TeilzeitausbildungMama erlernt beim Kreis Euskirchen einen neuen Beruf

Lesezeit 4 Minuten
Das Bild zeigt Chantal Bednarz an ihrem Schreibtisch in der Kreisverwaltung.

Fühlt sich als Berufsschülerin und Auszubildende mit 35 Jahren sehr wohl: Chantal Bednarz aus Zülpich.

Chantal Bednarz macht ihre Ausbildung beim Kreis Euskirchen in Teilzeit. In der Berufsschule wird die Mutter schon mal für eine Lehrerin gehalten.

Chantal Bednarz fällt auf – zumindest an der Berufsschule. Dort hat sie nämlich nicht nur gute Noten, sondern ist mit 35 Jahren auch erheblich älter als ihre Mitschüler. Die Zülpicherin hätte fast unfreiwillig ihrer Berufsschulklasse eine Freistunde beschert.

„Ich stand vorne und habe mich mit einem Mitschüler unterhalten und ihm etwas erklärt. Das hat der Vertretungslehrer, der mich nicht kannte, gesehen. Er hat mich für eine Kollegin gehalten und ist wieder gegangen. Wären Schüler ihm nicht hinterhergelaufen, wäre die Stunde wohl ausgefallen, weil er dachte, dass eine Lehrerin da ist“, erzählt die Berufsschülerin, die in der Kreisverwaltung eine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten macht – in Teilzeit.

Beruf als Physiotherapeutin war auf Dauer körperlich zu anstrengend

Für die zweifache Mutter ist es die zweite Ausbildung. „Ich habe lange als Physiotherapeutin gearbeitet. Das wurde mir dann aber im Laufe der Zeit körperlich zu anstrengend, deshalb habe ich nach einer Alternative gesucht“, sagt die Zülpicherin. Diese Alternative fand sie beim Kreis Euskirchen.

Da sie jedoch als zweifache Mutter aus Zeitgründen keine Vollzeitausbildung machen könne, habe sie sich für eine Teilzeitausbildung entschieden. „Das habe ich bisher keine Sekunde bereut“, sagt die 35-Jährige. Im Sommer 2025 will Bednarz ihre Ausbildung spätestens abgeschlossen haben. Im kommenden Jahr gehe ihre Tochter zur Schule. „Dann machen wir wohl gemeinsam Hausaufgaben. Gerade freuen wir uns beide darauf. Mal sehen, wie es dann in der Realität aussieht“, erzählt die zweifache Mutter.

Sie ist für uns ein absoluter Glücksfall.
Astrid Günther, Gleichstellungsbeauftragte beim Kreis Euskirchen

In der Kreisverwaltung ist Bednarz derzeit die einzige Auszubildende, die in Teilzeit auf das spätere Berufsleben vorbereitet wird. „Sie ist für uns ein absoluter Glücksfall“, sagt Astrid Günther, Gleichstellungsbeauftragte beim Kreis Euskirchen. Damit meint Günther nicht nur Chantal Bednarz, sondern auch die Möglichkeit der Teilzeitausbildung im Allgemeinen.

Dem kann Sandra Schmitz, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt bei der Agentur für Arbeit, nur zustimmen. „Das Thema muss zu den Menschen, aber auch zu den Unternehmen. Die Chancen, die sich dadurch bieten, sind groß“, sagt sie. Sei es für Leistungssportler, für Menschen, die nebenbei noch Sprachkurse belegen oder auch gesundheitliche Einschränkungen hätten. Oder für Frauen, die während der Ausbildung schwanger werden.

Ausbildung in Teilzeit ist eine Chance für Betriebe und Azubis

Einen solchen Fall habe es bei einem Handwerksbetrieb in der Eifel gegeben. „Die Frau wollte ihre Ausbildung weitermachen, der Betrieb wollte seine gute Auszubildende nicht verlieren. Also hat man sich darauf geeinigt, dass die Ausbildung nach dem Mutterschutz in Teilzeit fortgesetzt wird“, berichtet Schmitz.

In Zeiten von Fachkräftemangel sei die Teilzeitausbildung eine Möglichkeit, diesem entgegenzuwirken. Die Ausbildungsdauer verlängere sich maximal um eineinhalb Jahre, erklärt die Expertin. Wie viele Stunden man im Betrieb sei, sei individuell.

„Man muss einfach miteinander sprechen“, sagt Schmitz, die sich wünscht, dass bei Stellenanzeigen viel häufiger der Hinweis erscheint, dass die Ausbildung auch in Teilzeit möglich sei. Das ist sie grundsätzlich bei allen Berufen, die dual – also in Berufsschule und Betrieb – gelehrt werden.„Die Zeit in der Schule wird dabei aber nie verkürzt. Lediglich die Zeit im Betrieb wird in Teilzeit angeboten“, erklärt Schmitz.

Ein schlechtes Gewissen hat Chantal Bednarz nicht, wenn sie mittags nach Hause geht. „Ich habe ja auch meine Aufgaben, die ich zu erledigen habe. Genau wie alle anderen auch. Und lege mich ja zu Hause nicht aufs Ohr, sondern bin Mutter“, sagt sie. Zumal ihr Azubi-Lohn prozentual geringer ausfällt als der ihrer Mitschüler. Noch.

Landrat will sich für mehr Geld für Teilzeit-Auszubildende einsetzen

Landrat Markus Ramers will sich nach eigenem Bekunden dafür einsetzen, dass dieser finanzielle Nachteil beim Kreis, der seit Jahren als familienfreundlicher Arbeitgeber zertifiziert ist, schon bald der Vergangenheit angehört. Und Bednarz? Die will auf jeden Fall beim Kreis Euskirchen bleiben. „Ich habe nur eine Bewerbung geschrieben und fühle mich total wohl“, sagt sie.

Astrid Günther hat in den vergangenen Jahren ähnliche Erfahrungen mit den Teilzeitauszubildenden gemacht. „Die Erfahrung hat gezeigt, dass wir durch Teilzeit keinen Nachteil haben. Die Azubis sind hoch motiviert und haben Lust auf die Ausbildung, weil sie sich ganz bewusst dafür entscheiden“, sagt sie.

Hoch motiviert ist auch Chantal Bednarz. Ihre Noten sind so gut, dass die Möglichkeit besteht, die Ausbildung zu verkürzen. Die guten Noten seien aber das Ergebnis harter Arbeit. „Ich musste zunächst wieder lernen, zu lernen. Das war gar nicht so einfach“, sagt sie. Und auch zu Hause sei das eine oder andere organisatorisch zu regeln gewesen.

Gerade, wenn Prüfungen anstehen. Dann habe ihr Mann am Wochenende schon mal komplett die Paparolle übernommen, während sie sich in den Büchern verkrochen habe. „Aber alle sind sehr glücklich mit der Situation. Dann kommen die guten Noten von allein“, so Bednarz.

KStA abonnieren