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FachkräftemangelDroht den Menschen im Kreis Euskirchen weniger Service im Rathaus?

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Ein rotes Schild mit der Aufschrift ·„Wir stellen ein - Vollzeit, Teilzeit, Aushilfen“hängt an einer Eingangstür.

Der Fachkräftemangel ist im Kreis Euskirchen längst angekommen. Auch die Verwaltungen sind davon betroffen.

Die Liste der Stellenausschreibungen in den Verwaltungen im Kreis Euskirchen ist lang. Der Fachkräftemangel könnte weitreichende Folgen haben.

Vor kurzem in Zülpich: NRW-Heimatministerin Ina Scharrenbach bringt ein Dokument ins Rathaus, das der Römerstadt rund zwölf Millionen Euro für den Wiederaufbau nach der Flut zusichert. Bürgermeister Ulf Hürtgen ist froh, verhehlt aber nicht, dass der Weg ein steiniger ist: „Wir suchen dringend einen Stadtplaner.“

Der Fachkräftemangel in den Verwaltungen ist da – bei den einen schon mehr, bei den anderen noch weniger. Müssen nun Abstriche beim Service gemacht werden? Lassen etwa Personalausweise oder Baugenehmigungen länger auf sich warten?

In den Verwaltungen im Kreis werden die Fachkräfte knapp

Die Kreisverwaltung sucht laut Pressesprecher Wolfgang Andres Leute für so gut wie alle Bereiche: Allgemeiner Sozialer Dienst im Jugendamt, Rettungsdienst, Ingenieure, Mediziner, Techniker und so weiter und so fort. Hürtgen spürt den Fachkräftemangel ebenfalls durch die Bank – „insbesondere bei den Themen Hoch- und Tiefbau“. Auch für die Kitas gestalte sich die Suche schwierig: „Vom fehlenden Fachpersonal sind alle Ebenen in der Verwaltungsstruktur gleichsam betroffen, vom Minijobber bis zur Abteilungsleitung.“

Auch der Job des Mechernicher Personalverantwortlichen Ralf Claßen ist nicht einfacher geworden: „Im mittleren Dienst haben wir noch genug Bewerbungen. Aber: Je mehr wir in die Spitze kommen und je fachspezifischer es wird, wird es schwieriger.“

Mechernich: 30 Bewerbungen für eine Stelle - wenn es gut läuft

Noch habe die Stadt alle Stellen besetzen können, bei Ingenieuren sei er aber froh, wenn eine Bewerbung auf dem Schreibtisch liege: „Da mussten wir in die zweite oder gar dritte Runde gehen.“ Noch gebe es keinen Personalmangel: „Aber es ist schwieriger geworden. Früher konnte ich aus 150 Bewerbungen zwei Auszubildendenstellen besetzen, heute bin ich froh, wenn ich im Azubibereich 30 Bewerbungen habe und bekomme eine Stelle besetzt.“

In Dahlem gebe es ihn noch nicht, sagt Bürgermeister Jan Lembach: „Der Generationswechsel gelingt ausgesprochen gut.“ Der Altersschnitt sei sogar von etwa 50 auf etwa 40 Jahre gesunken. Von den 34 Stellen im Rathaus wurde die Hälfte seit 2014 neu besetzt. „Allerdings“, schränkt Lembach ein, „wird die Zahl der qualifizierten Bewerberinnen deutlich geringer.“

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente

Die geburtenstarken Jahrgänge gehen in Rente – und mit ihnen viel Wissen und Erfahrung. Nachfolger werden rar. „Die großen Behörden haben einen ganz anderen Stellenkegel, da kann ich auch als Sachbearbeiter in die Entgeltgruppen 11, 12 oder sogar 13 kommen“, sagt Claßen. Dafür müsse man in Mechernich schon Teamleiter oder Fachbereichsleiter sein. Die Bürger Claßen macht sich noch keine Sorgen: „Der Service für die Bürger kann aufrechterhalten werden.“

Im Handwerkerbereich, etwa im Bauhof, gebe es keine Probleme, Mitarbeiter zu finden. Hier könne der Öffentliche Dienst mit verlässlichen Arbeitszeiten, festem Einkommen und geregelter Altersvorsorge glänzen, so Claßen.

Landrat Markus Ramers setzt auf die Digitalisierung

Landrat Markus Ramers setzt auf die Digitalisierung. Über das Serviceportal können die Bürger Termine beim Kreis buchen, um Wartezeiten zu vermeiden. Doch Ramers fürchtet, dass es zu Abstrichen kommen wird und sich die Verwaltung auf ihr Kerngeschäft konzentrieren muss – „Pflicht vor Kür“ lautet seine Devise.

Auch Hürtgen sieht in Digitalisierung, Weiterbildung, agilen Arbeitsmethoden und -modellen Chancen, die Situation zu entschärfen. Aber: „Sollte sich die bereits angespannte Situation weiter verschärfen, sind längere Laufzeiten bei der Bearbeitung von Anfragen und der Rückgang der Servicequalität kaum zu verhindern.“

Sollte sich die bereits angespannte Situation weiter verschärfen, sind längere Laufzeiten bei der Bearbeitung von Anfragen und der Rückgang der Servicequalität kaum zu verhindern.
Ulf Hürtgen, Bürgermeister von Zülpich

Die Arbeitnehmer können sich ihre Jobs aussuchen. Warum also Mechernich, Weilerswist oder Schleiden, wenn sie in Köln, Bonn oder Aachen das gleiche Geld erhalten, aber weniger Personalverantwortung tragen müssen? Ramers verweist auf die Lebensqualität im Kreis, Claßen auf die verkehrliche Anbindung Mechernichs, Lembach auf die fast familiären Strukturen der Dahlemer Verwaltung und Hürtgen auf die hohe Verbundenheit zur Stadt Zülpich und den Zusammenhalt, das projektorientierte Denken und Handeln, das die Verwaltungsbelegschaften gerade im ländlichen Raum auszeichne.

Das Personalkarussell ist auch im Kreis Euskirchen in Bewegung

Claßen sieht sich mit seinen 46 Dienstjahren als Dinosaurier: „Es ist wie in der Bundesliga. Das Personalkarussell ist in Bewegung. Die Kollegen haben erkannt, dass wir einen Arbeitnehmermarkt haben.“ So kämen Beschäftigte von kleineren Behörden nach Mechernich, weil es da mehr Geld gebe, andere verließen Mechernich in Richtung Kreis und so weiter.

Lembach nimmt seit einigen Jahren einen Zuwachs an Bewerbungen aus Rheinland-Pfalz wahr. Die Verwaltungen Ramers sieht es nicht als Aufgabe des Staates an, sich beim Kampf um die besten Köpfe gegen die Privatwirtschaft zu stellen. Der Fachkräftemangel sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nur miteinander zu bekämpfen sei.

Moderner Arbeitsplatz in einer schönen Landschaft

„Wir sehen uns eher in Konkurrenz zu Bund und Land und natürlich innerhalb der kommunalen Familie“, sagt der Landrat. Da biete der Kreis mit hoher Lebensqualität und mobilen Arbeitsmöglichkeiten (Homeoffice) das Beste aus den zwei Welten Stadt und Land. So könnten seine Kolleginnen und Kollegen in einigen Abteilungen schon jetzt per App ihren Arbeitsplatz oder den Besprechungsraum buchen oder lieber digital von daheim aus an der Besprechung teilnehmen, so Ramers: „Also: Moderner Arbeitsplatz in schöner Landschaft – und wenn es sein muss, ab und zu in die Großstadt.“

Junge Familien finden den Weg in die ländlichen Regionen

Junge Familien suchen, so Ramers, vermehrt den Weg aus den Ballungsgebieten in die ländlichen Regionen. Zum Glück komme der Breitbandausbau voran. So wird auch Claßen nicht bange. Er erinnert an Rahmenbedingungen, Homeoffice, gleitende Arbeitszeiten. Auch sei in den vergangenen Jahren gut ausgebildet worden, betonen die Verwaltungen. „Im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit wurden in unterschiedlichen Berufen Ausbildungen angeboten“, betont Hürtgen: „Es ist gelungen, den überwiegenden Anteil der Auszubildenden zu übernehmen.“

Neben den Kommunen seien Bund und Land gefordert, stellte der NRW-Landkreistag kürzlich fest und fordert etwa größere laufbahnrechtliche Gestaltungsspielräume. Fotini Bung, Teamleiterin Organisation und Personal bei der Stadt Mechernich, erklärt es am Beispiel: „Es gilt, dass Techniker nicht die Option haben, schnell in den höheren Dienst zu kommen. Da gibt es von der Laufbahnverordnung her ein paar Probleme.“

Claßen fordert eine Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten. Wer Verantwortung übernehme, müsse besser gestellt werden. Wenn der Abstand zu niedrig sei, motiviere das nicht, Stellen mit Verantwortung zu übernehmen: „Es kann nicht sein, dass jemand der Verantwortung trägt, vielleicht 200 Euro mehr verdient als jemand, der unter ihm arbeitet. Da fragen sich viele: ,Warum soll ich mir das antun? Da gehe ich lieber in die zweite Reihe und habe ein ruhiges Leben’.“

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