Nach BeißattackenBesitzer vermisst seinen Australian Shepherd – Klage zurückgezogen

Typisch für einen Australian Shepherd, wie ihn Dieter H. gehalten hat: Aktiv sein, arbeiten, aufmerksam sein.
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Dahlem-Schmidtheim – In dem Streitfall um einen von Amts wegen seinem Besitzer weggenommenen Hund hat der Hundebesitzer vor dem Verwaltungsgericht Aachen zunächst geklagt, nun aber seine Klage wieder zurückgezogen. Sein Australian Shepherd hatte nach Überzeugung der Gemeinde Dahlem zweimal Menschen angefallen und gebissen.
In dem Fall geht es um den Hund von Dieter H. Er lebt am Ende eines Neubaugebiets am Ortsrand von Schmidtheim. Beschaulich ist es dort. Die großen Grundstücke bieten viel Platz, das Wohngebiet grenzt an Wiesen und Weiden, Spaziergänge führen schnell in den nahen Eifelwald.
Seit drei Jahren in Schmidtheim
Doch eine Idylle kann bekanntlich trügerisch sein – wer wüsste das besser als Dieter H., der dort vor drei Jahren in ein Miethaus gezogen ist? Sich wohlzufühlen in Schmidtheim ist für ihn mittlerweile eine schwierige Vorstellung. Dieter H. öffnet vorsichtig die Tür. Er ist misstrauisch geworden, dann bittet er doch herein. Die Wohnräume sind abgedunkelt. Er habe sich gerade zum Nickerchen gelegt, sagt der 64-Jährige entschuldigend.
Doch er nimmt sich die Zeit, erzählt, wie das alles aus einer Sicht war. Dass ihm Unrecht angetan worden sei. Dass es mit der Nachbarschaft so eine Sache sei – doch wo sei es das nicht? Dass es vielleicht doch keine so gute Idee gewesen sei, hierhin zu ziehen.
Hund sei mit Großaufgebot abgeholt worden
Dieter H. ist verbittert, denn es geht ja um das, was er seit dem 28. Juni 2019 schmerzlich vermisst: An diesem Tag ist sein Australian Shepherd „Freddy“ abgeholt worden. „Mit einem Großaufgebot aus Polizei, Mitarbeitern des Ordnungsamtes der Gemeinde und Vertretern des Tierheims Mechernich“, so stellt H. es dar: Zuerst sei der Hund mit einer mit Betäubungsmitteln präparierten Wurst geködert, dann in einer sicheren Box abtransportiert worden.
Freddy war aus Sicht der Behörden zu einer unberechenbaren Waffe geworden. Seitdem hat Dieter H. seinen Hund, den er als Welpen bei einem Züchter gekauft hat, nicht mehr gesehen. Er weiß, wo der Vierbeiner ist, doch Dieter H. hat Besuchsverbot. Freddy nimmt an einem Umerziehungsprogramm teil.

Seinen Hund vermisst Dieter H. Er wurde ihm nach Beißattacken entzogen.
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Dieter H. atmet tief aus, als er das alles erzählt. Er ist seit 18 Jahren Frührentner, zu 100 Prozent schwerbehindert. Er kann sich nur mühsam in seinem Haus bewegen. Nach draußen, ob etwa zum Einkaufen, geht es nur mit dem Elektro-Rollstuhl. Auch die langen Spaziergänge mit Freddy waren nur so möglich. Da stellt sich die Frage, ob unter diesen Voraussetzungen ein 55 Zentimeter großer Hund, der von seinem Rassebild besonders viel Aktivität verlangt, die richtige Wahl gewesen ist.
Das erste Mal, dass das Tier sich nicht mehr so verhalten hat, wie man es von einem gut erzogenen Hund erwartet, war gegenüber einer Nachbarin: Freddy hat zugebissen. Daraufhin hat die Gemeinde Dahlem verfügt, dass der Hund nur angeleint und mit Maulkorb nach draußen darf. Zudem solle er eine Hundeschule besuchen. Alles das soll sein Besitzer ignoriert haben, heißt es von der Gemeinde.

Die Tiertrainerin Regina Hauenstein mit ihrem Australian Shepherd Ally.
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Der zweite Vorfall datiert vom Sommer des vergangenen Jahres. Der Hund hat ein Ehepaar angefallen und in die Beine gebissen. Die Frau hat daraufhin mehrere Tage im Krankenhaus verbringen müssen.
Nach diesem Vorfall hat die Gemeinde Dahlem entschieden, dass es reicht. Sie hat den bissigen Australian Shepherd am 28. Juni 2019 abholen lassen. Dieter H. ist die Haltung großer Hunde untersagt worden. Auf Betreiben der Gemeinde ist ein Strafbefehl gegen den Hundebesitzer erlassen worden. H. hat gegen die Verfügung vor dem Verwaltungsgericht Aachen geklagt, diese Klage aber nun zurückgezogen.
Agiler Hütehund
Ein Australian Shepherd wie Freddy verfügt über die rassetypische Grundaggressivität, die er als Hütehund braucht. Die Hunde sind lebendig, agil, aufmerksam und haben ein ausgeprägtes Territorialverhalten: Sie beschützen Herrchen oder Frauchen. Und Australian Shepherds benötigen eine konsequente Erziehung mit klaren, kompromisslosen Regeln. Konnte Dieter H. das in seiner Situation leisten, oder war er damit überfordert?
Hundetrainerin Regina Hauenstein aus Oberbettingen, deren Ally ebenfalls ein Aussie ist, kann dazu nur eine allgemeine Aussage treffen: „Australian Shepherds werden immer beliebter. Sie sind ein Opfer ihrer Schönheit und Intelligenz.“(sli)
„Er war dann erst bei uns und wurde nach ein paar Wochen in eine Hundeschule gebracht. Wir haben einfach nicht die Leute, um ihn umzuerziehen“, bestätigt Reiner Bauer vom Tierheim Mechernich. Und weiter: „Dieser Hund gehört nicht zu Dieter H., davon bin ich überzeugt.“
Jan Lembach, Dahlems Bürgermeister, findet noch klarere Worte: „Wir haben ihn vorher jahrelang zu Leinenzwang und Maulkorb angehalten. Das hat er ignoriert.“ Dem widerspricht Dieter H. Es sei, so Lembach weiter, „ein Unding, dass so etwas überhaupt so lange zulässig war“. Zudem belaste die Unterbringung von Freddy im Tierheim den Gemeinde-Etat mit täglich 15 Euro.
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Dieter H. fühlt sich dabei unverstanden. Ja, den zweiten Beißvorfall gebe er zu, doch den ersten streitet er im Gespräch ab. Wie es ihm denn nun gehe, so ohne seinen Lieblingshund? „Einfach beschissen!“ Wäre ein kleinerer Hund eine Alternative – das Verbot bezieht sich ja nur auf große Hude wie einen Australian Shepherd? Das komme nicht in Frage, wiegelt er ab.
Den Haushalt schmeißt H. mittlerweile alleine, er lebt in Scheidung. Hat er daran gedacht, Schmidtheim zu verlassen? „Finden sie mal zu günstigen Mietpreisen eine barrierefreie Wohnung für Schwerbehinderte“, lautet seine Antwort.