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FitnessBeim Hyrox geht es für Sportler aus dem Kreis Euskirchen um mehr als nur Bestzeiten

7 min
Das Bild zeigt Nina Koep beim Training im Fitnessstudio.

Nina Koep aus Kuchenheim träumt von der Teilnahme an der Hyrox-Weltmeisterschaft. 

Hyrox verleiht dem Sport ein neues Gesicht. Mit reinem Laufen oder Pumpen hat das nichts zu tun. Es geht auch um Gemeinschaftsgefühl.

Fitness hat ein neues Gesicht – und es schwitzt. Hyrox ist die Antwort auf CrossFit, Marathon und Functional Training zugleich. Brennende Muskeln, Wiederholung um Wiederholung. Hyrox ist, wenn der innere Schweinehund schon vor dem Start längst alle viere von sich gestreckt hat. Wenn Büroangestellte zu Athleten werden und Fitnessstudio-Alltag auf Adrenalin trifft. Es ist der ultimative Reality-Check.

Vier Athletinnen und Athleten, die mit dem Schweinehund längst per du sind: Nina Koep, ihr Bruder Tim, Ralf Ulmer und Mohammad Rezai. Sie alle trainieren regelmäßig im Fitnessstudio – und wenn der Job es zulässt, auch gerne gemeinsam. Wie entscheidend das sein kann, erlebten Tim Koep und Ralf Ulmer bei ihrem gemeinsamen Hyrox in Stuttgart.

Taktischer Kniff bringt den entscheidenden Vorteil

„Wir wollten einfach nur unter einer Stunde bleiben“, erinnert sich Tim Koep. „Und dann sehen wir im Ziel 57:28 Minuten. Das war ein unfassbarer Moment. Wir haben uns nur angeschaut, gelacht – und waren einfach stolz.“ Der Vorsprung auf das nächste Team: eine einzige Sekunde. „Das war Taktik“, sagt Ulmer. „Bei einer Übung haben wir entschieden, dass nur einer von uns sie komplett macht, um Zeit zu sparen. Das war am Ende genau die Sekunde, die uns aufs Podium gebracht hat.“

Ulmer, der im vergangenen Jahr bei der Deutschen Meisterschaft über zehn Kilometer im Finale stand, hat im Hyrox seine neue sportliche Heimat gefunden. „Einfach zehn Kilometer so schnell wie möglich laufen? Das ist mir mittlerweile zu langweilig“, sagt der Athlet des LC Euskirchen. Er hatte sich bereits für die Weltmeisterschaft in Chicago qualifiziert – aus Zeitgründen konnte er jedoch nicht teilnehmen.

Das Bild zeigt die beiden Euskirchener Sportler beim Zieleinlauf.

Freude und Erleichterung pur: Tim Koep (l.) und Ralf Ulmer freuen sich über ihre Leistung.

Das Bild zeigt den Euskirchener beim Rudern.

Rudern ist gefühlte Erholung: Mohammad Rezai gibt alles.

Stattdessen stand er vor wenigen Tagen beim Hyrox in Frankfurt am Start – diesmal allein, im sogenannten Single Open. „Bis zur letzten Disziplin war es das perfekte Rennen. Dann hat der Kopf mich komplett aus dem Rhythmus gebracht. So Tage gibt es“, sagt Ulmer, der dennoch aufs Podium kam.

In Frankfurt starteten auch Nina und Tim Koep – als Team. „Ich bin zutiefst dankbar für meinen Körper und meinen Geist, die das möglich gemacht haben, und vor allem für meinen starken Bruder“, sagt die Kuchenheimerin, die in Köln an einer Berufsschule unterrichtet. „Wie wir uns gegenseitig gepusht, getragen und bis ins Ziel gebracht haben – das bedeutet mir unendlich viel.“ Am Ende benötigte das Geschwisterduo 1:02:20 Stunden. Das bedeutete Platz 39 von 1468 Mixed-Teams und Rang elf in ihrer Altersklasse – ein beachtliches Ergebnis.

Der Traum von der Weltmeisterschaft lebt.
Nina Koep, Hyrox-Sportlerin

Doch was genau steckt hinter Hyrox? Die Stationen haben es in sich – und mit einem klassischen Fitnessstudiobesuch wenig gemein. Beim Sled Push muss beispielsweise ein Metallschlitten mit Gewichten über 25 Meter geschoben werden. Nina Koep stemmt dabei 152 Kilo. Und als wäre das nicht genug, wird in der letzten Disziplin ein Medizinball 75 bis 100 Mal gegen eine Wand geworfen – je nach Leistungsklasse in festgelegter Höhe. Dazwischen: jeweils 1000-Meter-Läufe. „Im Idealfall dienen die sogar der Erholung“, sagt Koep.

Die Kuchenheimerin hat bereits mehrere Wettkämpfe absolviert – auch international, etwa in Mailand. Ein weiteres Rennen im Ausland schließt sie nicht aus: „Der Traum von der Weltmeisterschaft lebt.“ Besonders das gemeinsame Erleben mit ihrem Bruder mache Hyrox aber einzigartig. „Die Community ist toll – man erlebt alles gemeinsam. Das verbindet Generationen.“

Auch Sportler in Feuerwehrmontur nehmen teil

Und nicht nur das: Auch Menschen mit Einschränkungen oder im hohen Alter nehmen an den Wettkämpfen teil. „Da laufen Feuerwehrleute in voller Montur mit oder Teilnehmer mit Handicap – das ist unglaublich inspirierend“, erzählt Mohammad Rezai. „Da merkst du, dass Sport verbindet – egal, wo du herkommst oder wie alt du bist.“

Der Wahl-Euskirchener kam nach seiner Flucht aus Afghanistan nach Deutschland und fand im Hyrox eine neue Leidenschaft. „Ich habe früher Fußball gespielt, aber irgendwann wurde das Krafttraining langweilig“, sagt er. „Hyrox ist ganz anders – es fordert dich komplett.“

Man wächst über sich hinaus, überschreitet Grenzen – das macht es so reizvoll.
Felicitas Seif, Sportlerin

Auch Felicitas Seif aus Weilerswist hat das Fieber gepackt. „Das war jetzt mein zweiter Hyrox“, sagt sie: „Man wächst über sich hinaus, überschreitet Grenzen – das macht es so reizvoll. Die Atmosphäre ist unglaublich, die Zuschauer treiben einen an. Ich habe mich schon für meinen dritten Hyrox angemeldet.“

Hyrox ist kein reiner Kraftsport. Wer glaubt, hier zähle nur Muskelmasse, liegt falsch. „Es ist eher das ausgewogene Verhältnis aus Kraft und Ausdauer. Darüber hinaus benötigst du Technik, Timing und den Kopf“, sagt Nina Koep. Trainingspartner Ralf Ulmer ergänzt: „Auch Ernährung und Regeneration spielen eine zentrale Rolle. Die Woche vor dem Wettkampf ist die härteste. Man darf kaum noch trainieren, soll sich schonen – das fällt schwer.“

Das Bild zeigt die Kuchenheimerin Nina Koep während des Wettkampfs.

Die Übung nennt sich Farmers Carry. Nina Koep trägt zwei schwere Gewichte.

Stattdessen stehen Dehnen, Schlaf und die Zufuhr von Kohlenhydraten auf dem Plan. Während des Rennens bleibt keine Zeit zum Essen, kleine Taktiken helfen: „Wir nehmen Powergels mit, die man zwischendurch nutzen kann“, erklärt Tim Koep. „Das klingt banal, macht aber den Unterschied.“

Was alle Hyrox-Athleten besonders schätzen, ist die Atmosphäre. „Du bist zwar im Wettkampf, aber jeder gönnt dem anderen den Erfolg – alle feuern sich an“, sagt Ulmer. „Das ist eine echte Community.“ Sein Teamkollege ergänzt: „Wir haben in Stuttgart sogar den Weltmeister getroffen – der hat sich ganz normal mit uns unterhalten, gefragt, wie unser Race war. Das erlebst du in kaum einer anderen Sportart.“

Frauen bewältigen die selben Gewichte wie die Männer

Der Fitnesstrend verlangt alles ab – körperlich wie mental. Frauen treten in der Mixed-Kategorie mit denselben Gewichten an wie Männer. „Das ist eine Herausforderung“, sagt Nina Koep. „150-Kilo-Schlitten zu schieben ist kein Spaß. Aber genau das reizt mich – es zeigt, dass wir Frauen das genauso können.“

Kim Irmgartz rast mit ihrer Motocross-Maschine leidenschaftlich gerne über die Strecken dieser Welt. Aber auch sie tauscht die Schutzausrüstung und den Rennanzug immer wieder gegen enge Sporthose und Top. Die Fahrerin des MSC Euskirchen-Euenheim war ebenfalls in Frankfurt am Start – wie bereits im Vorjahr. Die Miss NRW des Jahres 2020 hatte einen harten Wettkampf zu absolvieren.

Bereits bei der ersten Station, einer Art Skilanglauftrainer, kamen die ersten Zweifel, ob das alles so richtig ist, was sie da machen: „Ich weiß nicht wie und vor allem nicht warum, aber ich habe es geschafft“, so die Motorsportlerin, die 1:21:39 Stunden benötigte und auf Platz 21 ihrer Altersklasse kam.


Das sind die Disziplinen beim Hyrox

Hyrox ist ein internationaler Fitnesswettkampf, der Ausdauer, Kraft und funktionelles Training kombiniert. Seinen Ursprung hat er 2017 in Deutschland und sich seitdem weltweit verbreitet. Das Besondere an Hyrox ist nach Angabe der Teilnehmer, dass es ein standardisiertes Eventformat ist – alle Wettkämpfe haben den gleichen Ablauf, sodass Leistungen global vergleichbar sind.

Der Wettkampf besteht aus acht Laufstrecken von jeweils einem Kilometer, die sich mit acht verschiedenen Work-outs abwechseln. Dadurch entsteht ein intensiver Wechsel zwischen Ausdauer- und Kraftbelastung.

Zu Beginn läuft man den ersten Kilometer, bevor das erste Work-out ansteht: 1000 Meter auf dem Ski-Erg. Danach folgt erneut ein Kilometerlauf, gefolgt vom zweiten Work-out, dem Sled Push, bei dem ein schwer beladener Schlitten über 50 Meter geschoben wird.

Nach einem weiteren Kilometer steht der Sled Pull an, bei dem der Schlitten über dieselbe Distanz zurückgezogen wird. Der vierte Laufkilometer führt zu den Burpee Broad Jumps – einer Kombination aus Burpees und weiten Sprüngen über insgesamt 80 Meter.

Nach dem fünften Kilometer wird auf dem Ruder-Ergometer 1000 Meter gerudert, bevor der sechste Laufabschnitt beginnt. Anschließend folgt der Farmers Carry, bei dem zwei schwere Kettlebells über 200 Meter getragen werden.

Nach dem siebten Lauf stehen 100 Meter Sandbag Lunges auf dem Plan, also Ausfallschritte mit einem Sandsack auf den Schultern. Der letzte Kilometer mündet schließlich in das achte und finale Work-out: Wall Balls, bei denen Medizinbälle aus der Hocke gegen eine Zielwand geworfen werden.

Die Teilnehmenden können einzeln antreten, als Duo oder in Staffeln, und es gibt unterschiedliche Wettkampfdivisionen, etwa die reguläre und die Pro-Kategorie.

Der Wettkampf fordert Ausdauer, Kraft und mentale Stärke gleichermaßen und gilt derzeit als eine der zugänglichsten, aber zugleich härtesten Fitness-Challenges für Breitensportler auf der Welt.