„Unser System hat sich bewährt“So arbeitet das Amtsgericht Euskirchen in der Pandemie

Lesezeit 4 Minuten
Dass die sozialen Kontakte im Amtsgericht unter der Pandemie stark leiden, bedauert Petra Strothmann-Schiprowski sehr.

Dass die sozialen Kontakte im Amtsgericht unter der Pandemie stark leiden, bedauert Petra Strothmann-Schiprowski sehr.

  • Seit März 2020 arbeitet das Amtsgericht Euskirchen mit seinen 180 Beschäftigten unter Corona-Bedingungen. Direktorin Petra Strothmann-Schiprowski (65) schildert im Gespräch mit Johannes Bühl die Auswirkungen auf den täglichen Betrieb.

Euskirchen – Frau Strothmann-Schiprowski, wie verändert die Pandemie die Arbeit in Ihrem Haus?

Maßgeblich für uns sind stets die Corona-Schutzverordnung des Landes NRW, momentan die Fassung vom 7. Januar, und die darauf basierenden Erlasse des Justizministeriums. Es gelten die bekannten Hygiene- und Abstandsregeln. Die Maskenpflicht besteht grundsätzlich für alle und ist nur aufgehoben, solange sich jemand allein in seinem Dienstzimmer aufhält.

Wie laufen Besprechungen ab?

Zusammenkünfte zwischen den Mitarbeitern sind nur zulässig, wenn sie absolut notwendig sind. Das meiste wird schriftlich und telefonisch erledigt. Das bedeutet auch, dass das soziale Leben fast vollständig zum Erliegen gekommen ist, was ich sehr bedaure: Es gibt keine gemeinsamen Mittagspausen mehr und keine Kaffeerunden, in denen oft, sozusagen auf kurzem Weg, auch Dienstliches besprochen werden kann.

Wie ist der Publikumsverkehr geregelt?

Wir bitten unsere Besucher, sofern sie keine Ladung erhalten haben, alle Anträge und sonstigen Anliegen so weit wie möglich schriftlich zu erledigen und zu prüfen, ob eine persönliche Vorsprache zwingend notwendig ist. Ist dies ausnahmsweise der Fall, bitten wir um eine vorherige telefonische Terminabsprache. Das funktioniert und hat sich gut eingespielt.

Ist das womöglich ein Modell für die Zukunft?

Nur teilweise. In vielen Bereichen, insbesondere in der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zum Beispiel in Betreuungsverfahren und Nachlassangelegenheiten, lassen sich viele Fragen am besten durch persönliche Vorsprachen regeln. Dies dient der Zufriedenheit des Rechtssuchenden, die für uns sehr wichtig ist.

Arbeiten Bedienstete im Heimbüro?

Ja, Richterinnen und Richter, Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sollen derzeit, so weit wie möglich, Akten zu Hause bearbeiten. Wir haben auch 33 Telearbeitsplätze eingerichtet, die beispielsweise für die Arbeit der Rechtspfleger und -pflegerinnen, Kostenbeamten und -beamtinnen gut geeignet sind. Die Hauptkriterien bei der Auswahl der berechtigten Bediensteten waren die Erleichterung der Kinderbetreuung und der Schutz von Mitarbeitern, die zur Risikogruppe gehören.

Wie sind Ihre Erfahrungen?

Unser System hat sich bewährt. Mit dem verschärften Lockdown sind weitere Neuerungen hinzugekommen. Doppelbüros sind grundsätzlich nur noch einfach belegt, teilweise kommen Bedienstete, insbesondere Teilzeitkräfte, nur noch einen über den anderen Tag zum Dienst. Die mögliche tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist bis 20.30 Uhr verlängert und auf den Samstag ausgedehnt worden, wodurch wir eine weitere Entzerrung vor Ort erreichen. Die Erreichbarkeit während der Geschäftszeiten ist aber sichergestellt.

Seit Monaten werden Tag für Tag Verhandlungstermine aufgehoben. Ist dadurch ein Terminstau entstanden?

Von einem großen Stau kann man nicht reden. Im Moment werden zwar viele Januar-Termine verlegt. Derzeit muss aber keine Abteilung über den Monat Mai hinaus terminieren. Wie sich aber eine mögliche Verlängerung des verstärkten Lockdowns auf die Terminslage auswirken würde, muss abgewartet werden.

Welche Verfahren werden neu terminiert, welche nicht?

Diese Entscheidung unterfällt der richterlichen beziehungsweise rechtspflegerischen Unabhängigkeit und wird von den jeweils zuständigen Richtern und Rechtspflegern in eigener Verantwortung entschieden. Sie prüfen, ob eine Verlegung für die Betroffenen zumutbar ist.

Das könnte Sie auch interessieren:

Nicht verlegt werden können sämtliche Entscheidungen im Zusammenhang mit Freiheitsentziehungen, wie Haftsachen oder Unterbringungen in psychiatrische Kliniken, die von Gesetzes wegen unverzüglich zu treffen sind. Auch Strafsachen, in denen der Angeklagte in Untersuchungshaft sitzt, dürften vorrangig zu terminieren sein. Gleiches gilt für Familiensachen, bei denen eine Kindeswohlgefährdung im Raum steht, sowie für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und im Zivilbereich beispielsweise bei Räumungsklagen wegen Zahlungsverzugs.

Wie ist die Personalsituation im Allgemeinen? Sind Sie von Nachwuchssorgen betroffen, auf die sich, wie man hört, die Justiz einstellen muss?

In der Tat steht der Justiz eine Pensionierungswelle bevor. In allen Dienstzweigen, nicht nur im richterlichen, sondern vor allem auch im gehobenen Dienst, also im Rechtspflegerbereich, wird dringend qualifiziertes neues Personal gesucht. Dass die Ausbildung der Anwärter und Auszubildenden durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt wird, bereitet mir Sorgen. Es fehlen auch hier die sozialen Kontakte.

Sie sind im vergangenen Jahr 65 geworden. Bekommt das Amtsgericht Euskirchen bald eine neue Direktorin oder einen Direktor?

Meine Regelarbeitszeit läuft bis Ende März 2021. Ich könnte aber im Dienst bleiben, bis ich 67 werde. Das habe ich auch vor, wenn die Gesundheit es zulässt. Ich fühle mich fit und munter, und sowohl die Arbeit mit den Kolleginnen und Kollegen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als auch die Arbeit als Familienrichterin macht mir nach wie vor viel Freude. Ich hoffe natürlich sehr, dass sich die Arbeitsbedingungen, die momentan von Corona mitbestimmt werden, bald wieder ändern.

KStA abonnieren