Bewegte GeschichteErst Dampfbäckerei, jetzt Kneipe

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Eigentlich hält er sich aus dem aktiven Geschäft raus, aber ab und an steht Heinz Sechtem auch hinter der Theke.

Eigentlich hält er sich aus dem aktiven Geschäft raus, aber ab und an steht Heinz Sechtem auch hinter der Theke.

Mechernich – Das Gebäude an der Ecke Rathergasse/Weierstraße in Mechernich hat schon einiges erlebt: 1864 erbaut, wurde in seinen Mauern erst eine Dampfbäckerei betrieben, dann ein Lebensmittelladen, eine Spielbar und schließlich eine Gaststätte. „An der Geschichte dieses Hauses kann man sehen, wie sich die Zeiten geändert haben“, sagt Heinz Sechtem, den man in Mechernich eigentlich nur unter seinem Spitznamen Addi kennt.

Wurzeln geschlagen

Vor ziemlich genau 100 Jahren schlug die aus Brühl stammende Familie Sechtem Wurzeln im damaligen Bergbauort am Fuß der Eifel. Sechtems Großvater Heinrich kaufte das Haus an der Rathergasse und richtete dort eine Bäckerei ein, die er allerdings 1956 wegen einer Mehlstauballergie aufgeben musste. „Mein Opa war als junger Mann für ein halbes Jahr nach Amerika ausgewandert, aus Heimweh aber wieder ins Rheinland zurückgekehrt“, berichtet der langjährige CDU-Ratsherr aus seiner Familiengeschichte.

Aus Bäckerei wird Lebensmittelladen

Nach dem vorzeitigen Ende der Bäckerei trat Heinz Sechtems Vater Theo auf den Plan. Der baute die Bäckerei in einen Lebensmittelladen um. „Wir hatten den ersten Selbstbedienungsladen in Mechernich“, erinnert sich Sechtem. Bis Mitte der 1970er-Jahre der Supermarkt „Der böse Wolf“ eröffnet wurde und die Umsätze der Firma Sechtem in den Keller gingen.

Familientradition fortsetzen

Zwar mischt Heinz Sechtem immer noch mit, wenn es um die Vermietung der Ferienwohnungen und Pensionszimmer geht. Aber sein Sohn Sebastian hat beispielsweise das Management des „Komm in“-Hotels schon weitestgehend übernommen.

Der 32-Jährige, der Wirtschaftsingenieurwesen und Betriebswirtschaftslehre studierte, will auch im Gardestüffje einiges ändern, um ein jüngeres Publikum anzusprechen. „Ich denke, wir werden die Speisekarte ein wenig umgestalten und künftig einige besondere Hamburger- und Chicken-Wings-Gerichte anbieten“, kündigt er an.

Auch wenn der neue Job viele Arbeitsstunden und einiges an Engagement erfordert, ist er gewillt, die 100-jährige Kaufmannstradition der Familie in Mechernich fortzusetzen. (hoc)

Zwar hatte der umtriebige Theo Sechtem, seinerzeit Gründer des FDP-Ortsvereins Mechernich, neben seinem Geschäft eine Spielbar mit Flippern, Geldautomaten, Billard und ähnlichen Freizeitvergnügungen eingerichtet. Die Spielbar war damals ein beliebter Treffpunkt für Schüler der umliegenden Schulen, die ihre Freistunden dort verbrachten. Doch von diesen Einnahmen konnte die Familie nicht leben. Deshalb baute Sechtem 1974 das Lebensmittelgeschäft in eine Gaststätte um – das heutige Gardestüffje.

Ex-Prinz gab den Tipp, eine Kneipe zu eröffnen

Im Club der ehemaligen Prinzen von Mechernich hatte Theo Sechtem zunächst mit dem legendären „Kumpels Hannes“ (Johannes Schmitz) die Spielbar ausbaldowert. Ein anderer Ex-Prinz, der Schützendorfer Bierverleger Ewald Dziwak, gab ihm schließlich den Tipp, eine Kneipe zu eröffnen. „Damit ist mein Vater gut gefahren. Er hat sich nur geärgert, dass er den Lebensmittelladen nicht schon früher aufgegeben hat“, so Heinz Sechtem. Er selbst musste als Kind stets im Geschäft mithelfen, wenn beispielsweise die Kartoffeln eingetütet oder die Waren ausgezeichnet wurden. Auch hinter der Theke hat Sechtem viele Male gestanden und Bier gezapft. Allerdings hatte er nicht den Drang, in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, sondern machte stattdessen eine Lehre zum Versicherungskaufmann. Nachdem er viele Jahre als Schadensregulierer in dieser Branche tätig war, musste Heinz Sechtem trotzdem irgendwann das Erbe seines Vaters antreten.

Gäste aus aller Welt

„Aus dem operativen Geschäft halte ich mich weitestgehend raus, dafür habe ich Angestellte“, erzählt er im Gespräch mit dieser Zeitung. Obwohl er schon länger Rentner ist, kümmert sich Sechtem nicht nur darum, dass die Kneipe ordentlich läuft, sondern betreut auch noch etliche Ferienwohnungen, die er gleich neben dem Stammhaus eingerichtet hat.

„Wir haben wirklich Gäste aus aller Welt: Neuseeland, USA, Brasilien, Skandinavien und aus den osteuropäischen Ländern“, berichtet Sechtem stolz. Während des Gesprächs muss er gleich zwei Gästeanfragen abschlägig bescheiden, weil alle Zimmer belegt sind. 2017 übernahm Sechtem zusätzlich noch das Vier-Sterne-Hotel „Komm in“ in Kommern. Eigentlich hatte auch Sechtems Sohn Sebastian nicht vor, die Geschäfte seines Vaters zu übernehmen. Doch als der Senior Ende vergangenen Jahres gesundheitliche Probleme bekam, musste der Junior einspringen.

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