„Dialog Landwirtschaft“Bauern im Kreis Euskirchen fordern klares Bekenntnis von der CDU

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Ein Besucher einer Diskussionsveranstaltung gestikuliert, während ihm der Moderator ein Mikrofon entgegenstreckt.

Landwirt Stephan Brock aus Schweinheim (l.) beklagte die Auswüchse der Bürokratie: Obwohl er die Haltung von Milchkühen auf seinem Hof aufgegeben hat, wollen Veterinäre weiterhin die Ohrmarken der Tiere kontrollieren.

Dialog Landwirtschaft: MdB Detlef Seif (CDU) und die Kreisbauernschaften Euskirchen und Köln/Rhein-Erft trafen sich zum Austausch in Kommern.

Schwimmen der CDU bei den Landwirten die Felle davon? Auf Einladung des Weilerswister CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif trafen sich am Gründonnerstag in der Kommerner Bürgerhalle Landwirte und andere Akteure aus dem Agrarsektor mit Vertretern der CDU. Die Veranstaltung, zu der rund 200 Besucher kamen, hatte Seif zusammen mit den Kreisbauernschaften Euskirchen und Köln/Rhein-Erft organisiert.

„Die Landwirtschaft ist für uns ein ganz wichtiges Thema, das in viele weitere Wirtschaftsbereiche ausstrahlt“, erklärte Seif zum Auftakt. Die Proteste der Bauern hätten mehr als deutlich gemacht, dass die Betriebe aktuell „Zuversicht, Vertrauen und Planbarkeit“ vermissten. Deshalb wolle er verstärkt den Dialog mit der Landwirtschaft suchen.

CDU sorgt für hohe „Abgeordneten-Dichte“ im Bürgerhaus Kommern

Dass sich die Christdemokraten auch im Kreis Euskirchen inzwischen wesentlich stärker um mögliche Wählerstimmen aus den Reihen der Landwirtinnen und Landwirte bemühen müssen als in früheren Jahrzehnten, das machte auch eine Wortmeldung aus dem Publikum deutlich: „Ich bin vor ein paar Wochen extra zu einer Veranstaltung nach Bitburg gefahren, um den Hubert Aiwanger von den Freien Wählern zu hören“, berichtete ein Landwirt aus dem Erftkreis, nach eigener Aussage selbst Mitglied der CDU, im Kommerner Bürgerhaus: „Da geht einem schon das Herz auf, und so ein klares Bekenntnis für die Landwirtschaft fordere ich auch von der CDU!“

Landwirt Helmut Dahmen (r.) führt eine Besuchergruppe aus CDU-Politikern durch einen seiner Viehställe.

Bei einer Führung durch die verschiedenen Ställe seines Betriebs erläuterte Helmut Dahmen (r.), Vorsitzender der Kreisbauernschaft, wo ihn und viele seiner Berufskollegen derzeit der Schuh drückt.

Um diesem Engagement für die Belange der Bauern Ausdruck zu verleihen, hatte sich Seif fachlich kompetente Unterstützung nach Kommern mitgebracht: Sein Fraktionskollege Hermann Färber ist in Berlin Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und führt im schwäbischen Göppingen selbst einen Bauernhof. Weitere CDU-Abgeordnete aus dem Bundestag, dem NRW-Landtag sowie der Europa-Abgeordnete Axel Voss komplettierten das Feld. „Das ist die wahrscheinlich höchste Abgeordneten-Dichte, die wir hier je hatten“, freute sich Seif.

Bürokratie-Abbau ist den Bauern besonders wichtig

Ein Thema, das vielen der zum Dialog bereiten Landwirte derzeit auf den Nägeln brennt, ist der Abbau von Bürokratie: „Die Biogasanlage auf meinem Hof läuft eigentlich von alleine. Trotzdem muss ich an 365 Tagen im Jahr jeweils rund zehn Minuten Arbeitszeit aufwenden, um den Betrieb von Hand zu dokumentieren“, nannte Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen, ein Beispiel aus der Praxis.

Kühe stehen in einem modernen Stall und fressen. Im Hintergrund ist ein Traktor zu erkennen.

Rund 450 Milchkühe stehen im Stall von Helmut Dahmen in Lorbach. Bis auf den Treibstoff für die Fahrzeuge ist der Hof dank Wind- und Sonnenstrom sowie Strom und Wärme aus der Biogasanlage energieautark.

Unmittelbar vor dem Treffen in Kommern hatte sich der Tross der CDU-Politiker bei Dahmen zu einer Betriebsbesichtigung eingefunden. Dort wollten Seif und Co. sich einen persönlichen Eindruck davon machen, wo den Bauern derzeit der Schuh drückt. „Einerseits sind wir in der glücklichen Lage, dass wir genug bäuerlichen Nachwuchs im Kreis Euskirchen haben“, sagte Dahmen: „Andererseits gibt es in der jungen Generation aber sehr große Hemmungen, in die Tierhaltung zu investieren, weil es keine Klarheit über die Rahmenbedingungen gibt.“

Ich werbe ganz sicher nicht für ein Bündnis mit den Grünen, aber am Ende ist es wichtig, Mehrheiten zu finden.
MdB Detlef Seif (CDU) zu einer möglichen Koalition in Berlin

Während Dahmen auf dem Antoniushof in Lorbach rund 450 Milchkühe hält, hat sich sein Berufskollege Stephan Brock aus Schweinheim unlängst aus der Milchviehhaltung zurückgezogen. „Ich habe die Tiere korrekt abgemeldet. Trotzdem kamen wenig später zwei Veterinäre vorbei, um die Ohrmarken der Tiere zu kontrollieren. Und die beiden haben mir gesagt, dass sie auch im nächsten und übernächsten Jahr auch noch einmal zur Kontrolle vorbeikommen werden.“

Sorgen breiten auch Pflanzenschutz und Mindestlohn

Ganz konkrete Sorgen wurden auch im Bereich der Pflanzenschutzmittel geäußert: „Wir hatten mal rund 800 Wirkstoffe zur Verfügung. Jetzt sind es nur noch etwa 300, und in wenigen Jahren wird sich die Zahl auf weniger als 200 verringern“, rechnete ein Obstbauer aus Frechen vor. Außerdem führe der Mindestlohn, der auch ausländischen Saisonkräften gezahlt werden müsse, dazu, dass man bei Beerenobst nicht mehr wirtschaftlich produzieren könne. Andere Bauern beklagten, dass man vielen Verordnungen und Vorgaben aus Berlin, Brüssel und Düsseldorf anmerke, dass sie mit wenig Fachverstand verfasst worden seien.

Bundespolitiker Färber hielt dagegen: „In der CDU/CSU-Fraktion gibt es sicherlich die größte land- und forstwirtschaftliche Berufserfahrung.“ Als Landwirt mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Bodenbearbeitung kenne er seine Äcker am besten. „Da will ich mir nicht von einem Kataster im Internet vorschreiben lassen, an welchem Tag ich die Fläche zum Pflügen befahren darf“, brachte der Schwabe ein Beispiel aus seinem eigenen Betrieb.

Bei der Frage nach einem Partner im Bund bleibt CDU-Politiker Seif vage

Doch der Funke wollte nicht so recht auf die Stimmung im Saal überspringen. Landwirt Thomas Gräf aus Elsig, einer der besonders aktiven Organisatoren der Protestveranstaltungen zu Jahresbeginn, hatte sich vor allem auf die Grünen und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir eingeschossen: „Es kann doch nicht sein, dass sich der deutsche Landwirtschaftsminister, der sich für unsere Interessen einsetzen sollte, in Polen für Agrarimporte aus der Ukraine starkmacht“, wetterte Gräf unter dem Beifall zahlreicher Kollegen.

Und dann stand auch schon die Frage nach einem möglichen Koalitionspartner für die CDU bei der nächsten Bundestagswahl im Raum. Wer von Seif ein klares Nein zu einem möglichen Bündnis mit den Grünen hören wollte, wurde enttäuscht: „Als Demokrat sollte man das nie kategorisch ausschließen“, sagte Seif, der seit 2009 im Bundestag sitzt: „Ich werbe ganz sicher nicht für ein Bündnis mit den Grünen, aber am Ende ist es wichtig, Mehrheiten zu finden.“

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