ImpfpflichtKreis Euskirchen geht von bis zu 500 Ungeimpften in Pflegeberufen aus

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Corona Impfpflicht

In Pflegeberufen gilt nun eine Impfpflicht. Das Gesundheitsamt kann nach Rücksprache mit dem Arbeitgeber in Einzelfällen Ausnahmeregeln treffen. 

Kreis Euskirchen – Einrichtungsbezogene Impfpflicht auf der einen, „Freedom Day“ auf der anderen Seite. Ab sofort müssen die Beschäftigten im Gesundheitswesen und in Pflegeberufen nachweisen, dass sie gegen Corona geimpft oder genesen sind. Parallel dazu bereiten und Bund und Länder Lockerungen bei den Corona-Schutzverordnungen vor, die ab dem 20. März in Kraft treten sollen. Wie genau die „Freiheiten“ aussehen werden, bleibt abzuwarten.

Was müssen von der Impfpflicht Betroffene tun?

Menschen, die beispielsweise in Pflegeberufen arbeiten, müssen ihrem Arbeitgeber bis zum 15. März den Nachweis einer vollständigen Impfung oder einer maximal 90 Tage zurückliegenden Genesung erbringen. Menschen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, müssen bis dahin bei ihrer Einrichtung einen Nachweis über die medizinische Kontraindikation vorlegen.

Was müssen die Einrichtungen tun?

Wenn Beschäftigte die genannten Nachweise nicht erbringen oder Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit des Nachweises bestehen, hat die Einrichtungs- und Unternehmensleitung das örtliche Gesundheitsamt zu informieren. Die Arbeitgeber müssen laut NRW-Gesundheitsministerium aus Fürsorgepflicht gegenüber den vulnerablen Gruppen prüfen, ob nicht erbrachte Nachweise arbeitsrechtliche Konsequenzen rechtfertigen.

Was ist die Aufgabe des Kreis-Gesundheitsamtes?

Wenn eine Einrichtung das Fehlen eines Nachweises an das Gesundheitsamt meldet, nimmt dieses Kontakt zum Beschäftigten auf und fordert den entsprechenden Nachweis ein. Erfolgt darauf keine Rückmeldung, kann ein Bußgeld von bis zu 2500 Euro verhängt werden. Bestehen Zweifel an der Echtheit und/oder inhaltlichen Richtigkeit von Befreiungsnachweisen, kann das Gesundheitsamt eine ärztliche Untersuchung anordnen, ob eine medizinische Kontraindikation vorliegt.

Politiker zum Freedom-Day

Klaus Voussem, CDU

Klaus Voussem, Landtagsabgeordneter der CDU in Düsseldorf, sagt: „Wir sind jetzt in einer entscheidenden Phase der Pandemie-Bekämpfung. Weitgehend flächendeckend verabredete Basisschutzmaßnahmen und bewährte Instrumente der Pandemie-Bekämpfung sollen abgeschafft werden, stattdessen zeichnet sich nach den Vorstellungen der Bundesregierung ein Flickenteppich an Regeln ab, den die Menschen kaum verstehen werden.“ Auch wenn er es begrüße, den Bürgern möglichst viele Freiheiten wieder zurückzugeben, plädiere er weiterhin für konzentrierte Wachsamkeit. „Das Virus richtet sich nicht nach dem Terminkalender und verschwindet zum Frühlingsbeginn. Auch nach dem 20. März müssen wir deshalb weiterhin mit Vorsicht unterwegs sein“, so Voussem: „Grundlegende Schutzregeln und weitere Eingriffsmöglichkeiten für regionale Ausbrüche müssen trotz der Lockerungen bestehen bleiben. Und nach wie vor gilt: Nicht alles was erlaubt ist, ist auch klug.“ (tom)

Dr. Ralf Nolten, CDU

Dr. Ralf Nolten, Landtagsabgeordneter der CDU: „Einen Basisschutz halte ich schon noch für sinnvoll. Wenn ich sehe, dass kaum noch jemand mit Maske unterwegs ist, dann bezweifle ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Ich hoffe, dass wir die Disziplin aufrecht erhalten.“ (tom)

Frederik Schorn, FDP

Frederik Schorn, Fraktionschef der Kreis-FDP, befürwortet hingegen den geplanten „Freedom Day“. „Im Gesundheitssystem ist derzeit trotz Rekordinzidenzen keine Überlastung zu sehen. Massive Einschränkungen der Bürgerrechte wurden aber immer mit Hinweis auf diese Gefahr begründet. Nach zwei Jahren Pandemie treten wir jetzt ein in eine neue Phase der Eigenverantwortung. Ich befürworte die geplanten Lockerungen daher“, sagt der Weilerswister auf Nachfrage. (tom)

Thilo Waasem, SPD

Thilo Waasem, Fraktionschef der SPD im Euskirchener Kreistag, sagt: „Wir alle sehnen uns nach Normalität. Ich maße mir aber nicht an, eine Lösung zu haben. Die Corona-Pandemie hat sich inzwischen weiterentwickelt. Vor zwei Jahren haben wir noch bei Inzidenzen um die 50 alles dicht gemacht.“ (tom)

Karl Vermöhlen, SPD

Karl Vermöhlen, Arzt und SPD-Gesundheitsexperte im Kreistag: „Das Wort Freedom Day ist unsäglich. Die Lockerungen kommen zu früh, weil wir noch zu viele Ungeimpfte haben. Ich finde aber gut, dass die Beschränkungen lokaler kommen werden.“ (tom)

Wird innerhalb einer angemessenen Frist kein Nachweis vorgelegt oder der Aufforderung zu einer ärztlichen Untersuchung nicht Folge geleistet, besteht für das Gesundheitsamt die Möglichkeit, der betroffenen Person zu untersagen, die Räumlichkeiten der jeweiligen Einrichtung zu betreten oder dort tätig zu werden. Bei der Entscheidung, ob ein solches Verbot ausgesprochen werden soll, sind sowohl personenbezogene Aspekte (beispielsweise die Art der Tätigkeit) als auch die konkrete Situation in der Einrichtung oder dem Unternehmen zu berücksichtigen.

Nach Angaben von Kreis-Pressesprecher Wolfgang Andres schätzt der Kreis, dass etwa fünf bis zehn Prozent der vom Gesetz erfassten Personen nicht geimpft sind. Das wären 300 bis 500 Menschen. Auch der Impfstoff Novavax habe nicht zu einer Trendwende geführt, so Andres.

Wie lange gilt der Genesenenstatus?

Seit dem 15. Januar gilt: Die Dauer des Genesenenstatus beträgt drei Monate – zuvor waren es sechs. Als genesen gilt man nach Angaben des Kreises Euskirchen vom 29. bis zum 90. Tag nach einem positiven PCR-Test. Hintergrund der Regelungen sei der Gesundheitsschutz: Wissenschaftliche Studien zeigten, dass man nach einer Genesung nicht so lange vor einer Infektion mit der Omikron-Variante geschützt sei wie zuvor bei anderen Varianten des Virus, heißt es aus dem Kreishaus.

Wie ist die Situation in Einrichtungen im Kreis Euskirchen?

Im Evangelischen Alten- und Pflegeheim in Gemünd beträgt die Impfquote bei den Beschäftigten 99 Prozent, teilt Geschäftsführer Malte Duisberg auf Anfrage mit. „Wir sind sehr zufrieden und in der Hinsicht sehr entspannt unterwegs“, so Duisberg weiter. Das eine Prozent der Mitarbeiter, die nicht geimpft oder geboostert sind, arbeite nicht in der Pflege. Die hohe Impfquote komme auch daher, dass das Haus Impfaktionen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter organisiert hatte, so Duisberg: „Wer wollte, musste sich um nichts kümmern und konnte sich bei uns im Haus impfen lassen.“

Im Marien-Hospital Euskirchen sieht es ähnlich aus. „Bei den Mitarbeitern unserer Stiftungsfamilie war die Impfbereitschaft berufsgruppenübergreifend von Beginn an sehr hoch. So auch im Marien-Hospital“, sagt Pressesprecherin Nicole Nettersheim auf Anfrage: „Daher haben wir glücklicherweise nur wenige ungeimpfte Mitarbeiter zu verzeichnen – ein Versorgungsengpass ist nicht zu befürchten.“

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Walter Steinberger, Geschäftsführer und Pflegedienstleiter der Diakonie-Station Euskirchen, ist ebenfalls froh über die hohe Impfbereitschaft seines Teams: „Bei uns ist die Bereitschaft zur Impfung sehr hoch, auch für die Impfpflicht gibt es einen hohen Grad an Verständnis. Nur zwei Mitarbeitende sind nicht geimpft – allerdings aus nachvollziehbaren medizinischen Gründen. Sie können sich nicht impfen lassen.“ Er hofft darauf, dass für sie Ausnahmegenehmigungen durch das Gesundheitsamt erteilt werden. „Auch weil der Ausfall zweier Mitarbeiter einen erheblichen Einschnitt in der Versorgung unserer Kunden bedeuten würde“, so Steinberger.

In einer Ergotherapeutischen Praxis in Euskirchen ist nach Angaben der Chefin ein Mitarbeiter nicht geimpft. Der ist aber gerade mit Corona infiziert. Entsprechend gilt für ihn der Genesenenstatus. Wie es nach den drei Monaten weitergeht, werde sich zeigen. Sollte er keine Ausnahmegenehmigung des Gesundheitsamts erhalten, würde das die Praxis – und vor allem die Patienten – „hart treffen“, so die Ergotherapeutin.

Wie ist die Meinung zum „Freedom-Day“?

„Der Tag ist meines Erachtens das falsche Signal, zumal die derzeitigen Infektionszahlen dagegensprechen. Nachvollziehbar ist der Wunsch der Menschen schon, die Pandemie endlich hinter sich zu lassen“, sagt Steinberger: „Unseren 27 Mitarbeitern die jetzt für sie geltende Impfpflicht zu erklären, während gleichzeitig über einen Freedom Day diskutiert wird, halte ich für eher schwierig.“

„Ich finde das Wort ganz schrecklich“, sagt Sonja Zingsheim, stellvertretende Leiterin des Kreis-Gesundheitsamts. Man sollte auch nach dem 19. März „ein gewisses Notfallwerkzeug besitzen, um besondere Lagen in den Griff zu bekommen“. Es sei wünschenswert, dass das Infektionsschutzgesetz diesen Handlungsspielraum biete. „Einen Tag festzulegen, an dem man sagt ,Jetzt ist alles vorbei’ und dann im Herbst die Rolle rückwärts machen zu müssen, finde ich kommunikativ schwierig“, so Zingsheim.

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