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VorstellungDas Kreisjahrbuch 2026 verströmt einen Hauch von „Babylon Euskirchen“

4 min
Die Teilnehmer der Vorstellungsveranstaltung haben sich zu einem Foto aufgestellt. Sie alle halten ein Exemplar des neuen Kreisjahrbuchs in den Händen.

Autoren, Verleger und Sponsoren stellten das neue Kreisjahrbuch vor, die Gastgeber Andrea van Ommen und Peter Margiewicz (vorne kniend) präsentierten einen Tanz und das Outfit der Goldenen Zwanziger.

Vergnügen und Tanz, Inflation und Verbrechen: Die 20er-Jahre des 20. Jahrhunderts waren voller Widersprüche – auch im Kreis Euskirchen.

Ein Hauch von Moka Efti wehte am Mittwoch durch die Räume der Tanzschule Schumacher in Euskirchen. Moka Efti, so heißt der fiktive Vergnügungstempel, in dem sich ein Gutteil der Handlung des Serienhits „Babylon Berlin“ abspielt.

Denn als die Betreiber der Tanzschule, Andrea van Ommen und Peter Margiewicz, zum Serien-Ohrwurm „Eine Nacht wie Gold“ in historischen Outfits übers Parkett wirbelten, war allen Gästen klar: Es war eine ziemlich gute Idee, die Vorstellung des Kreisjahrbuchs 2026 hier stattfinden zu lassen.

Licht und Schatten eines wilden Jahrzehnts werden eindrucksvoll dargestellt

Denn die neue Ausgabe widmet sich zu großen Teilen den 20er-Jahren des 20. Jahrhunderts, jener Zeit, die gemeinhin in Gold gezeichnet wird, für viele aber auch sehr rostig war.

Dass diese babylonische Widersprüchlichkeit nach einem brutalen und vor einem noch brutaleren Krieg sich nicht auf die deutsche Hauptstadt beschränkte, stellen die vielen Autoren des Jahrbuchs eindrucksvoll heraus. Auch hierzulande gab es Babylon – ein Babylon Euskirchen sozusagen. So wandern die Beiträge durch die Licht- und Schattenseiten des Jahrzehnts wie die Serienprotagonistin Charlotte Ritter zwischen dem Moka Efti und ihrem Berliner Hinterhofelend.

Andrea van Ommen und Peter Margiewicz etwa stellen mit ihrer Abhandlung zu den Tänzen jener Zeit wie dem Charleston unter Beweis, dass sie nicht nur das Tanzbein, sondern auch die Feder edel zu schwingen wissen. „Auch im Kreis Euskirchen war Tanz bereits vor 100 Jahren ein fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens“, schreiben sie. Wie ihnen gelingt es allen Autoren, die große Welt mit dem lokalen Geschehen zu verbinden.

Verantwortliche fürs Kreisjahrbuch waren schockverliebt in das Thema

So stellt der Lokalhistoriker Hans-Gerd Dick die Serie „Babylon Berlin“ vor und enthüllt dabei, dass bei einem Dreh in der Zülpicher Börde geschichtlich bewanderten Schaulustigen doch die eine oder andere kleine historische Ungenauigkeiten aufgefallen ist.

Als der Autor Peter-Lorenz Könen der Redaktionsleiterin des Jahrbuchs, Kreisarchivarin Heike Pütz, die Idee zu diesem Themenschwerpunkt vortrug, sei sie „direkt angefixt“ gewesen, berichtet Pütz. Den Kollegen der Pressestelle sei es ähnlich gegangen: „Da gibt es auch Babylon-Berlin-Fans.“ Auch ihren Chef musste sie nicht lange überzeugen, hatte Markus Ramers bis zu seiner ersten Wahl zum Landrat 2020 doch Gymnasiasten unter anderem in Geschichte unterrichtet.

„Wir schauen 100 Jahre zurück – und erkennen überraschend viele Parallelen: Inflation und Unsicherheit, neue Medien – damals Radio und Film, heute Social Media und KI – sowie kräftige Umbrüche im Alltag“, gab Ramers einen Inhaltsüberblick.

Wir schauen 100 Jahre zurück – und erkennen überraschend viele Parallelen.
Markus Ramers, Landrat

Heike Pütz etwa berichtet davon, wie das Radio die Welt eroberte, Radio Euskirchen-Chefredakteur Norbert Jeub nimmt den Ball mit „100 Jahre Radio“ auf, und Kreispressesprecher Wolfgang Andres betrachtet die Medienwelt von damals bis heute: „Vom Extrablatt zu Social Media“.

Warum dem heute allseits wieder geläufigen Wort „Inflation“ vor 100 Jahren ein „Hyper“ vorausgestellt wurde, erläutern die Azubis der Volksbank Euskirchen, Marina Sangl, Nadja Wirtz und Albin Pllana – angereichert mit Abbildungen des Notgeldes, das auch die Kreise Euskirchen und Schleiden herausgaben, um die Folgen des galoppierenden Geldwertverlustes zu mindern.

Wiederaufbau, Natur und Kreishausanbau – auch aktuelle Themen werden behandelt

Denn die Zwanziger, so die drei Autoren, waren nur golden in der Zeit zwischen der Hyperinflation 1923 und der Weltwirtschaftskrise ab 1929. Aus der Sparte Verbrechen beschreibt Andreas Züll den „Sprengstoffmord von Eicks“ – nicht reißerisch, aber mitreißend und spannend. Anderen historischen Ereignissen widmen sich auch Sabine Heiders und Heike Pütz in ihrem Beitrag „Das Schweigen hat ein Ende“ über verfolgte Frauen, die unter dem Verdacht des „verbotenen Umgangs“ in der Nazizeit standen.

Oder Christian Ramolla, der sich mit den Überlegungen für ein Krankenhaus in Kall während des Kalten Krieges auseinandersetzt. Der „Schulstadt seit vielen Jahrhunderten“ widmet sich Lokalhistoriker Harald Bongart – und meint natürlich seine Heimatstadt Bad Münstereifel.

Traditionell widmet sich das Jahrbuch auch aktuellen Themen: Die Einweihung des Kreishaustraktes D, das neue Lagezentrum der Gefahrenabwehr sowie die Bahnstrecken werden ebenso thematisiert wie der Natur- und Umweltschutz und im Jahr vier nach der Katastrophe natürlich auch der Wiederaufbau nach der Flut.


Sogar auf Hawaii wird das Jahrbuch des Kreises Euskirchen gelesen

Das 240 Seiten umfassende Jahrbuch ist ab sofort im örtlichen Buchhandel zum Preis von 9,80 Euro erhältlich, erklärte Verlagsleiter Alexander Lenders vom Monschauer Weiss-Verlag, der die Kreisjahrbücher seit Jahren herausbringt. Sogar auf Hawaii werde das Buch gelesen, berichtete Lenders. Einige Exemplare würden regelmäßig von dort angefordert – von wem, verriet Lenders nicht.

Nach dem Jahrbuch ist vor dem Jahrbuch: Das Schwerpunktthema für das Kreisjahrbuch 2027 lautet „Made im Kreis Euskirchen“. Hier sollen Menschen und Unternehmen im Mittelpunkt stehen, die den Kreis Euskirchen durch ihre Erfindungen, Produkte und Produktivität in der Region, in Deutschland und der Welt bekannt gemacht haben.

Wer dazu Kontakt mit der Redaktion des Kreisjahrbuchs aufnehmen möchte, kann dies über die Rufnummer 0 22 51/1 55 07 oder per E-Mail tun.