Inspiriert von SchülernLehrerin aus Mechernich finanziert Kinderbuch mit Crowdfunding

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Ursula Gruß liest ihrer Tochter aus dem ersten Teil ihrer Kinderbuchreihe "Lilly und Billy" vor.

Ursula Gruß liest ihrer Tochter aus dem ersten Teil ihrer Kinderbuchreihe „Lilly und Billy“ vor.

Ursula Gruß suchte ein Kinderbuch zum Thema Konfliktlösung. Und fand kein passendes. Also schrieb die Lehrerin aus Mechernich einfach selbst eins. Und finanzierte es durch Crowdfunding.

In gewisser Weise machte die Not Ursula Gruß erfinderisch: „Weil ich ein Buch zum Thema Konfliktlösung unter Kindern für meinen Unterricht gesucht und nicht genau das Passende gefunden habe, habe ich mich einfach entschieden, selbst eins zu schreiben.“

Zwar gebe es viele Bücher, die Konflikte zwischen Kindern behandelten. „Ich habe aber ein Buch gesucht, bei dem nicht klar ist, wer den Streit begonnen hat und wer schuld ist“, so die Lehrerin von der Mechernicher Grundschule Satzvey.

„Lilly und Billy“ heißt die Kinderbuchreihe, die dadurch entstanden ist und die Freundschaft der Häsin Lilly und des Enterichs Billy verfolgt. Dabei würden die einzelnen Teile der Reihe, wovon drei bereits geschrieben seien, diverse gesellschaftliche Themen wie Rassismus oder Transsexualität aufgreifen.

„Mir war es auch wichtig, dass Betroffene einen Blick auf die Geschichten werfen. So habe ich etwa einen transsexuellen Freund von mir über den zweiten Teil lesen lassen, in dem es um Lillys Schwester geht, die in einem Jungenkörper steckt“, erklärt Gruß.

Die ersten Geschichten schreibt Gruß in der Theater-AG

Zum Schreiben ist die 39-Jährige über das Theater gekommen. „Ich habe über zehn Jahre lang die Theater-AG an meiner Grundschule geleitet und da mindestens zwei Stücke pro Jahr aufgeführt“, sagt sie. „Die Stücke hatten teils so einen krassen pädagogischen Zeigefinger da drauf oder waren teils in Reimen gesprochen, sodass man sich einfach in Reihe aufstellen und das Mikro weitergeben konnte. Und das ist in meinen Augen nicht der Sinn von Theater.“

Schnell habe sie deshalb begonnen, die Bühnenwerke selbst zu schreiben. Sie habe die Kinder gefragt, welche Rolle sie spielen wollten: „Ich habe dann begonnen, basierend auf den Wünschen der Kinder Stücke zu schreiben.“

Dabei seien bereits einige besondere Drehbücher entstanden. „Es gibt zum Beispiel ein Stück, das heißt ‚Das magische Zepter‘. Ein Schüler hat sich gewünscht: ‚Ich möchte schüchtern und eingebildet spielen‘“, so Gruß. Eigentlich zwei Gegensätze, habe sie geantwortet, aber sich Gedanken gemacht. Um beide Charakterzüge in einer Rolle zu vereinen, habe sie das magische Zepter erfunden: „Es geht um einen König, der schüchtern ist. Aber wenn er das magische Zepter in der Hand hält, wird er selbstbewusst.“

Die Illustrationen liefert ein Freund

Beim Schreiben eines Kinderbuchs hätten sich aber zusätzliche Herausforderungen ergeben. Für die Illustrationen fragte sie Lukas Oleschinski an, einen Freund. „Ich habe Lukas auf einer Party nach längerer Zeit wiedergetroffen. Ich kannte seine Illustrationen und habe ihn dann einfach gefragt: „Willst du das machen? Ich kann mir keinen anderen dafür vorstellen““, so die 39-Jährige: „Lukas war einverstanden, aber es dauerte natürlich seine Zeit, bis die Illustrationen fertig waren. Und dann dachte ich mir, ich versuche das Ganze in der Zwischenzeit mal zu finanzieren.“

So sei ihr und ihrem Mann die Idee zum Crowdfunding gekommen. Gruß erinnert sich noch, wie schleppend das am Anfang lief. „Ich habe mich für die Plattform Startnext entschieden, weil das eine rein deutsche Plattform ist und ich das Buch ohnehin nur für den deutschsprachigen Raum geplant habe“, so Gruß: „Am Anfang dachte ich, das Buch ist gut, das wird schon klappen. Dann hat mich die Realität eingeholt. Es wusste ja noch niemand, dass das Buch gut ist, weil es niemand kannte.“

Am Anfang dachte ich, das Buch ist gut, das wird schon klappen. Dann hat mich die Realität eingeholt.
Ursula Gruß

Um es bekannt zu machen, hat sich Gruß überlegt: „Irgendwann habe ich angefangen, an den verschiedensten Orten aus dem Buch vorzulesen und davon Videos auf den sozialen Medien zu teilen.“ Das sei etwa auf einer Wasserrutsche oder im Kettenkarussell gewesen. „Das hat dann ein paar mehr Leute interessiert“, sagt die Lehrerin. Mehr als 6600 Euro habe das Crowdfunding letztlich eingebracht, 6000 Euro seien das Ziel gewesen. „123 Bücher wurden von den Unterstützern als Dankeschön ausgewählt, wurden also quasi vorbestellt“, erklärt Gruß.

Innerhalb weniger Tage habe ihr Buch so viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass sich sogar mehrere Verlage bei ihr mit Angeboten gemeldet hätten. „Letztendlich haben wir uns dann für den kleinsten Verlag entschieden, weil wir da wirklich alles genauso machen können, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagt die Schriftstellerin. Ein offizielles Publikationsdatum gebe es noch nicht, aber die Bücher seien vorbestellbar beim Kraehe Verlag. 18 Euro kostet ein Exemplar.

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