbourne im Interview„Donald Trump ist wahnsinnig“

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Schockrocker Ozzy Osbourne

  • Noch vor einigen Jahren machte Schockrocker Ozzy Osbourne vor allem mit Eskapaden aller Art auf sich aufmerksam.
  • Nach einer unfallbedingten Zwangspause geht der Schockrocker noch einmal auf Tour.
  • In unserem Interview blickt er zurück auf sein Leben als Reality-TV-Star und spricht über seine Parkinson-Erkrankung.

Schon eigenartig, abends in Amerika anzurufen und plötzlich diese unverwechselbare, etwas krächzende Stimme „Hey, this is Ozzy“ sagen zu hören. Ozzy Osbourne ist ein drolliger Gesprächspartner, und ein gnadenlos ehrlicher noch dazu. Ohne allzu viel Diplomatie redet er über seine noch immer unbefriedigende körperliche Verfassung, und er motzt über Zeitgenossen wie Donald Trump oder Boris Johnson und Prinz Harry.

Heftig am Schwärmen ist der 71-jährige Brite, der seit Jahrzehnten in Los Angeles lebt, indes über Andrew Watt, den Produzenten seines Man-kann-schon-Comeback-Album-sagen „Ordinary Man“. Ozzy und Watt lernten sich bei der gemeinsamen Studioarbeit mit US-Chart-Slacker Post Malone kennen. Zusammen stellten sie trotz Ozzys maladen Grundzustands dieses teils kraftvoll, teils absurd witzig („Scary Little Green Men“), teil schwermütig („Today Is The End“) klingende Werk in erstaunlich kurzer Zeit auf die Beine.

Lieber Ozzy, wo erreiche ich Sie?

Ich bin in unserem Haus in Los Angeles. Der Tag ist ruhig soweit, ich habe gerade ein paar Poster signiert, ein bisschen Gesangstraining gemacht und den Vormittag mit meiner üblichen Physiotherapie begonnen.

„Ordinary Man“ ist ein hervorragendes Album. Wie fühlen Sie sich selbst mit den neuen Songs?

Wissen Sie, das Album entstand in einer richtig beschissenen Phase in meinem Leben. Vor einem Jahr hatte ich einen superätzenden Unfall, ich musste mich am Nacken operieren lassen. Diese Sache hat mich richtiggehend stillgelegt. Ich konnte vier Monate lang nicht gehen. Und ich habe immer noch Schmerzen und mache meine Krankengymnastik. Ist alles Mist.

Also lag ich, wie zu der Zeit üblich, im Bett, als meine Tochter Kelly reinkam und meinte, dieser Typ namens Post Malone wolle einen Song mit mir machen. Ich nur: „Wer zum Teufel ist Post Malone?“ Ich hatte noch nie von ihm gehört. Diese Geschichte ist typisch für mein Leben.

Wie meinen Sie das?

Ich plane traditionell nicht viel, und aus dem Nichts passiert dann immer wieder etwas richtig Tolles. Das Album aufzunehmen, war total mühelos und gesund für mich. Ich konnte ja nichts mehr: Hals kaputt, Arme kaputt, Beine kaputt, das ganze Nervensystem war im Arsch. Aber als ich mit Andrew Watt im Studio hockte, schrieben wir Tag für Tag großartige Songs. Das Album hat mein Leben gerettet!

Tatsächlich?

Total. Musik zu machen, ist die beste Therapie, die du bekommen kannst. Wenn du monatelang in der Kiste liegst, dann denkst du immer bloß über dich selbst nach. Und ich weiß nicht, wie das bei anderen Leuten ist, aber wenn ich so vor mich hin sinniere, kommen dabei eher weniger nette Gedanken raus. So ein Zeug wie „Bäh, bringt ja alles nichts mehr“ oder „Uahh, ich werde jetzt sterben.“

Ihre Stimme ist allerdings in hervorragendem Zustand auf  „Ordinary Man“.

Oh, ja, das ist das eine, das mir dieser Gott, wenn es ihn denn gibt, nicht genommen hat. Wäre meine Stimme auch noch weg, dann wäre nichts mehr von mir übrig.

Glaubt der Erfinder des Schockrock etwa an Gott?

Ich glaube an eine höhere Macht. Diese höhere Macht ist in meinen Vorstellungen jedoch kein alter Mann mit weißem Bart, der auf einer Wolke sitzt und mit den Engeln Harfe spielt. Ich glaube auch nicht, dass wir Menschen das höchste Wesen sind, und ein Gott deshalb wie ein Mensch aussehen muss.

Vögel zum Beispiel können fliegen, wir Menschen können das nicht. Auch der Ozean ist so unglaublich mächtig und kraftvoll. In meiner Phantasie ist das höhere Wesen ein Wesen, dass uns allen hier auf der Erde überlegen ist. Also kann es kein Mensch sein.

Wie gesund leben Sie heute?

So gesund ich kann. Ich trinke nicht mehr, ich rauche nicht, ich nehme keine Drogen – außer meinen Tabletten. Ich habe ständig Schmerzen, es geht mir schon viel besser als vor einem halben Jahr, wenngleich ich noch nicht wieder dort bin, wo ich sein will.

„Ordinary Man“, der Titelsong des neuen Albums, ist ein sehr tiefer, ernster Song. Es geht um Fehler, die man im Leben begangen hat, und es geht um Vergebung. Bereuen Sie Sachen in Ihrem Leben?

Ja, natürlich habe ich Dinge getan, die mir leidtun. Aber wer hat das nicht? Ich kann mit meinen Verfehlungen leben. Ich glaube an eine gewisse Fügung. Daran, dass Sachen passieren, weil sie passieren sollen. Als ich zum Beispiel meine Sharon traf, war ich mit einer anderen Frau verheiratet. Die Dinge gingen hin und her, doch am Ende kamen Sharon und ich zusammen.

Ich habe neulich noch zu ihr gesagt, wie viele Menschen schon weg sind, die wir gut kannten. Ich bin 71, mehr und mehr alte Weggefährten verlassen mich für immer. Wenn mein Zeitpunkt kommt, dann kommt er eben. Ich will nicht wirklich sagen, ich werde mich freuen, wenn der Sensenmann klingelt, aber es wird in Ordnung sein.

Sie singen „Ich weiß nicht, warum ich noch immer am Leben bin“. Sind Sie überrascht, noch hier zu sein?

Hallo? Ich war schon überrascht, dass ich 40 wurde. Die Drogen, der Alkohol, immer, wenn ich in Deutschland war, habe ich euch das Bier weggetrunken. Von deutschem Bier konnte ich nie nur eine Flasche trinken, es musste immer viel sein. Was ich bei den Shows oft versucht habe zu übertünchen. Aber so ist das mit deutschem Bier: Du fängst mit einem an, und hörst nicht eher auf, bis es alle ist.

Sie sagen über Sharon, sie sei Ihre andere Hälfte. Fühlen Sie sich gesegnet, dass es sie gibt?

Ich bin der glücklichste Mann auf Erden, weil ich Sharon habe. Sie kämpft für mich, sie beschützt mich, sie führt mich, sie schreit mich an, sie liebt mich. Wir beiden sind einfach füreinander gemacht. Ich liebe sie. Klar haben wir unsere Hochs und Tiefs. Und doch kann ich mir nicht vorstellen, dass es eine weitere Frau auf dieser Erde gibt, die es vierzig Jahre lang mit mir aushält (lacht).

Wir haben euch alle schreiend und liebend in der Reality-TV-Show „The Osbournes“ gesehen, die zwischen 2002 und 2005 lief und dich einer ganz neuen Generation von Menschen nähergebracht hat. Wie viel hat die Sendung dazu beigetragen, dass Ozzy Osbourne heute als die coolste aller Socken gilt?

 Ich habe „The Osbournes“ nie gesehen.

Nicht im Ernst.

Höchstens mal einige Ausschnitte. Das Ganze war für uns als Familie ein Experiment, das total aus dem Ruder lief. Wenn du drei Jahre lang ein Kamerateam in deinem Haus hast, dann kannst du gar nicht anders, als den Verstand zu verlieren. Wir waren Teil eines Menschenversuchs. Ich bin oft aufs Klo geflüchtet, um die Zeitung zu lesen. Das Klo war der einzige Ort, wo ich meine Ruhe hatte.

Welche teuren Hobbys haben Sie?

Meine Frau kauft gerne Häuser. Ich selbst? Brauche eigentlich nichts. Wenn mir jetzt alles weggenommen würde, was ich besitze, dann könnte ich trotzdem weiterleben. Hier in Los Angeles siehst du so viele Obdachlose, es ist wirklich nicht zu fassen. Wenn du in diesem Land kein Geld hast, bist du am Arsch. Amerika ist nichts anderes als ein Unternehmen. Hier hat alles seinen Preis. Kannst du es nicht bezahlen, kannst du sehen, wo du bleibst.

Der Präsident der Vereinigten Staaten ist auch ein Geschäftsmann. Was denken Sie über ihn?

Donald Trump? Fuck. Er ist der nächste Hitler. Er ist wahnsinnig. Er lügt, wenn er den Mund aufmacht (schreit).

Zu Black Sabbath: Tony Iommi hat seine Krebserkrankung überwunden, Bill Ward signalisiert immer mal wieder, dass er gern nochmal mit Sabbath spielen würde. Was denken Sie, kommt ihr fünfzig Jahre nach eurem Debütalbum „Black Sabbath“ und drei Jahre nach der angeblich finalen Tournee doch noch mal zusammen?

Nein, ich glaube das nicht. Ich habe gelernt, dass ich niemals nie sagen sollte. Und natürlich wäre es irgendwo schön, noch mal mit Bill zu spielen. Aber, ich weiß nicht. Momentan sehe ich das nicht. Vielleicht belässt man es einfach dabei, anstatt auf Biegen und Brechen die Vergangenheit wieder aufleben lassen zu wollen. Es wird ja doch nie wieder so, wie es mal war. Und diese Farewell-Touren? Ist nur Geldmacherei.

Wird Ihre „No More Tours 2“-Tour definitiv die letzte sein?

Es wird meine letzte richtig lange Tournee sein. Aber einzelne Auftritte kann ich mir auch danach noch vorstellen.

Warum haben Sie eigentlich gerade jetzt, vor einigen Wochen in einer US-TV-Sendung, öffentlich gemacht, dass Sie an Parkinson erkrankt sind?

Um diese Vorurteile abzubauen. Die Leute hören „Parkinson“ und denken „Huh, bald ist er tot.“ Ich weiß seit einigen Jahren, dass ich diese Krankheit habe. Doch ich leide an einer milden Form.

Sind Sie erleichtert, dass das Geheimnis keins mehr ist?

Nicht mehr mit dieser Belastung herumzulaufen, tut gut. Dass nun manche krakeelen „Oh, er stirbt, er stirbt, er ist so gut wie tot“? Mein Gott, sollen sie doch. Ich bin es gewöhnt, totgesagt zu werden.

Das neue Album „Ordinary Man“ ist ab  21. Februar im Handel. Ab Herbst will Ozzy Osbourne noch einmal groß auf Tournee. Geplant sind unter anderem Konzerte in Wien, München, Berlin und  Hamburg.  In NRW ist ein  einziges Osbourne-Konzert geplant:  am  11. November  in der Dortmunder  Westfalenhalle.  

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