EuskirchenEhepaar seit sieben Jahren freigestellt – von JVA-Leiterin schikaniert?

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Fühlen sich schikaniert: Doch Telse und Herbert Becker verloren Aachener Mobbing-Prozess.

Fühlen sich schikaniert: Doch Telse und Herbert Becker verloren Aachener Mobbing-Prozess.

Kreis Euskirchen – Herbert (57) und Telse Becker (56) haben seit ungefähr sieben Jahren nicht mehr in ihrem Beruf als Justizvollzugsbeamte in der JVA Euskirchen gearbeitet, und trotzdem bislang jeden Monat ihre vollen Bezüge bekommen.

Eigentlich eine paradiesische Situation, oder? „Ich hätte lieber gearbeitet, denn ich habe meinen Job gerne gemacht“, sagt Telse Becker. Und ihr Mann Herbert resigniert: „Wir haben drauf gezahlt, gesundheitlich und finanziell.“

Zwischen der Justizvollzugsanstalt Euskirchen und ihrer Leiterin Renate Gaddum und dem Ehepaar Telse und Herbert Becker kam es in den vergangenen Jahren zu einer Serie von gerichtlichen Auseinandersetzungen, die jetzt in einer Klage über die Zahlung von zweimal 155 000 Euro Schmerzensgeld gipfelte, welche das Ehepaar Becker allerdings verlor.

Ungeheuerliche Vorwürfe

Die Vorgeschichte: Am 21. April 2010 wurde in einer TV-Magazin-Sendung Ungeheuerliches behauptet. Demnach soll Justizvollzugshauptsekretär Herbert Becker von einem Insassen der Haftanstalt „geschmiert“ worden sein.

Ein ehemaliger Inhaftierter behauptete, er habe Materialien für eine Heizungsanlage für den Beamten gefahren und dafür Vollzugslockerungen erhalten.

Auch eine große deutsche Boulevardzeitung berichtete. Kein Wunder, dass der Fall auch im Dorf die Runde machte. Dies habe, so wird in der dieser Zeitung vorliegenden Klageschrift erklärt, zu einer erheblichen Ausgrenzung des Ehepaars geführt.

Durchsuchung vor Ort angeboten

Bereits einen Tag nach der Sendung untersagte Anstaltsleiterin Gaddum Herbert Becker, die Dienstgeschäfte weiter zu führen. Das Ehepaar bot nach eigenen Angaben der Anstaltsleiterin an, die Sache aufzuklären und eine Durchsuchung vor Ort durchzuführen.

Doch das habe diese abgeblockt. Gaddum strengte ein Disziplinarverfahren an und erstattete Strafanzeige. Im Laufe des Verfahrens wurde Herbert Becker auch Tankbetrug vorgeworfen.

Verfahren vor dem Amtsgericht Euskirchen

Am 13. November 2012 kam es dann zum Verfahren vor dem Amtsgericht Euskirchen. Das Ehepaar Becker wurde dabei freigesprochen. Seitdem sind sich beide Parteien zehnmal vor Gericht begegnet. Fünfmal versuchte Gaddum, Herbert Becker an die JVA-Siegburg versetzen zu lassen.

Der sagte, als Behinderter sei er nicht in der Lage, täglich zweimal 100 Kilometer zu fahren. Jedes Mal gab das Verwaltungsgericht Becker Recht. Herbert und Telse Becker fühlten sich von der JVA-Leiterin schikaniert und erkrankten. Mehrfach wurde ihre Dienstfähigkeit überprüft.

Richter sah keinen Ansatzpunkt für Mobbing

Das jüngste Verfahren am Aachener Verwaltungsgericht hat das Ehepaar Becker nun verloren. Die Richter sahen keinen Ansatzpunkt für systematisches Mobbing. Finanziell könnten sie es sich nicht leisten, in Berufung zu gehen, klagt nun Herbert Becker. Hinzu komme, dass er ab dem 1. April in den vorzeitigen Ruhestand versetzt werden solle.

Dagegen werde er zwar klagen, doch das Verfahren werde sich sicherlich über zwei bis drei Jahre ziehen. „Wir werden unser Haus verkaufen müssen. Wir wissen finanziell nicht, wie es weitergeht“, klagt Herbert Becker. „Alles hat man uns zerstört“, sagt er verzweifelt.

Das sagt das Justizministerium zu dem Fall

Renate Gaddum, die Leiterin der Euskirchener Justizvollzugsanstalt Erlenhof, erklärte auf Anfrage, sie könne sich leider nicht zu dem Rechtsstreit äußern, weil sie dann gegen den Datenschutz verstoßen müsste. Ihr Dienstherr, das NRW-Justizministerium, nahm jedoch ausführlich Stellung. Zwar wurde die Anfrage dieser Zeitung, ob dadurch nicht ein Schaden zulasten des Steuerzahlers entstanden sei und ob es nicht nötig gewesen wäre, nach Möglichkeiten zu suchen, um den Konflikt zu lösen, nicht direkt beantwortet. Doch gibt das Ministerium aus seiner Sicht einen detaillierten Überblick über den Verlauf des sieben Jahre andauernden Rechtsstreits.

Laut Pressesprecher Detlef Feige seien im Frühjahr 2010 aufgrund einer Berichterstattung im Privatfernsehen Umstände bekanntgeworden, die den Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei der Gewährung von Freigängen zugunsten eines Gefangenen begründet hätten. „Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen erstattete daraufhin Strafanzeige gegen die Bediensteten Becker und leitete eine dienstrechtliche Überprüfung ein, da diese im Mittelpunkt der Vorwürfe standen“, so Feige.

Die Staatsanwaltschaft Bonn habe später ein Ermittlungsverfahren wegen Urkundenfälschung gegen die Ehefrau Telse Becker gemäß Paragraf 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das bedeute, das Ermittlungsverfahren habe sich erledigt. Entweder weil keine Straftat begangen wurde oder weil der ehemals Beschuldigten die Tat nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen werden konnte. Gegen Ehemann Herbert Becker habe die Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Bestechlichkeit Anklage erhoben. Nachdem der Hauptbelastungszeuge, ein ehemaliger Insasse der Haftanstalt, seine Angaben jedoch unter Hinweis auf seine Schweigerechte nicht wiederholt habe, sei der Bedienstete Herbert Becker freigesprochen worden. Damit seien auch die dienstrechtlichen Ermittlungen gegen beide ergebnislos abgeschlossen worden.

Schwierig und zeitaufwendig habe sich die Wiedereingliederung der beiden aufgrund der notwendigen Überprüfung der physischen und psychischen Einschränkungen gestaltet. Die Dienstfähigkeit sei ebenso wie die Frage alternativer, in zumutbarer Entfernung gelegener Einsatzmöglichkeiten mehrfach Gegenstand amtsärztlicher und vollzugsärztlicher Überprüfungen gewesen. Zudem sei auch der Ausgang mehrerer verwaltungsgerichtlicher Verfahren abzuwarten gewesen, die vom Ehepaar Becker angestrengt worden seien. „Dies hat weitere Zeit in Anspruch genommen“, erläuterte das Ministerium.

Mehrfach sei der Dienstherr mit der Prüfung der Angelegenheit befasst gewesen. Darunter falle auch der Vorwurf eines angeblichen Mobbings durch die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Euskirchen. Offenbar habe nun das Verwaltungsgericht Aachen festgestellt, dass die Sachbehandlung durch die Behördenleiterin nicht zu beanstanden sei. „Das deckt sich mit den hiesigen Feststellungen, wonach die Mobbingvorwürfe einer tragfähigen Grundlage entbehren“, sagte Pressesprecher Feige.

Nach umfassender Prüfung des Justizministeriums habe außerdem eine gegen die Anstaltsleiterin angestrengte Dienstaufsichtsbeschwerde dem Justizministerium keinen Anlass gegeben einzuschreiten. (pe)

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