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600 Kinder wären betroffenZwei Bewegungsbädern im Kreis Euskirchen droht die Schließung

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Symbolisch bewegen sich Püppchen um eine Corona-Schutzmaske wie in einem Bad.

Wegen Corona blieb vielen Kindern im Kreis Euskirchen das Schwimmenlernen verwehrt.

Wasserzeiten für Kinder sind im Kreis Euskirchen Mangelware – auch, weil das Schwimmbad in Kall seit der Flut geschlossen ist. Im Frühjahr könnte sich die Situation beim Kinder- und Babyschwimmen noch verschärfen. Die SPD wartet nun mit einem Vorschlag auf.

Die Pro Medik Concept GmbH überlegt nach eigenem Bekunden, die Bewegungsbäder im Kreiskrankenhaus Mechernich und im Geriatrischen Zentrum Zülpich zum 1. April 2023 zu schließen. Damit säßen auf einen Schlag etwa 600 Kinder auf dem Trockenen, könnten von heute auf morgen nicht mehr Schwimmen lernen oder ans Wasser gewöhnt werden.

Wir müssen die Kinder ins Wasser bekommen. Alles andere geht gar nicht.
Simone Schridde, Schwimmschule „Wellenbrecher“

Diederik Pauwels, Geschäftsführer der Pro Medik GmbH, nennt als Grund für die mögliche Schließung im Gespräch mit dieser Zeitung die gestiegenen Energiekosten. 120.000 Euro betragen Pauwels zufolge allein die Nebenkosten für die beiden Bewegungsbäder. Die Tendenz ist aufgrund der Energiekosten steigend.Hinzu komme die Miete.

Zwischenzeitlich stand sogar im Raum, dass die beiden Schwimmbecken bereits zum Jahreswechsel dicht gemacht werden. „Das wäre eine Katastrophe gewesen“, sagt Brigitte Simons, Geschäftsführerin der Schwimmschule „Die Poolpiraten“.

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Die Wartelisten für Schwimmkurse im Kreis Euskirchen sind sehr lang

Die Wartelisten für Schwimmkurse seien schon vor der Corona-Pandemie „sehr lang gewesen“, so Simons. Corona und Flut hätten die Situation verschärft. Das bestätigen das Deutsche Rote Kreuz und Simone Schridde, Geschäftsführerin der Schwimmschule „Wellenbrecher“. Sowohl das DRK als auch die Wellenbrecher haben in Mechernich Wasserzeiten. Hinzu kommt die Schwimmschule Udelhoven. „Wir müssen die Kinder ins Wasser bekommen. Alles andere geht gar nicht“, sagt Simone Schridde.

Genau wie die anderen Untermieter der Pro Medik, hofft Schridde, dass auch für die Zeit nach März eine Lösung gefunden wird. Zunächst sei glücklicherweise ein wenig Druck vom Kessel. Das Kreiskrankenhaus hat das Bewegungsschwimmbad an die Pro Medik vermietet.

Der Vertrag läuft nach Informationen dieser Zeitung noch zwei Jahre. Entsprechend seien dem Kreiskrankenhaus die Hände gebunden, sagt Geschäftsführer Thorsten Schütze: „Wir können das nicht beeinflussen. Wir bedauern die Überlegungen der Pro Medik GmbH aber natürlich“, so Schütze: „Wir wollen nicht, dass das Bewegungsbad geschlossen wird.“

Im laufenden Jahr habe man die leicht gestiegenen Stromkosten weitergegeben. Die Gaspreise sind laut Schütze noch unverändert. Wie stark die Energiekosten für das kommende Geschäftsjahr steigen werden, sei noch nicht abzusehen. Der Geschäftsführer geht aber fest davon aus, dass sie steigen werden.

Nach Mechernich kommen auch Eltern vom Nürburgring und aus Jünkerath

Die Eltern der  Pauwels von der Pro Medik sagte im Gespräch mit dieser Zeitung, dass ein starker Anstieg der Kosten ein K.o.-Kriterium sein könne. „Natürlich müsste ich die Kosten an die Mieter weitergeben“, sagt Pauwels. Für Schwimmschulleiterin Simons ist das „in einem gewissen Rahmen völlig verständlich“. Sie kalkuliert aktuell damit, die Preise für ihre Kurse mit je zehn Terminen um 20 Euro anzuheben.

Die Eltern hätten dafür Verständnis, berichtet Simons, die die Entscheidung der Pro Medik, zunächst von der Schließung abzusehen, begrüßt. „Zu mir kommen Eltern vom Nürburgring oder Jünkerath nach Mechernich. Das zeigt, wie groß der Bedarf ist“, sagt sie. Genau wie die anderen Schwimmschulen, würde sie sich über mehr Wasserzeiten freuen.

„Sollte mal das Argument seitens der Pro Medik kommen, dass das Bad nicht ausgelastet sei und sich deshalb nicht rechne – Herr Pauwels kennt meine Nummer“, sagt sie. Bei der Politik ist die Problematik von fehlenden Schwimmkapazitäten angekommen. Die NRW-Landesregierung will beispielsweise mithilfe von mobilen Schwimmbädern zusätzliche Kapazitäten zum Schwimmenlernen schaffen. Eine solche Möglichkeit will die Kreis-SPD prüfen.

Thilo Waasem (SPD) bringt mobile Schwimmbäder ins Gespräch 

Im Januar will die Fraktion um ihren Chef Thilo Waasem einen Hersteller solcher mobilen Schwimmbäder besuchen, um zu erörtern, ob es eine Alternative für den Kreis Euskirchen ist. „Es stehen ohnehin schon zu wenig Schwimmflächen zur Verfügung. Wenn möglicherweise weitere Bäder wegen der Energiekrise wegfallen, wird das Problem noch größer."

Durch die Corona-Lockdowns habe es schon verlorene Jahrgänge von Schwimmanfängern gegeben, so der Sozialdemokrat. „Wir müssen dem entgegenwirken und das Problem nicht noch verschärfen. Zugespitzt geht es hier um Leben und Tod“, sagt Waasem, der sich für eine Art interkommunalen Schwimmpakt starkmachen will.

Eine mobile Lösung könnte auch für Kall interessant sein. Der Grund: das durch die Flut zerstörte Schwimmbad. Um das Bad besser vor Hochwasser zu schützen, kommt die Technik nach Vorstellung von Bürgermeister Hermann-Josef Esser nicht wieder in den Keller. Doch bis der Wiederaufbau beginnt, werden noch Monate vergehen. Bis zur Fertigstellung fehlen wichtige Wasserzeiten.

Die Kaller Grundschule kann zumindest für die Nichtschwimmer aus der vierten Klasse eine AG mit Schwimmunterricht anbieten. Das Hermann-Josef-Kolleg hat der Schule ein kleines Zeitfenster in seinem Lehrschwimmbecken angeboten.

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