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Richtlinien für PferdehalterKreis Euskirchen will bei Reitställen genauer hinsehen

Lesezeit 5 Minuten
Eine Reiterin trainiert auf einer Reitanlage auf einem Pferd.

„Reiten ist kein Volkssport“, sagt Rolf Radzuweit. Seine Pferde werden auf dem Reitplatz im Freien von erfahrenen Reiterinnen wie Tina Buchstaller trainiert.

In einem Rundschreiben weist der Kreis Euskirchen die Pferdehalter auf die Richtlinien zur Haltung der Tiere hin.

Vier Stunden Auslauf im Freien täglich, Gruppenhaltung, mindestens 150 Quadratmeter Auslauffläche für ein bis zwei Tiere – wer in Deutschland Pferde halten will, sollte sich an einige Leitlinien halten. „Leitlinien sind zwar keine Gesetze, werden aber von den Gerichten als antizipierte Gutachten wahrgenommen“, sagt Dr. Jochen Weins, Leiter des Veterinäramtes im Kreis. Er wisse, dass viele Pferdehalter die Leitlinien nicht so genau nähmen.

Deshalb hat das Veterinäramt Anfang März einen vier Seiten langen Brief an alle dem Amt bekannten Pferdehalter im Kreis verschickt. „Wir möchten Sie mit diesem Schreiben bitten, Ihre Pferdehaltung bis zum 1.1.2024 in den kritischen Punkten eigenverantwortlich zu prüfen und im Bedarfsfall an die Leitlinien anzupassen“, heißt es darin.

Der Kreis Euskirchen hat 1000 Briefe an Pferdehalter verschickt

1000 Briefe seien verschickt worden, sagt Weins. Ihm gehe es vor allem um die gewerblichen Pferdehalter, wie Reitställe und Pferdepensionen. Davon gebe es etwa 100 im Kreis. Und die benötigen eine Genehmigung vom Veterinäramt. Nur da habe sein Team die Chance, die Einhaltung der Leitlinien zu überprüfen, führt Weins aus. Denn im Zuge des Genehmigungsverfahrens gebe es eine Ortsbegehung. In der Vergangenheit habe das Veterinäramt schon mal Fünfe grade sein lassen, sagt Weins. Das soll sich ändern.

Will strenger kontrollieren: Dr. Jochen Weins, Leiter der Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung beim Kreis Euskirchen.

Anfang des Jahres habe es mehrere Genehmigungsanträge von Ställen gegeben, die die Leitlinien nicht komplett erfüllten. Das habe das Veterinäramt zum Anlass für das Schreiben genommen. Die Genehmigungsverfahren ruhen derzeit, damit die Reitställe Zeit haben, ihre Bedingungen an die Leitlinien anzupassen. Ab 2024 will der Kreis bei den Genehmigungen genauer hinsehen. Das Schreiben ging auch an private Pferdebesitzer. Diese benötigen zwar keine Genehmigung, werden also auch nicht kontrolliert. Trotzdem sollten sie sich auch an die Leitlinien halten, sagt Weins.

In der Überarbeitung werden die Richtlinien vermutlich verschärft

Die Leitlinien zur Pferdehaltung stammen aus dem Jahr 2009 und sind aktuell in der Überarbeitung. Die Regeln gelten also schon lange, betont Weins. Er weist darauf hin, dass die Leitlinien durch die aktuelle Überarbeitung vermutlich noch einmal verschärft werden: „Tierschutz ist ein fortwährender Prozess.“ Und genau darum gehe es ihm bei diesem Schreiben: um den Tierschutz. Und nicht darum, Reiter zu ärgern.

Einer, der viel Erfahrung sowohl als Reiter, Trainer, Pferdebesitzer und Turnierrichter hat, ist Rolf Radzuweit. Der 74-Jährige ist Vorsitzender des Reitvereins St. Georg Euskirchen und besitzt zwölf Pferde. Im Grunde begrüße er es, dass der Kreis mehr auf den Tierschutz und die Haltung der Pferde achten wolle. Aber in seinen Augen gibt es ein ganz anderes, viel größeres Problem: die Begleitumstände.

Euskirchener Pferdehalter verweist auf die Bedeutung richtigen Trainings

In vielen Ställen mangele es an gut ausgebildetem Personal. Die Pferde würden falsch eingeritten, Reitanfänger falsch trainiert. Die Folge seien gesundheitliche Probleme bei den Pferden. „Normalerweise sind Pferde von ihrer Konstruktion her nicht so fürs Reiten geeignet“, sagt er. Radzuweit sitzt am Rande seines Reitplatzes in Oberwichterich. Hier zieht gerade eine 21 Jahre alte Stute ihre Runden.

150 Quadratmeter Auslauffläche braucht es für ein bis zwei Pferde laut der Leitlinien zur Pferdehaltung mindestens.

Radzuweit ist stolz, dass selbst seine älteren Pferde noch auf Turnieren Erfolge einheimsen. Das sei nur möglich, weil sich richtig trainiert wurden, ist er überzeugt. Ein bis zwei Jahre Rückentraining seien essenziell, damit das Pferd unbeschadet bis ins hohe Alter geritten werden könne. Lastenträger wie Isländer oder Haflinger nehme er davon einmal aus. Es mache aber keinen Unterschied, ob es sich um ein Freizeit- oder Sportpferd handele. Auch ein Pferd, das nur in der freien Natur geritten werde, habe ein Recht, gesundheitsverträglich bewegt zu werden.

Der Auslauf im Freien ist für den Kreis kaum zu kontrollieren

Und noch etwas ist ihm wichtig: „Reiten ist kein Volkssport.“ 50 Prozent der Reiter dürften sich in seinen Augen eigentlich gar nicht aufs Pferd setzen. Der Reitsport sei da viel zu unehrlich zu Lasten der Pferde. Wenn ein Kind unbedingt Fußballspieler werden wolle, im Training aber nie einen Ball treffe, dann werde es vom Trainer auf die Tribüne geschickt, zieht Radzuweit einen Vergleich. Im Pferdesport passiere das nicht, weil die Reitställe vom Unterricht finanziell abhängig seien.

Auf die Frage, wie sich dieses Problem lösen lasse, weiß Radzuweit allerdings auch keine Antwort. Einen Ansatzpunkt sieht er bei der Ausbildung der Pferdewirte. Die Vorschriften sehen hier laut Radzuweit praktisches Reiten nur im dritten Ausbildungsjahr vor und dann lediglich 16 Wochen. Das seien nur zwölf Prozent der gesamten Ausbildungszeit: „Das muss geändert werden.“

Die Qualifikation der Reitlehrer sei sicher tierschutzrelevant, heißt es aus dem Veterinäramt. Doch die Tätigkeit sei nicht genehmigungspflichtig. Das Veterinäramt könne nur auf Dinge wie Unterbringung und Versorgung der Pferde achten. In den Leitlinien zur Pferdehaltung stehe beispielsweise auch, dass jedes Pferd jeden Tag vier Stunden Auslauf im Freien haben sollte, berichtet Weins. Das zu kontrollieren, sei unmöglich. Aber man wolle es den Haltern noch einmal ins Gedächtnis rufen. Auch deshalb ging das Schreiben an alle Pferdebesitzer.


Pferde als Schlachttiere eintragen

In dem Brief an alle Pferdehalter weist das Veterinäramt noch auf etwas anderes hin. Pferde haben einen Equidenpass, in dem wichtige Daten über sie eingetragen werden. Dort wird auch vermerkt, ob das Tier zur Schlachtung bestimmt ist oder nicht. Der Unterschied zwischen beiden Kategorien liege darin, dass Schlachttiere bestimmte Medikamente nicht bekommen dürfen, erklärt Dr. Jochen Weins.

95 Prozent der Pferde würden mittlerweile als Nichtschlachttier eingetragen. Das könne einen Reitstall dazu zwingen, ein lahmes Pferd zehn Jahre durchfüttern zu müssen, weil es für eine Einschläferung zu gesund sei. Weins rät deshalb, sich das gut zu überlegen. Die Eintragung zum Schlachttier könne man jederzeit widerrufen, die zum Nichtschlachttier nicht.

„Das halte ich für unmoralisch“, sagt Rolf Radzuweit. Das könne dazu führen, dass Besitzer, die keine Lust mehr auf ihr Pferd haben, dies einfach zum Schlachter bringen. Und sollte ein Pferd wirklich nicht mehr geritten werden können, liege meistens ein gesundheitliches Problem vor. Und dann dürfe das Tier auch eingeschläfert werden. (jre)