ArdennenoffensiveFriedhof als Mahnmal und Auftrag

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Hellenthal-Reifferscheid – Sind Kriegsgräberstätten wirklich als Mahnmale für den Frieden zu sehen? Dieser Frage widmete sich Elisa Schmitz aus Reifferscheid in ihrer Facharbeit für den Leistungskurs Geschichte. Unweit des Wohnorts der 17-Jährigen, im Hellenthaler Ortsteil Oberreifferscheid, befindet sich genau solch ein Ort des Mahnens und Gedenkens. 1163 Menschen sind auf dem Friedhof in Oberreifferscheid begraben. Teils sind Namen und Geburts- wie Sterbedatum verzeichnet, teils finden sich an diesen Stellen Lücken auf den Steinkreuzen, die sich bogenförmig aneinanderreihen. Was die Gräber gemein haben, ist, dass die Menschen während des Zweiten Weltkriegs oder an dessen Folgen starben.

Erinnerungskultur könnte verloren gehen

„Die heutige Generation kennt keinen Krieg mehr“, stellt Eisa Schmitz fest. Wenn die letzten Zeitzeugen sterben, könnte die Erinnerungskultur verloren gehen, gibt sie zu bedenken. Ob Kriegsgräberstätten allerdings geeignete Orte sind, um die nachfolgenden Generationen zur gedanklichen Auseinandersetzung mit den Ursachen von Krieg anzuregen und sich der daraus erwachsenden Verpflichtung zur Friedenssicherung bewusst zu werden – das wollte die Reifferscheiderin genauer beleuchten.

Sehr theoretisch, aber interessant

Ein sehr theoretisches Thema zwar, findet die Abiturientin, aber ein interessantes, mit dem auseinanderzusetzen es sich lohnt. Ein Thema für ihre Facharbeit zu finden, habe nicht lange gedauert, schildert sie: „Mir war schnell klar, dass ich etwas über den Friedhof machen möchte. Ich kenne ihn seit meiner Kindheit und war mit meinen Eltern oft zum Spazierengehen dort.“ Als Kind habe sie natürlich nicht gewusst, was es mit dem Ort zwischen den hohen Bäumen auf dem Hügel über Reifferscheid auf sich hat. „Mit der Zeit nimmt man das bewusster wahr und reflektiert es.“

Historie

1163 Menschen sind auf dem Friedhof bestattet. Deutsche und österreichische Soldaten liegen dort, die im Winter 1944/45 bei den Kämpfen am Westwall sowie bei der Ardennenoffensive im Dezember 1944 fielen. Auch Zivilisten, die an den Folgen des Zweiten Weltkriegs starben, wurden dort beerdigt.

Neben den Einzelgräbern wurden die Toten in mehreren Sammelgräbern bestattet. 269 der in Oberreifferscheid beerdigten Menschen konnten bis heute nicht identifiziert werden. Ihre Gräber sind daher namenlos.

Der damalige Oberpfarrer Karl Schumacher sorgte im Winter 1944/45 dafür, dass im umliegenden Kriegsgebiet gefallene Soldaten der Wehrmacht zur Bestattung nach Reifferscheid überführt und zunächst auf dem „Burghövel“ begraben wurden. In diesem Bereich befindet sich heute der Gemeindefriedhof.

Zwischen 1954 und 1955 verlegte man die Verstorbenen vom Burghövel sowie von den umliegenden Gemeinden nach Oberreifferscheid, wo im Oktober 1958 die Kriegsgräberstätte eingeweiht wurde. (hab)

Für die Aufbereitung des Themas hieß es für die damalige Schülerin des Städtischen Johannes-Sturmius-Gymnasiums zunächst einmal, das umfangreiche Material zusammentragen und sichten. Etwa aus dem Archiv der Gemeinde Hellenthal und des Kreises Euskirchen, dazu kamen zahlreiche weitere Quellen in Literatur und Internet. „Das hat schon einige Stunden gedauert“, erinnert sie sich. Bei der Fülle an Informationen und Fakten eine Struktur für den Aufsatz zu finden sei gar nicht so einfach gewesen. Schmitz: „Ich habe mich dann an der Fragestellung entlanggehangelt.“

Das jüngste Opfer war erst sieben Jahre alt

So manche Fakten, wie etwa die Anzahl der Einzelgräber, die sich auf der Gedenkstätte befinden, sei für sie bei der Recherche erschreckend gewesen. „Auch Kinder sind dort begraben, die durch die Kriegsfolgen umgekommen sind“, erzählt die 17-Jährige. „Das jüngste war erst sieben Jahre alt.“ Dass daher Plätze wie die Oberreifferscheider Kriegsgräberstätte durch eine stete Erinnerungskultur nicht in Vergessenheit geraten, ist Schmitz aus aktuellem Anlass besonders wichtig.

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„Ich habe versucht die Gedenkstätte in den Kontext zu den momentanen rechtspopulistischen Strömungen zu setzen“, erklärt sie: „Es gibt viele, die sich mit dem Gedankengut von damals identifizieren.“ Wenn diese Leute gedanklich wieder im Jahr 1937 ankämen, könnte sich die Geschichte im schlimmsten Fall wiederholen, befürchtet sie.

„Die wollten sicherlich anders sterben.“

Von der Glorifizierung der Gedenkstätten hält die Reifferscheiderin dennoch nichts. Auch deshalb sei sie an die Gemeinschaftshauptschule Hellenthal herangetreten, auf deren Internetseite noch der Begriff „Ehrenfriedhof“ zu lesen gewesen war. Die 17-Jährige drängte die Schule, die Bezeichnung zu ändern – mit Erfolg. „Die Soldaten und die anderen Menschen, die durch den Krieg gestorben sind, haben sich selber ja nicht als Helden gesehen“, stellt sie fest: „Die wollten sicherlich anders sterben.“

Die Thematik trotz der schwindenden Zahl an Zeitzeugen weiterhin präsent zu halten, darin sieht die 17-Jährige die Schulen und die Gemeinde in der Verantwortung. „Es sollte generell öffentlicher gemacht werden, wie wichtig diese Orte sind.“ Es sei Aufgabe der Gemeinde, den Fokus stärker auf die Erinnerungskultur zu legen. Auch in den Schulen solle das Thema mehr ins Bewusstsein gerückt werden, findet sie: „Meine Generation kann das so nicht nachvollziehen. Die Auseinandersetzung damit verhindert hoffentlich eine Wiederholung der Fehler.“

Vergangenheit wird lebendig

Wenig überraschend liest sich daher das Fazit ihrer Facharbeit. Kriegsgräberstätten seien Orte, an denen die Vergangenheit lebendig werde, indem das sinnlose Sterben und das unsägliche Leiden sichtbar und erfahrbar gemacht werde, fasst Schmitz dort zusammen. Und weiter: „Es ist deshalb unser aller Aufgabe und Pflicht, diese Mahnung immer gegenwärtig zu halten, damit auch künftige Generationen ihrer Verantwortung zur Wahrung des Friedens mit allen Mitteln dauerhaft nachkommen.“

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