ErntebilanzLandwirte im Kreis Euskirchen fühlen sich von der Politik im Stich gelassen

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Sechs Landwirte stehen nebeneinander vor einem Scheunentor.

Bauern aus dem Kreis Euskirchen berichteten auf dem Hof von Bruno Lantzerath (l.) in Großbüllesheim über die Ernte 2023 und die allgemeine Lage der Landwirtschaft.

Die Ernte im Kreis Euskirchen fällt nicht so schlecht aus wie zwischenzeitlich befürchtet. Die Landwirte sind dennoch unzufrieden. 

Die Landwirte im Kreis Euskirchen fühlen sich von der Politik in Berlin und Brüssel im Stich gelassen. Dies zeigte sich am Dienstag während einer Pressekonferenz, zu der die Kreisbauernschaft in den Betrieb von Bruno Lantzerath in Großbüllesheim eingeladen hatte. Im Mittelpunkt sollte eine Erntebilanz stehen. Doch immer wieder ging es um die Bedingungen für die Landwirtschaft im Allgemeinen.

„Man verlangt von uns höchste Qualität, erschwert uns die Arbeit aber permanent, etwa durch Einschränkungen beim Pflanzenschutz“, sagte Dr. Karl-Otto Ditges. Der Derkumer nannte in diesem Zusammenhang die Dicke Bohne, eine im Rheinland traditionsreiche Kulturpflanze. Die Erzeugergemeinschaft für Vertragsgemüse Euskirchen, der Ditges wie Dutzende anderer Bauern angehört, hat die Dicke Bohne „in diesem Jahr erstmals nicht mehr angebaut, weil kein Insektizid mehr zugelassen ist, das gegen zwei Schädlinge wirkt – eine Läuse-Art und einen Käfer“.        

Vorsitzender der Kreisbauernschaft Euskirchen beklagt die EU-Vorgaben

„Das ist auch bei anderen Kulturen so: Es wird, auch durch den Klimawandel, zunehmend schwieriger, sie gesund durch das Jahr zu führen. Auf der anderen Seite zwingt uns die EU, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln massiv zu reduzieren“, ergänzte der Kreisbauernvorsitzende Helmut Dahmen aus Lorbach: „Wir sind ja nicht kategorisch gegen eine Reduzierung, lehnen sie aber ab, wenn die Alternativen fehlen.“   

Ertragseinbußen seien unweigerlich die Folge. Die Konsequenz daraus wiederum sei, dass Deutschland mehr importieren müsse. „Und das aus Ländern, in denen unter anderen Bedingungen produziert wird als bei uns“, sagte der Kommerner Dr. Heinrich Weidenfeld, der sich damit auch explizit auf die Tierhaltung bezog, etwa auf Schweine, deren Bestand in der Bundesrepublik wegen geänderter gesetzlicher Anforderungen deutlich zurückgehe. 

Landwirt aus Kommern spricht von einem verheerenden Signal 

Die Tierhaltung werde hierzulande besonders kritisch beobachtet, so Weidenfeld. Vor diesem Hintergrund sei die Borchert-Kommission ins Leben gerufen worden, benannt nach dem früheren Bundeslandwirtschaftsminister. Sie sei jedoch mit ihren Vorschlägen zum Umbau der Tierhaltung „gescheitert, weil niemand bereit ist, die dadurch entstehenden Kosten zu tragen“, so Weidenfeld: „Das ist für uns Landwirte ein verheerendes Signal.“

Während Toni Winkelhag (Derkum) die seiner Meinung nach überbordende Bürokratie beklagte („Alles muss dokumentiert werden“), ärgert sich Dahmen auch über einen „Mangel an Wertschätzung und Planungssicherheit“. Ditges lenkte den Blick auf globale Entwicklungen: „800 Millionen Menschen sind unterernährt, die Weltbevölkerung wächst weiter rasant. Für uns aber wird die so dringend notwendige Lebensmittelproduktion immer schwieriger. Das ist widersinnig.“

Die Landwirte im Kreis Euskirchen leiden unter der Kostenentwicklung

Dabei spielen auch die Folgen des Krieges in der Ukraine eine Rolle. Produzieren müssen die Landwirte nach Ditges' Worten unter Bedingungen, die der Markt diktiert. Dies gilt etwa für den Rohölpreis, von dem unter anderem die Kosten für Treibstoff und Kunstdünger abhängen. Die Preise, die die Landwirte für ihre Erzeugnisse erzielten, seien nach Kriegsausbruch gestiegen, mittlerweile jedoch wieder auf dem alten, also niedrigeren Stand, so Ditges: „Die Kosten sind dagegen aber nicht gesunken.“

Zusätzliche Sorgen bereitete den Landwirten in diesem Jahr das Wetter. Helmut Dahmen erinnerte es an „eine Achterbahnfahrt“. Bei den Zuckerrüben führte das nasse Frühjahr zu einer verspäteten Aussaat. „Bis Mai gab es dann Wasser genug, aber von Mitte Mai bis Ende Juli mussten wir eine lange Durststrecke überstehen“, sagte Martin Böhling aus Weiler in der Ebene mit Blick auf mehr als zwei Monate mit sehr wenig Regen. 

Bei den frühen Getreidesorten seien die Erträge gut, zum Teil auch sehr gut ausgefallen, bei den späten Sorten mäßig bis schlecht, bilanzierte Böhling. Die Ertragserwartung bei den Zuckerrüben bewege sich mittlerweile auf einem durchschnittlichen Niveau. Auch für Kartoffeln und Feldgemüse seien die starken Regenfälle Ende Juli/Anfang August „zu großen Teilen noch rechtzeitig“ gekommen, ergänzte Ditges.   

Im Süden des Kreises Euskirchen lagen wegen der hohen Niederschlagsmengen eine Zeit lang „die Nerven blank“, berichtete Dahmen. Die Braugerste-Ernte sei „nahezu katastrophal“ ausgefallen. Im Raum Blankenheim hätten manche Bestände nicht geerntet werden können.

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