Kölner MarathonEuskirchener Lauf-Team schiebt erkrankten Freund gemeinsam

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Bruno Schmidt erlebt den Köln-Marathon mit Hilfe des Laufcampus-Teams im Rolli.

Bruno Schmidt erlebt den Köln-Marathon mit Hilfe des Laufcampus-Teams im Rolli.

  • Bruno Schmidt ist an ALS erkrankt, doch mit etwas Hilfe absolvierte er den Marathon.
  • Das Euskirchener Laufcampus-Team rollte ihren Freund über die gesamte Distanz.
  • Ein Geschichte über Gemeinschaft, Freundschaft und Willen.

Köln/Euskirchen – Es waren noch sommerliche Temperaturen, angenehmer Sonnenschein und eine zu absolvierende Strecke von 42,195 Kilometern und Tausende Menschen zogen zum Köln-Marathon. Die morgendliche Stimmung in der Stadt erinnerte nahezu an einen Karnevalstag, alle – Teilnehmer und Zuschauer – waren gut gelaunt. Positive Anspannung und Vorfreude der Läufer lagen in der Luft.

Unter ihnen war auch der Euskirchener Andreas Butz mit seinem Team vom Laufcampus, bestehend aus Johannes Mahlberg, Tim Wagner, Naemi Peselmann, Michael Heiliger und Guido Müller. Für sie sollte es diesmal ein ganz besonderer Marathon werden: Denn die Gruppe schob den ehemaligen Radrennfahrer und Marathonläufer Bruno Schmidt – er leidet an der Nervenkrankheit ALS – in einem Rolli über die Marathonstrecke, um auf seine unheilbare Krankheit aufmerksam zu machen und Spenden zu sammeln.

Es gibt bislang kein Heilmittel für ALS

Schmidt ist vor fünf Jahren an der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), also einer degenerativen Erkrankung des motorischen Nervensystems erkrankt. Ein zunächst erhöhter Muskeltonus führt über eine zunehmende Muskelschwäche bis hin zum völligen Muskelschwund.

Hatte die Idee, Schmidt im Rolli mit auf die Strecke zu nehmen: Andreas Butz aus Euskirchen.

Hatte die Idee, Schmidt im Rolli mit auf die Strecke zu nehmen: Andreas Butz aus Euskirchen.

Es gibt keine Heilung, keine Medizin, nur technische Hilfsmittel. Nicht nur für bewegungsfreudige Menschen ist die ALS-Diagnose ein hartes Los. Um den Betroffenen und ihren Angehörigen Mut zu machen und sein Wissen über die Krankheit zu teilen, gründete er den Verein „ALS – Alle Lieben Schmidt“.

Die Spendenaktion hat für Euskirchens Laufexperten Andreas Butz einen persönlichen Hintergrund. Im vergangenen Jahr verlor er seinen guten Freund Clemens infolge der Krankheit. Kurz nach Clemens’ Diagnose hatte Bruno Schmidt ihn zu sich nach Hause eingeladen, um sich mit ihm über ihr gemeinsames Schicksal auszutauschen. „Clemens erzählte mir von Bruno und dass er ihm ein wenig Mut spenden könne, mit der Krankheit umzugehen“, erinnert sich Butz: „Das ist mir im Kopf geblieben.“

ALS den Kampf ansagen – mit einem Marathon

Auch, um Clemens Krankheit und Tod zu verarbeiten, haben Butz und seine Freunde überlegt, was sie tun können, um anderen ALS-Betroffenen zu helfen. Es sollte ein Projekt zugunsten Schmidts Selbsthilfeverein „ALS – Alle Lieben Schmidt“ sein. Denn Bruno lässt sich trotz der Krankheit nicht unterkriegen und ist mit seinem Engagement und seiner Lust am Leben ein großes Vorbild für Butz und viele andere Menschen.

Mit den vom Euskirchener Laufcampus ins Leben gerufenen Runningdays, die seit April deutschlandweit einmal im Quartal stattfinden, sammelt der Laufexperte aus der Kreisstadt Spendengelder und unterstützt damit den Selbsthilfeverein Schmidts.

„Die Teilnahme an sich ist kostenlos, es wird aber um Spenden von einem Euro aufwärts gebeten“, erklärt Andreas Butz die Idee.

So konnten bei den ersten drei Runningdays in diesem Jahr bereits etwa 6000 Euro für den Verein gesammelt werden. Auch den Rolli, in dem Bruno Schmidt am Tag des Marathons durch die Domstadt geschoben wurde, habe man durch die Spendengelder finanziert.

Starkes Ergebnis beim Marathon: Unter vier Stunden ins Ziel

Für viele Läufer geht es beim Marathon einfach nur darum, ins Ziel zu gelangen. Doch damit wollten sich Bruno Schmidt und das Laufcampus-Team nicht zufriedengeben. „Als ich die Ziellinie des Düsseldorf-Marathons 2014 überquerte, zeigte mir die Uhr 3:58 Stunden an. Damals wollte ich unbedingt unter vier Stunden bleiben“, erinnert sich Schmidt.

Das Zeit-Ziel des Teams für den Köln-Marathon lag bei 4:15 Stunden. Das entspricht einer Pace, also der durchschnittlichen Geschwindigkeit pro Kilometer, von sechs Minuten. Vor dem Start war die gesamte Gruppe sehr aufgeregt. „Es ist eine riesige Herausforderung. Ich habe am ganzen Körper Gänsehaut“, sagte Schmidt. Dass er mit Herausforderungen umgehen kann, lässt sich auch an seiner sportlichen Vergangenheit auf dem Rennrad ablesen. Von 2003 bis 2014 hat er zahlreiche Langstrecken mit seinem Rennrad zurückgelegt. Seine längste Tour von 1100 Kilometern startete in Flensburg und endete in Garmisch-Patenkirchen.

Auf die Idee, Bruno Schmidt den Köln-Marathon auf der Strecke erleben zu lassen, kam Butz während eines Gesprächs mit ihm: „Er erzählte mir mit einem Leuchten in den Augen von seinem ersten und einzigen Marathon in Düsseldorf. So etwas wollte er gerne noch einmal erleben – und zwar am liebsten in Köln.“

Und dieser Traum sollte fünf Jahre nach seinem ersten Marathon in Erfüllung gehen. „Viele Leute können sich das gar nicht vorstellen – bewegungslos zu sein und trotzdem teilzunehmen“, sagt Bruno Schmidt kurz vor dem Startschuss. Mutig fügt er hinzu: „Aber es geht. Wir ziehen das jetzt durch. Ich freue mich.“

Läufer wechselten sich beim Schieben ab

Und es funktionierte: Kilometer für Kilometer wechselten sich die Läufer des Teams mit dem Schieben des Rollis ab. Einige des Laufcampus-Teams starteten als Staffel, andere liefen die gesamte Strecke des Marathons mit.

Vor allem an Kilometer 26 erinnerte sich Schmidt später besonders gut. „Es war eine tolle Stimmung auf der Venloer Straße.“ Mit stimmungsvoller Musik und viel Konfetti wurden dort alle Teilnehmer gefeiert – vom ersten bis zum letzten Läufer. „Ich habe selbst zu Hause noch Konfetti gefunden“, erzählt Schmidt lachend.

Die letzten Kilometer des Teams wurden sogar von einigen herbstlichen Sonnenstrahlen begleitet. Nach 4:13 Stunden überquerten sie die Ziellinie. Geschafft. „Sensationell war der letzte Kilometer – ich habe eigentlich nur geweint“, bedankte sich Bruno Schmidt bei seinen Teamkollegen.

Nicht nur für ihn hatte der Köln-Marathon eine große Bedeutung. Für alle Mitglieder des Teams auf und neben der Strecke war es eine große Herzensangelegenheit, Schmidt selbst und seinen Verein zu unterstützen. „Ich laufe jetzt seit zwei Jahren und 13 Tagen und habe auch schon an einigen Startlinien gestanden. Aber das, was ich heute erleben durfte, toppt alles“, freute sich Michael Heiliger hinter der Ziellinie.

So richtig realisierte Bruno Schmidt seinen Marathon in der Domstadt erst einen Tag später: „Es war einfach gigantisch, noch einmal bei einem Marathon dabei sein zu dürfen. Meine Batterie ist neu aufgeladen. Ich bedanke mich bei allen für die tolle Zeit, die sie mir geschenkt haben.“

Doch keine 24 Stunden nach dem Zieleinlauf stand fest: Dieses Erlebnis soll nicht einmalig bleiben. Andreas Butz und Bruno Schmidt sind bereits für den Düsseldorf-Marathon im kommenden Jahr angemeldet.

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