Für die Versorgung in ländlichen Bereichen des Kreises Euskirchen könnte es schwierig werden. Apotheker sind enttäuscht von der Bundesregierung.
VersorgungWarnung vor Apothekensterben im Kreis Euskirchen – Ministerin eingeschaltet

Werden die Wege zu den Medikamenten für die Bevölkerung im Kreis Euskirchen länger? Die Apotheker befürchten das.
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Sie hatten ihre Hoffnungen in die neue Bundesregierung gesetzt – vor allem in den Wechsel von Karl Lauterbach (SPD) zu Nina Warken (CDU) an der Spitze des Bundesgesundheitsministeriums. Doch gut 200 Tage später macht sich Enttäuschung breit unter den Apothekern im Land und auch im Kreis Euskirchen.
„Das Apothekensterben wird weitergehen“, prophezeit die Apothekerkammer Nordrhein in einer Mitteilung. Der Pressesprecher der Apotheker im Kreis Euskirchen, Dr. Thomas Göbel, ergänzt: „Wir erleben gerade, wie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung Stück für Stück zerbricht.“
CDU-Bundestagsabgeordneter Detlef Seif schreibt Ministerin Nina Warken
Ein Alarmruf, der den CDU-Bundestagsabgeordneten Detlef Seif aus Weilerswist auf den Plan ruft. In einem Brief an seine Parteikollegin, Ministerin Warken, und in Absprache mit der gesundheitspolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion, Simone Borchardt (CDU), fordert Seif, die Apotheken im ländlichen Raum schneller zu unterstützen als derzeit geplant.
Denn was die Apotheker bewegt, sei keineswegs Jammern auf hohen Niveau, wie es den Pharmazeuten immer wieder nachgesagt werde, unterstreicht Seif – schon gar nicht bei den Apothekern in weniger besiedelten Landesteilen. „Die Anliegen der Apotheker sind mehr als berechtigt. Die Apotheker und ihre Beschäftigten leisten eine unverzichtbare Arbeit für die Bevölkerung. Aber auch sie haben mit gestiegenen Immobilien- und Energiepreisen, Personalkosten und hohen Anforderungen zu kämpfen, weshalb einige unter erheblichem wirtschaftlichem Druck stehen“, so der Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit dieser Zeitung.
Wir erleben gerade, wie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung Stück für Stück zerbricht.
Sowohl Göbel als auch Seif weisen darauf hin, dass das feste Apothekerhonorar seit 2013 nicht mehr angepasst worden sei – trotz gestiegener Kosten durch erhöhte Löhne, Mieten und Materialausgaben.
So werde es schwierig, die Apotheken vor Ort vorzuhalten: „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen“, so Göbel, „stehen kurz vor dem Ruhestand oder kämpfen schon lange mit einer angespannten wirtschaftlichen Situation.“

Konstruktiv, aber bislang ohne Folgen: So blicken die Apotheker auf ein Treffen im Herbst 2024 zurück: Dr. Ulrich Bauer (v.l.), Detlef Seif, Dr. Thomas Göbel und Dr. Georg Kippels.
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Für die Bevölkerung bedeute das eine schlechtere Versorgung, vor allem jenseits der Ballungsgebiete. Denn Apotheken siedeln sich naturgemäß vorrangig in der Nähe von Arztpraxen und Krankenhäusern an, im Kreis Euskirchen etwa in Euskirchen und Mechernich (siehe auch „Zehn Apotheken weniger als 2014 im Kreis“).
Dort könnten Kunden dann auch zeitnah in einem anderen Geschäft fündig werden, wenn der Apotheker des Vertrauens mal ein gewünschtes Präparat nicht vorrätig habe. „Menschen auf dem Land müssen hingegen erstmal 20 Kilometer weiterfahren“, so Göbel.
Apotheker hofften auf Besserung nach Regierungswechsel in Berlin
Mit seinem Schreiben an Ministerin Warken reagiert Seif auch auf die Enttäuschung der Apotheker, die sich auch gegen ihn richtet. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte Seif mit dem damaligen Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Gesundheitsausschuss, Dr. Georg Kippels, etwa 20 Apotheker und Pharmazeutisch-Technische Assistenten im Kreis getroffen.
In der Kritik an der Bundesregierung war man sich schnell einig. Doch die bestand damals noch aus SPD, Grünen und FDP; Bundesgesundheitsminister war ein gewisser Karl Lauterbach (SPD), dessen Beliebtheitswerte bei den Apothekern überschaubar sind.
Das Gespräch mit den Abgeordneten sei sehr konstruktiv gewesen, erinnert sich Göbel. Die Hoffnung auf Besserung habe durchaus bestanden – und erhielt weitere Nahrung, als der schwarz-rote Koalitionsvertrag verabschiedet wurde, zumal Kippels nach der Bundestagswahl zum Parlamentarischen Staatssekretär im Gesundheitsministerium aufgestiegen war.
Die Anliegen der Apotheker sind mehr als berechtigt.
In ihrem Vertrag einigten sich CDU, CSU und SPD nämlich darauf, das Apothekenpackungsfixum (Honorarbestandteil für jede verkaufte verschreibungspflichtige Arzneimittelpackung) auf 9,50 Euro und für die ländlichen Apotheken sogar auf 11 Euro zu erhöhen. Geschehen sei das bislang noch nicht, so die Apotheker. Und dann erhielt die Hoffnung endgültig einen Dämpfer. „Aufgrund der derzeit wirtschaftlich massiv angespannten Lage der GKV muss dieses Vorhaben daher aktuell noch zurückstehen“, erklärte Ministerin Warken Mitte September.
Dass die Apotheken-Inhaber darüber sauer sind, kann Seif nachvollziehen. Die Glaubwürdigkeit stehe auf dem Spiel, wenn im laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht nachgebessert und das Fixum sofort aufgenommen werde, so der Bundestagsabgeordnete. In seinem Brief an die „Sehr geehrte Ministerin, liebe Nina“ schreibt Seif, die im Koalitionsvertrag versprochene Anhebung des Fixums sei ein „wichtiges Signal an die selbstständigen Apothekerinnen und Apotheker, deren wirtschaftliche Lage sich den vergangenen Jahren spürbar verschlechtert hat“. Daher bitte er darum, die Anpassung des Fixums rasch auf den parlamentarischen Weg zu schicken – als Zeichen der Verlässlichkeit und Wertschätzung an die Apotheker.
Auf eine Antwort von Karl Lauterbach wartet Detlef Seif heute noch
Gleichzeitig lobt Seif die Ministerin, dass die für die Apotheker wichtige Skonti-Regelung beim Kauf von Medikamenten bei den Großhändlern umgesetzt werde. Wenn Apotheker die Rechnungen bei den Großhändlern in einer gewissen Frist begleichen, gewähren diese ihnen Rabatte.
Bei den Summen, die Medikamente zuweilen kosten, ist das durchaus von Bedeutung für die Geschäftsbilanz. Der Bundesgerichtshof hatte jedoch im Februar 2024 erklärt, dass diese Preisnachlässe nur innerhalb des variablen Großhandelszuschlags von 3,15 Prozent zulässig seien. Mit einer Gesetzesänderung will das Ministerium nun wieder handelsübliche Skonti zulassen.
„Das ermöglicht es manchen Apotheken, überhaupt erst schwarze Zahlen schreiben zu können und stellt in jedem Fall einen nennenswerten wirtschaftlichen Faktor für die Apotheker dar“, begrüßt Seif das Vorhaben. „Dass Ministerin Warken sich dieses Themas sofort angenommen hat, zeigt, dass sie ein Interesse an der auskömmlichen Vergütung der Apotheker und ein völlig anderes Verständnis von der Bedeutung der Apotheken hat, als ihr Amtsvorgänger“, so Seif.
Er habe eine für die Apotheker bessere Skonti-Regelung bereits in einem Schreiben an Warkens Vorgänger gefordert, so Seif. Doch Lauterbach habe nie geantwortet.
Zehn Apotheken weniger als 2014 im Kreis Euskirchen
Die Zahl der Apotheken im Kreis Euskirchen ist seit 2014 von 47 auf 37 gesunken. Das teilt die Apothekerkammer Nordrhein auf Anfrage dieser Zeitung mit.
Die 37 Apotheken teilen sich wie folgt auf die Kommunen des Kreises Euskirchen auf: Euskirchen 11, Mechernich 6, Zülpich 4, Weilerswist und Nettersheim jeweils 3, Bad Münstereifel, Hellenthal und Schleiden (ohne Gemünd) jeweils 2 und Dahlem, Blankenheim, Kall, Gemünd jeweils eine.
Wie die Kammer mitteilt, haben im Bereich Nordrhein 66 Apotheken im Jahr 2024 schließen müssen, nur fünf seien hinzugekommen. Damit liege die Zahl der öffentlichen Apotheken erstmals seit langem unter 2000.
Auch 2025 habe der Negativtrend angehalten. In den ersten drei Quartalen verzeichnet die Kammer Nordrhein 34 Schließungen bei nur vier Neueröffnungen: „Zum Stichtag 30. September 2025 verblieben 1910 Apotheken.“
Das sagt der Parlamentarische Staatssekretär Georg Kippels
„Die Kritik und die vorgebrachten Sorgen hinsichtlich der vorerst ausbleibenden Erhöhung des Apothekenpackungsfixums nehme ich ernst“, erklärt der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Georg Kippels, der seinen Wahlkreis im Rhein-Erft-Kreis hat, auf Nachfrage dieser Zeitung.
In Anbetracht der Finanzlage der Kassen müsse die Erhöhung jedoch im Moment zurückgestellt werden, so Kippels: „Wir wollen vernünftig handeln und haben uns daher für das kommende Jahr zunächst die Stabilisierung der GKV-Finanzen vorgenommen.“
Die Erhöhung des Packungsfixums werde dann folgen: „Das haben wir zugesagt und dazu stehen wir. Ich möchte jedoch deutlich betonen, dass auch die jetzt von Frau Bundesministerin Warken vorgelegte Reform bereits viele Verbesserungen für die Apotheken beinhaltet. Es wird mit uns keine Apotheke ohne Apotheker geben, aber flexible Vertretungsregelungen, insbesondere in ländlichen Räumen, tragen zum flächendeckenden Erhalt unseres Apothekennetzes bei.“
Auch die Ausweitung der Kompetenzen von Apothekerinnen und Apothekern, beispielsweise in der Erbringung von Präventionsleistungen, oder die Abschaffung der Nullretaxation (Zahlungsablehnung der Krankenkassen) seien Verbesserungen, für die er sich bereits als Abgeordneter eingesetzt habe. „So stärken wir die Apotheken als tragende Säule in der Arzneimittelversorgung“, erklärte der Staatssekretär.

