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Abschied
Nach 50 Jahren Politik im Kreis Euskirchen: Bernd Kolvenbach zieht sich zurück

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7 min
Bernd Kolvenbach am Schreibtisch.

Kaum eine Vorlage oder ein Antrag der CDU-Fraktion ging nicht über seinen Schreibtisch: Viele Jahre war Bernd Kolvenbach deren Geschäftsführer.

1975 begann er seine politische Laufbahn in Euskirchen. Er saß viele Jahre mit an den Hebeln der Kommunalpolitik. Nun zieht Bernd Kolvenbach zum Abschied Bilanz.

Wer Anfang der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts in der Euskirchener Stadtpolitik etwas bewirken wollte, musste in die CDU gehen. Das wurde Bernd Kolvenbach ziemlich schnell klar, als die Stadt zwar ein Jugendzentrum erhalten sollte, allerdings noch nicht feststand, wohin es kommen sollte. Im Kreis Euskirchen herrschten damals bayrische Verhältnisse. Ähnlich wie ihre Schwesterpartei CSU in Bayern fuhr die CDU hierzulande die absoluten Mehrheiten in Serie ein. Lange ist's her.

„Die damaligen CDU-Oberen waren eher groß darin, über die Jugend zu sprechen, aber weniger groß darin, mit ihr zu sprechen“, erinnert sich Kolvenbach am Ende seiner politischen Laufbahn an deren Anfang. Mehr als 50 Jahre liegen dazwischen. Niemand sonst gehört dem noch amtierenden Kreistag so lange an wie der Euskirchener.

Die etwas starren Strukturen in der damaligen CDU haben ihn jedenfalls nicht abgeschreckt. Er sah das eher als Herausforderung – und trat ein. „Das passte auch gut zu dem christlichen Weltbild, das mir meine Eltern vermittelt haben“, sagt Kolvenbach im Gespräch mit dieser Zeitung. Fortan gehörte er zu den Jungen Wilden in der Partei – und die hatten es auch nicht immer leicht.

Für die Hinterbank im Kreistag taugt Bernd Kolvenbach nicht

„Ich habe damals erfahren, was es bedeutet, wenn die Älteren auf ihren Sitzen kleben und Jüngeren den Platz versperren“, sagt er. Mit inzwischen 69 Jahren wolle er nun nicht auf der anderen Seite des Tisches sitzen, erklärt er, warum er bei der jüngsten Kommunalwahl nicht mehr antrat.

Für das langsame Ausklingenlassen irgendwo auf der Hinterbank des Kreistages scheint Kolvenbach auch nicht geeignet. Er gehörte zu den Alphatieren in der Kreispolitik. Als Geschäftsführer der ewigen Mehrheitsfraktion im Kreistag saß er von 1994 bis 2021 immer mit an den Schalthebeln,   mit denen die Weichen für den Kreis gestellt wurden.

Das Archivfoto von 2009 zeigt Bernd Kolvenbach (CDU), Kreistagsmitglied Hans Schmitz (SPD) und die Fraktionsvorsitzenden Josef Reidt (CDU) und Uwe Schmitz (SPD) bei der Vorstellung des Koalitionsvertrages.

Mit den damaligen SPD-Größen Uwe Schmitz (r.) und Hans Schmitz (2.v.l) brachten CDU-Fraktionschef Josef Reidt (3.v.l.) und Kolvenbach 2009 die Große Koalition zustande. Sie hielt elf Jahre.

Jahrelang hatte er einen ständigen Draht zum Landrat, ging in dessen Büro ein und aus – zumindest solange der der CDU angehörte. Also bis 2009. Und als die CDU nicht mehr die absoluten Mehrheiten einheimste – die bayrischen Verhältnisse sind ja selbst in Bayern nicht mehr das, was sie mal waren –, handelte er Koalitionsverträge mit aus. Etwa 2009, als die GroKo mit der SPD zustande kam – im Gepäck schon damals ein großer Vorrat an politischen Erfahrungen.

Heute nehmen wir mit sehr viel Geld wieder Strecken in Betrieb, die damals stillgelegt wurden.
Bernd Kolvenbach ärgert sich über das Kaputtsparen bei der Bahn

Denn 34 Jahre zuvor, 1975, kam die damalige CDU-Nachwuchshoffnung als Sachkundiger Bürger in den Ausschuss für Soziales und Gesundheit. „Bruno Grobelny war mein Ziehvater“, nennt er den ehemaligen Euskirchener Caritas-Chef. Vier Jahre später zog er in den Kreistag ein – und blieb erstmal bis 1989. Dann aber verlor er den Wahlbezirk gegen den späteren Euskirchener Bürgermeister Kurt Kuckertz (SPD). Erst 1992 kehrte Kolvenbach in den Kreistag als Nachrücker zurück.

Trotz dieser Zwangspause kann er heute mit Fug und Recht behaupten, 50 Jahre am Stück in den Gremien des Kreistags mitgewirkt zu haben. Während seiner Kreistagsabstinenz blieb Kolvenbach nämlich Sachkundiger Bürger im Jugendhilfeausschuss (JHA), war sogar Sprecher der CDU in diesem Gremium, was insofern bemerkenswert ist, als dass diese Posten in der Regel den Kreistagsmitgliedern vorbehalten sind. 1994 wurde Kolvenbach erstmals von den Ausschussmitgliedern zum Vorsitzenden gewählt – und dann immer wieder. Inzwischen 31 Jahre lang.

Für einen gepflegten politischen Streit war er immer zu haben

Dabei war Kolvenbach immer für einen gepflegten politischen Streit zu haben, gerne klar und deutlich. Langsam sprechend, dafür mit raumfüllender Stimme, scheute er keine Auseinandersetzung mit den politischen Gegnern. Die Unterschiede, so sagt er, sollten schon erkennbar bleiben.

Aber wenn es darum gehe, Kindern und Familien zu helfen, habe die Parteipolitik zurückzustehen. „Da gibt es keine roten, schwarzen oder grünen Familien“, nimmt er Bezug auf die politische Farbenlehre. Genauso wie es keine schwarzen, roten oder grünen Schienen gebe, womit Kolvenbachs zweites Leib- und Magenthema angesprochen wäre. Man könne vielleicht sogar sagen, das Thema habe sich ihn ausgesucht.

„Ich hatte nie einen Führerschein“, erzählt der Euskirchener: „Täglich habe ich mich darüber geärgert, wenn Züge ausfielen.“ Dass sich daran bis heute nicht viel geändert habe, sei Folge des jahrelangen Kaputtsparens auf der Bundesebene. „Heute nehmen wir mit sehr viel Geld wieder Strecken in Betrieb, die damals stillgelegt wurden“, ärgert er sich.

Sein Vermächtnis: Nach außen muss der Kreis Euskirchen geschlossen auftreten

Immerhin: Die Züge fahren hier und da wieder, etwa die Bördebahn zwischen Euskirchen und Düren. Da wiederum könne Lokalpolitik dann doch etwas bewirken – vorausgesetzt, alle Vertreter des Kreises sprechen nach außen hin mit einer Stimme. „Das ist lebens-, ja überlebenswichtig“, sagt Kolvenbach in einer Art Vermächtnis für seine Nachfolger.

So hätten er und der SPD-Verkehrsexperte Hans Schmitz immer gemeinsam den Kreis in den regionalen Gremien des Öffentlichen Personennahverkehr vertreten. Manche Politiker aus den Metropolen hätten zwar schnell durchschaut, dass Köln und Bonn nur florieren, wenn die Menschen aus der Region zu ihnen pünktlich zur Arbeit und/oder bequem zum Shoppen kämen, erzählt Kolvenbach. Anderen wiederum hätte man diese Einsicht aber noch mit einer Prise an freundlichem Nachdruck näherbringen müssen. „In diesem Bereich wird Bernd in der CDU eine riesige Lücke hinterlassen“, lobt Hans Schmitz seinen Mitstreiter.

Das Verhältnis zum damaligen Landrat Günter Rosenke kühlte sich ab

Dass die Züge auf der Voreifel- und Eifelstrecke im Laufe der Jahre am Tag immer häufiger fuhren und dass die Elektrifizierungen schon vor der Flut in trockene Tücher gebracht worden waren und nach der Flut im Rahmen des Wiederaufbaus sogar beschleunigt werden sollen, zählt Kolvenbach daher zu den erfreulichen Erlebnissen seiner Zeit in der Politik. 2030 solle es dann soweit sein.

Auf einige menschliche Enttäuschungen, die wegen der höheren Erwartungshaltung naturgemäß eher mit Parteikollegen verbunden sind, hätte er andererseits auch gerne verzichtet. Die Turbulenzen in der Kreis-CDU 2009, in der der Partei der Landrat abhandenkam, nimmt keinen Ehrenplatz in seinen Erinnerungen ein. Vom gescheiterten Vorstoß des damaligen CDU-Kreischefs Clemens Pick, Landrat Günter Rosenke abzulösen, habe er von Anfang an nichts gehalten. Das Verhältnis zu Rosenke, der fortan als parteiloser Landrat amtierte, kühlte sich auch ab.

Er selbst habe nie mit dem Gedanken gespielt, der CDU den Rücken zu kehren, sagt er – und werde das voraussichtlich in diesem Leben auch nicht mehr tun. „Es sei denn, die CDU im Kreis nähert sich irgendwann der AfD an, aber dafür gibt es zum Glück keine Anzeichen“, stellt Kolvenbach klar.

Was also bleibt nach mehr als 50 Jahren? Kolvenbach lehnt sich zurück, denkt kurz nach und formuliert dann, wie so oft im Kreistag, langsam, deutlich und schriftreif: „Wenn es gelungen ist, das Leben von Menschen etwas besser zu machen, indem zum Beispiel Kindern und Familien oder ÖPNV-Nutzern geholfen wurde, bin ich sehr zufrieden.“ Mehr könne man als Lokalpolitiker nicht erwarten. Aber dann habe es sich auch gelohnt.


Bernd Kolvenbach: Seine Mandate laufen nun nach und nach aus

Während seine Zeit im Kreistag mit der Konstituierung des neuen Kreistags Anfang November endet, bleibt Bernd Kolvenbach noch bis Februar 2026 Vorsitzender der Verbandsversammlung des Verkehrsverbundes Rhein-Sieg (VRS). Dann endet auch deren Legislaturperiode.

Seit 2013 führt Kolvenbach dieses Gremium, ein Jahr später wurde er Vorsitzender der Verbandsversammlung des Zweckverbandes Nahverkehr Rheinland (NVR), der seit 2020   go.Rheinland heißt.

Seit 1989 ist Bernd Kolvenbach geschäftsführendes Vorstandsmitglied und seit 2021 hauptamtlicher Geschäftsführer des Kinderschutzbundes, Kreisverband Euskirchen. Sein Vertrag läuft noch bis 2026. 


Abschied aus der Politik – Die Serie

Sie haben teils Jahrzehnte die Geschicke des Kreises Euskirchen und die ihrer jeweiligen Stadt und Gemeinde mitbestimmt. Eine Reihe von langgedienten Volksvertretern zieht sich nun aus der Lokalpolitik zurück. Sie werden dem künftigen Kreistag beziehungsweise Rat nicht mehr angehören.

In Gesprächen mit der Redaktion ziehen sie Bilanz und plaudern auch ein bisschen aus dem „Maschinenraum“ der Kommunalpolitik.