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90 Kilometer lange MenschenketteEifeler engagierten sich beim Tihange-Protest

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Die Demonstranten aus dem Kreis Euskirchen wechseln in Belgien die Straßenseite, um sich der Anti-Atom-Menschenkette anzuschließen.

Die Demonstranten aus dem Kreis Euskirchen wechseln in Belgien die Straßenseite, um sich der Anti-Atom-Menschenkette anzuschließen.

Kreis Euskirchen/Belgien – Emanuel Dümmer aus Wolfert war am Sonntagmorgen schon um 5.30 Uhr aufgestanden und hatte zu schnibbeln begonnen. Denn er hatte nicht nur einen Zusatzbus für die Teilnehmer der Menschenkette gegen das Atomkraftwerk Tihange im belgischen Seraing organisiert, sondern vor Ort den hungrigen Aktivisten leckeres Gemüse in einer großen Paella-Pfanne zubereitet.

Als sämtliche vier Busse aus Kall auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in Seraing ihre Passagiere abgesetzt hatten, marschierte eine beeindruckende Menschenmenge zum Aufstellungsort am Kilometer 19. Dort hatten die Grünen einen kleinen Pavillon aufgebaut. Dort konnte man sich mit Aufklebern, Flyern und einem Protestband versorgen. Nach und nach wuchs die Kette in die Länge. Französisch sprechende Teilnehmer aus Brüssel reichten Eifelern die Hände. Der 13-jährige Xaver aus Kall war mit seiner Oma gekommen, für beide war es die erste Demo, an der sie teilnahmen. Sie hatten viel Spaß dabei.

CDU und Grüne aus Kall hatten mehr als 1100 Postkarten an einem Bindfaden befestigt und verteilten diese entlang der Strecke. Das war hochwillkommen, denn damit ließen sich Lücken in der Menschenkette problemlos überbrücken.

Anfangs rückten die Protestler erst nach und nach weiter, um eine große Lücke in Flemalle wenigstens ein bisschen zu füllen. Jung und alt tummelten sich an der Straße, Anti-Atomkraft-Fähnchen schwenkend und zum Schluss sogar eine La-Ola-Welle zelebrierend. Ein Liedermacher sang gegen die Atomkraft an, während andere eine Brotzeit hielten.

Junge Belgier machten sich einen Spaß daraus, johlend an der Menschenkette vorbei zu fahren. Von Zeit zu Zeit patrouillierte die Polizei entlang der Kette, sowohl mit Autos als auch auf Motorrädern. 90 Kilometer sollte die Menschenkette vom Reaktor im belgischen Tihange bis zum Rathaus in Aachen überbrücken. Der „Lückenschluss“ gelang nicht überall. Dafür reichten die rund 50 000 Teilnehmer nicht aus.

Der Kaller CDU-Fraktionschef Toni Mießeler war indes froh, dass die Eifeler ihren Streckenabschnitt hatten füllen können. Auch die Spitzen der Kaller Politik machten mit. Herbert Radermacher, bisheriger Bürgermeister (CDU), sagte: „ Was man über den Reaktor hört, ist nicht vorteilhaft. Sie müssen bedenken, was in unserer Region los wäre, wenn da wirklich etwas passieren würde.“ Er sei stolz auf die Gemeinde Kall, dass diese Initiative auf der politischen Ebene so initiiert worden sei.

Auch die beiden Kandidaten für die Bürgermeisterwahl im September fuhren mit: Hermann-Josef Esser (CDU) sagte: „Ich bin der Überzeugung, dass wir etwas gegen Tihange bewirken können, wenn wir das auf verschiedenen Wegen versuchen. Ich bin sehr beeindruckt von der heutigen länderübergreifenden Aktion.“ Auch für Kandidat Rolf Schneider (FDP) war die Teilnahme eine Herzensangelegenheit: „Wir müssen alle Kräfte bündeln, um gegen Tihange etwas zu unternehmen.“ Dr. Manfred Wolter, FDP-Fraktionsvorsitzender, ergänzte: „Ich bin mitgefahren, weil ich mich von diesem maroden Kernkraftwerk in Belgien bedroht fühle.“ Mießeler forderte eine Abschaltung der Anlagen. Er machte deutlich, dass man nicht gegen das Land Belgien protestiere, sondern gegen die Unvernunft mancher Betreiber.

Viele Familien nahmen teil

Viele Familien mit Kindern nahmen an der Demonstration teil. So auch Familie Wielspütz, die ein Haus in der Eifel hat und schon seit Generationen in der Eifel lebt. „Unsere Kinder sollen in einer gesunden Umgebung aufwachsen“, sagte Mark Wielspütz. Und seine Frau Carmen ergänzte: „Ich glaube, es sind die kleinen und vielen Momente, die zählen. Und das, was wir als Bevölkerung tun können, haben wir heute getan.“

„Ich fühle mich als Teil von etwas Großem“, sagte Janka Hiby aus Niederkastenholz. Auch Brunhilde Mertens war zum Tihange-Protest mit ihrem Mann und Nachbarn angereist, um ein Zeichen zu setzen. „Wir sind ja schon schon alt. Aber vor sechs Wochen sind wir Großeltern geworden. Und deswegen ist es für uns entscheidend, dass man nun ein bisschen weiterdenkt“, sagte sie.

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